29 Januar 2017

Die ach so einfachen Leute

Wenn mich in jüngster Zeit ein Begriff nervt, der häufiger aufzutauchen scheint, dann ist es der der »einfachen Leute«. Gern wird er von Journalisten und Politikern benutzt, häufig kommt er mir im Fernsehen entgegen, und immer wieder werden die »einfachen Leute« in Zusammenhang mit einem Wahlverhalten genannt, das eher nach rechts tendiert. Anders gesagt: Die ach so einfachen Leute sind schuld daran, dass die AfD in Deutschland und viele Rechtspopulisten sonstwo in Europa oder in Amerika im Aufwind sind.

Sieht man mal davon ab, dass das sowieso nicht stimmt (in der AfD beispielsweise scheint es von Professoren und weiteren Intellektuellen nur so zu wimmeln; auch ehemalige Geschichtslehrer mischen da mit), wirkt diese Begrifflichkeit so arrogant, dass es mich schüttelt. Es kommt einem so vor, als müssten sich manche Leute von der ach so einfachen Bevölkerung abheben. »Die da unten« sind also schuld, und mit »unten« ist gemeint, dass sie unter dem eigenen Intelligenzquotient stehen.

Ich komme aus einer Schicht von einfachen Leuten, wir waren alle einfach: Die Mutter war Putzfrau, der Vater war zuerst Handwerker und später Arbeiter, alle Nachbarn und Verwandten schufteten in Fabriken, auf Baustellen oder in der Landwirtschaft, keiner trug einen weißen Kittel oder hatte einen Krawattenberuf. Sie waren mal so, mal so: Die einen waren rechts, die anderen links, manche waren blöd, dass es scheppert, andere steckten voller Weisheit – und sie alle würde man heute als »einfache Leute« bezeichnen.

Woher kommt dieses Reden von den »einfachen Leuten«? Ist eine gewisse Klasse von Menschen schon so weit weg vom normalen Arbeitsalltag der Bevölkerung, dass manche nicht einmal mehr merken, dass sie fast schon rassistisch reden? Müssen sich manche von den »einfachen Leuten« abheben, um sich nicht einmal solidarisch die Finger schmutzig machen zu müssen?

Ich kann verstehen, dass man im wissenschaftlichen Diskurs mit Texten um sich wirft, die mit Fremdwörtern gespickt sind. Wenn aber Politiker und Journalisten einen Ton anstimmen, den jemand, der für sein Geld wirklich arbeiten muss, schlichtweg nicht versteht, liegt es nicht an den »einfachen Leuten«, sondern daran, dass manche Menschen offenbar abgehoben sind.

Die »einfachen Leute« sind nicht schuld daran, dass die Rechtspopulisten auf dem Vormarsch sind oder die Ausländerheime brennen. Schuld daran sind die Arschlöcher aller Schichten – und ob die einen hohen oder einen niedrigen Bildungsgrad haben, ist mir völlig gleichgültig.

1 Kommentar:

RoM hat gesagt…

Bore da, Klaus.
Mit ein Grund warum ich politische Debatten nicht im TV verfolge ist, dass die Simplifizierung hier am ehesten anzutreffen ist. Quasi das El Dorado der griffigen Worthülse. Radio ist hier netterweise anders getrickt.

Die "Spezies" Anus siedelt tatsächlich quer über den Globus verteilt. Hält sich hartnäckig & hält sich grundsätlich für besser als...
Apropos!
Man/frau kann sich schon wundern, zu welchen verqueren Überzeugungen man als gelernter Geschichtslehrer so kommen kann...

bonté