Zu den ungewöhnlichsten Krimis, die ich in den vergangenen Jahren lesen konnte, zählt »Die Seele aller Zufälle«. Es ist der zweite Band einer kleinen Serie, was ich erst erkannte, als ich zu lesen begonnen hatte – aber man kommt sehr gut in die Geschichte hinein. Es gibt so gut wie keinen Fortsetzungscharakter, auch wenn es einige Hinweise auf den ersten Band gibt.
Die Hauptfigur ist ein gewisser Vince Corso, und er geht einem ungewöhnlichen Beruf nach. Er versteht sich als Bibliotherapeut – zu ihm kommen Menschen mit ihren Nöten, und er hilft ihnen unter anderem damit, dass er ihnen die richtige Literatur für ihr Leiden verspricht. Das klingt an dieser Stelle sicher sehr ungewöhnlich, wird im Roman aber glaubwürdig dargestellt. Als eine Frau auftaucht, die ihn eher als Detektiv beschäftigen will und nicht als Therapeuten, begibt sich Corso auf die Spur … er muss ein literarisches Rätsel lösen.
»Die Seele aller Zufälle« ist ein Roman, der sich nicht an die Regeln eines Krimis hält. Es gibt praktisch keine Action, die Polizei spielt so gut wie keine Rolle. Erzählt wird von einem Rätsel, und dessen Lösung ist in Büchern verborgen. Die werden dann ausgiebig zitiert, und auf sie wird hingewiesen.
Wer sich für Literatur interessiert, kommt in diesem Roman auf seine Kosten. Fabio Stassi zitiert viele italienische Autoren, von denen ich teilweise noch nicht einmal die Namen kannte,bringt aber auch deutschsprachige Autoren wie Franz Kafka oder Elias Canetti ins Spiel. Es wird ausgiebig zitiert, und man bekommt den Eindruck, es mit einem selten belesenen Autor zu tun zu haben.
Übrigens ist der Roman auch politisch. Er spielt in Rom, und es geht unter anderem um Migranten und deren Stellenwert in einer Gesellschaft, die immer rassistischer wird. Die einzige Action-Szene, sofern man das so nennen kann, ist dann auch eine Demonstration, die außer Kontrolle gerät und von der Polizei angegriffen wird.
Ich mochte »Die Seele aller Zufälle« sehr. Die Lektüre ist nicht immer einfach, und spannend ist das Buch nur in Maßen. Aber es steckt voller lesenswerter Details, die mir Freude bereitet haben.
Erschienen ist das Buch als Hardcover in der Edition Converso. Die sitzt in Karlsruhe, und ich stellte schamhaft fest, dass ich von diesem literarischen Verlag zuvor nie gehört hatte … Seit ich das weiß, habe ich mir vorgenommen, mehr von ihnen zu lesen – das Verlagsprogramm sieht interessant genug aus.
1 Kommentar:
Informationen zu »Die Seele aller Zufälle«, darunter eine Leseprobe, gibt es auf der Internet-Seite des Verlags.
Hier:
https://www.edition-converso.com/b%C3%BCcher/buch-einzelansicht/die-seele-aller-zuf%C3%A4lle.html
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