29 Juli 2016

Europäischer Moment in den 80er-Jahren

Wenn ich über »meinen europäischen Moment« nachdenke, fällt mir immer wieder ein, wie das früher war: In den 80er-Jahren war die DDR ein abgeschottetes Land, in das man als Westler nur mit Mühe reisen konnte – die DDR-Bürger kamen erst gar nicht raus aus ihrem Staat. Gleichzeitig überquerte unsereins ohne großes Nachdenken die Grenze zum ehemaligen Erzfeind Frankreich.

Das wurde mir bei einem Besuch in Leipzig besonders bewusst; es war Ende der 80er-Jahre, und das Regime wackelte ganz schön. Wir saßen bei der Familie, die wir besuchten, und ich erzählte ganz locker: »Wir waren am Wochenende im Elsass.« Alle guckten mich irritiert an, aber ich merkte nichts.

Bis dann einer fragte: »Ja, und wir seid ihr über die Grenze gekommen?«

Jetzt war ich irritiert. »Wir sind einfach mit dem Auto über den Rhein, die Grenzer standen an ihrem Häuschen und haben zugeschaut, wie wir vorbeigefahren sind.« Damals gar es noch Grenzer, aber wir wurden in den 80er-Jahren nie kontrolliert.

Die DDR-Bürger waren fassungslos. Und mir wurde klar, dass wir – bei aller Kritik am System – doch gar nicht so schlecht dran waren mit unserer »Bündesrebublück«, wie es die Leipziger aussprachen.

4 Kommentare:

RoM hat gesagt…

Bore da, Klaus.
Stimmt, das Europa der freien Grenzen...
Obschon sich, nicht ganz drei Jahrzehnte nach dem bejubelten Mauerfall, die Köpfe erneut recken, die "Mauern! Zäune! Gräben!" vehement postulieren *. Ängste, Ressentiments - oder schlichtweg gemästete Vorurteile - werden wie eine Monstranz positioniert. Entweder der Machtgeilheit wegen, oder zum "Schutz der eigenen Volksreinheit". Zynisch, wenn eifrige Mauernbauer dann, zu allen Gelegenheiten, die Identität als (wahre) Christen unterstreichen. Charity, anyone!?
Lachhaft - wär's nicht so ernst!

bonté

* europaweit

Christina hat gesagt…

Frankreich, besonders Paris, war für mich als Teenager der Traum. Dort wollte ich unbedingt mal hin. Ich habe viele Bücher darüber gelesen und versucht Französisch zu lernen. Zumindest war Frankreich ein Ort, der für mich als DDR-Bürger trotz Grenzen irgendwie noch greifbar bzw. erreichbar schien. Die Stadt in der ich aufwuchs, hatte eine Partnerstadt in Frankreich. Amerika bzw. die USA dagegen waren für mich damals in etwa vergleichbar mit dem Mond. Man wusste, dass es das Land gab, man aber nie dort hinkommen würde.
Heute fast dreißig Jahre später war ich zwar in den USA und in Kuba, habe sogar eine zeitlang in New York City gelebt. Habe es aber bisher nicht nach Frankreich geschafft.
Das ist schon irgendwie erbärmlich.

Anonym hat gesagt…

Solche Momente hatte ich auch.
Guggstu: http://www.beckinsale.de/archive/3007

LG My.

Ulf hat gesagt…

Diese Erfahrung, dass es einem in Westdeutschland gar nicht so schlecht geht, habe ich auch gemacht, als ich als Teenager meine Verwandten in Ostberlin besucht habe. Man kann es sich nur schlecht vorstellen, wenn man es nicht erlebt hat. Fast jeden Augenblick wird man mit der Nase darauf gestoßen, dass man in keinem freien Land ist, denn:
- Obst darf nicht in Bildzeitungen eingewickelt werden --> könnte Probleme beim Grenzübertritt machen, wenn es im Kofferraum gefunden wird.
- Auf der Autobahn darf man nicht einfach herunterfahren, wenn man nach Berlin fährt.
- Beim Joggen ist man irgendwo im Wald und sieht plötzlich die Mauer, also die Türme und Grenzanlagen. Da macht man dann selbstständig einen großen Bogen drum herum.
Wenn man alles erlebt hat, seitdem man 12 Jahre ist, versteht man manche Beschwerde der damaligen Linken nicht, wenn man sich den real existierenden Sozialismus anschaut. Mir ging es zumindest so, denn dieses Gefühl der Freiheit stellte sich gleich ein, nachdem man die Grenze wieder überschritten hatte. Dort konnte man überall hinfahren. Ob man es machte oder nur nach Holland an die Nordsee gefahren ist, ist eine andere Frage, aber das Gefühl war schon bedrückend.