»Sie mögen wohl meinen Titel nicht«, sagte die Verlagsleiterin unvermittelt zu mir.
Sie war neu im Verlag, nicht meine Vorgesetzte, aber doch in gewisser Weise wichtig für Dinge, die ich zu verantworten hatte. Und sie versuchte, stärkeren Einfluss auf meine Arbeit zu gewinnen, natürlich ohne sich auch nur andeutungsweise für die Inhalte zu interessieren.
Nichts ungewöhnliches für mich; solche Dinge kannte ich zu Genüge. Deshalb saß ich ständig in »Meetings« mit ihr, so auch bei diesem Gespräch.
»Wieso?«, fragte ich, durchaus verwundert.
»Sie sprechen mich immer nur mit meinem Nachnamen an«, belehrte sie mich, »und Sie lassen stets den Titel weg. Aber Sie wissen doch, dass mein Doktortitel ein offizieller Bestandteil meines Namens ist.«
Ich starrte sie an. Das meinte sie doch nicht ernst. Das musste ein Scherz sein. Ich wusste, dass sie einen »Dr.« vor dem Nachnamen hatte, aber ich hatte keine Ahnung, welche Art von Abschluss sie hatte. Es hatte schließlich weder etwas mit mir noch mit meiner Arbeit an der Science-Fiction-Serie zu tun, für die ich eingestellt worden war.
Sie blinzelte nicht, sondern erwiderte meinen Blick ganz ruhig. Ich war ratlos. Sie meinte es tatsächlich ernst, das verstand ich nun.
Sollte das eine Büro-Intrige sein? Ich wusste, dass es solche Dinge gab, aber ich hatte mich in all den Jahren erfolgreich aus irgendwelchen Kleinkriegen herausgehalten. Sie hatten weder mit mir noch mit meiner Arbeit etwas zu tun.
»Einverstanden.« Ich nickte ihr zu. »Ab sofort mit Titel.« Damit war das Thema für mich erledigt.
Leider für sie nicht komplett. In jeden Satz baute ich ab sofort ein »Frau Dr. Nachname« ein, penetrant und auch im Beisein von anderen. Sie wollte ihren Titel hören, also bekam sie ihn zu hören, gern auch hundertmal im Verlauf eines Gespräches.
Ob es damit zusammenhing oder nicht, erfuhr ich nicht – aber die Zahl der »Meetings« und »Jour Fixes«, die sie mit mir vereinbarte, ging drastisch zurück. Im Prinzip ließ sie mich in Ruhe, was mir sehr recht war.
Als sie wenige Monate kündigte, war ich nicht traurig. Zu ihrer Abschiedsfeier wurde ich als einziger der Abteilungsleiter nicht eingeladen. Auch darüber war ich nicht traurig.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen