Im Jahr 2016 beherrscht die Europameisterschaft die Gemüter in Deutschland. Millionen von Menschen verfolgen die entscheidenden Spieler vor dem heimischen Fernseher, in Kneipen oder bei sonstigen öffentlichen Gelegenheiten. Es ist also alles wie bei früheren Meisterschaften.
Doch es gibt einen zentralen Unterschied zu den Welt- und Europameisterschaften seit 2006: Die Fahnen fehlen. Es gibt zwar einige Autofahrer, die mit Fähnchen unterwegs sind, und auch an einigen Balkons in der Innenstadt hängen große Banner – aber es fehlt die riesige Fahnenhysterie, die in früheren Jahren aufgefallen war.
Hätte man mich vor 2006 gefragt, hätte ich gesagt, dass ich jemanden, der die Deutschlandfahne hisst, zumindest des übertriebenen Patriotismus' verdächtige. Ich weiß schon, dass die schwarzrotgoldene Fahne die des demokratischen Deutschlands ist – aber das wissen ja die Rechten nicht, und deshalb fand ich auch diese Fahne höchst verdächtig.
2006 änderte einiges. Auf einmal wedelten Leute, die »nichtdeutscher« Herkunft waren, mit der Fahne herum. Es sah so aus, als könnte es auch in Deutschland auf einmal einen sauberen Patriotismus geben, was immer das sein mag.
Warum ist das in diesen Tagen anders? Weil die Fahne umgewidmet wurde. Diese Überlegung ist nicht auf meinem Mist gewachsen, die habe ich gelesen. Seit die Pegida und die AfD und andere Rechtsausleger mit der schwarzrotgoldenen Fahne operieren, ist sie nicht mehr »sauber«. Auch schwarzrotgold ist jetzt eine Fahne der Rechten, der Superpatrioten. Und das merken wohl auch die Leute, die nicht so viel über Politik nachdenken.
Wer 2016 die Deutschlandfahne schwenkt, macht sich wieder verdächtig. Deswegen lassen das viele Leute gleich bleiben, auch wenn sie für die deutsche Fußballnationalmannschaft sind und sich sehnlich wünschen, dass Jogis Jungs den Titel holen. Ich halte das für eine sehr brauchbare Erklärung für den Mangel an deutschen Fahnen – dass mir das rein optisch gefällt, steht sowieso auf einem anderen Blatt ...
3 Kommentare:
Hyvää iltaa, Klaus.
Die hymnische Faszination für bunt bedruckte Bettlaken war mir schon immer fremd; wohl weil ich nicht Part einer Masse sein will. Ein Film-T-Shirt bleibt da das höchste der Gefühle. :-)
Abgesehen davon - seit dem Spiel von Gijon ist die inszenierte Balltreterei eh für mich gestorben.
bonté
Ich nutze eine hübsche Alternative :) Wenn die anderen Deutschland flaggen, kommt bei mir nur das Georgskreuz mit der Flagge der Republik Malta aufs Auto :)
My.
Schon interessant was da alles rein interpretiert wird. Vielleicht liegt es ja auch einfach daran, dass es sich "nur" um eine EM handelt und nicht um eine WM.
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