Es ist sicher altmodisch, wenn man im Jahr 2015 noch Zeitung liest. So richtig auf Papier, mit all dem Rascheln und Umblättern, mit der Druckerschwärze an den Fingern und dem häufig völlig umständlichen Format. Es hat etwas vom 19. Jahrhundert, und doch liebe ich es.
Vielleicht hängt es damit zusammen, dass mein Vater die Zeitung immer zum Feierabend las. Vielleicht liegt es daran, dass ich selbst jahrelang für Zeitungen schrieb und sehr gut weiß, wieviel Arbeit es ist, vernünftige Artikel zu verfassen und eine saubere Gestaltung hinzubekommen.
Tatsache ist, dass ich Zeitungen nicht lese, um schnell informiert zu sein. Ich lese sie, weil ich die Lektüre genießen möchte. Und weil ich mir bewusst Zeit nehmen will.
Wenn ich Zeitung lese, bin ich in einem Stadium der Entschleunigung. Angesichts des andauernden Stresses, in dem ich mich befinde oder zu befinden glaube, ist das eine bewusste Entscheidung für mich, die ich nicht missen möchte. Nicht jetzt und nicht in naher Zukunft.
Eine Zeitung führt mich an Themen heran, die mir sonst entgangen wären. Im Internet bin ich viel eingeschränkter unterwegs; da lese ich die Dinge, die mich interessieren, die ich bewusst auswähle. Bei einer Zeitung werde ich auf Themen gelotst, die ich spontan »anlese« und bei denen ich hängen bleibe.
Beispielsweise würde ich die langen Artikel, die die deutschsprachige Ausgabe von »Le Monde Diplomatique« anbietet, im Internet nie lesen – dazu wäre meine Geduld zu begrenzt. Aber es fasziniert mich, wenn ich mich detailliert und intensiv in einen drei bis vier Seiten umfassenden Artikel etwa zu einem speziellen Thema der Wirtschaft oder der Dritten Welt vertiefen kann.
Das ist Luxus, ich weiß. Aber diesen Luxus möchte ich mir gönnen – wenngleich er vielleicht ein wenig altmodisch sein mag.
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