Die Literaturzeitschrift »Am Erker« schätze ich seit vielen Jahren; ich hatte sie schon zu Beginn der 80er-Jahre abonniert und lese sie seit gut zehn Jahren wieder regelmäßig. Es bleibt nicht aus, dass ich aus Zeitgründen einzelne Ausgaben nur in Bruchstücken lese; die aktuelle Ausgabe 70 nahm ich mir wieder einmal sehr genau vor. Das Thema »Wanderungen« sprach mich tatsächlich an.
Wobei ich mit dem eigentlichen Schwerpunkt des Magazins nichts anfangen konnte. Der Dichter Hans Jürgen von der Wense war mir schon vorher unbekannt, und auch nach Lektüre des Sonderteils wurde mir nicht klar, worin denn nun seine Bedeutung liegen könnte. Die veröffentlichten Briefwechsel sind sicher für Literaturfreunde interessant, womöglich auch für Forscher und Studenten von höchstem Interesse – mir erschlossen sie sich nicht.
Das macht aber nichts. Es gibt in einem solchen Magazin schließlich einen Berg an Texten – sowohl Gedichte als auch Geschichten –, die sich gut lesen lassen, die manchmal auch ein wenig kryptisch sind, die aber eine sehr abwechslungsreiche Mischung ergeben. Richtig gelungen fand ich beispielsweise die Gedichte von Matthias Kehle, und das liegt nicht nur daran, dass ich den Autor kenne.
Wie es sich für ein solches Magazin gehört, sind zudem zahlreiche Rezensionen enthalten. Besprochen werden Gedichtsbände und Krimis, ebenso allgemeine Literatur – allerdings wenig aus großen Verlagen und wenig Phantastik. Science Fiction und Fantasy existiert für »Am Erker« praktisch nicht, was ich sogar als erholsam empfinde.
Allerdings schießt Anne Smiresco den Vogel ab, auch und gerade für Leute, die Science Fiction mögen. In der 24. Folge der Reihe »Fischwickel« legt sie den Nachweis vor, dass die »Gruppe 47« in Wirklichkeit das Werk einer weltweiten Verschwörung war, zu der auch Reichsflugscheiben und Chemtrails gehören. Das fand ich sehr witzig – so kann man Literatur schön aufgreifen und mit zeitaktuellen Verschwörungstheorien verbinden.
»Am Erker 70« ist wieder eine literarische Wundertüte, an der mit nicht alles gefallen kann und will. Das wird jedem Leser so gehen, aber allein das macht schon mal den Reiz aus. Das Magazin umfasst 148 Seiten im Großformat; man kann es mithilfe der ISBN 978-3-89126-308-2 in jeder Buchhandlung bestellen, aber auch direkt über den Verlag. Es kostet neun Euro, ich empfehle aber jederzeit ein Abonnement, wie ich es ebenfalls habe.
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