14 März 2016

Unterdrückte Mehrheit

»Ich glaube nicht, einer unterdrückten Minderheit anzugehören, sondern einer unterdrückten Mehrheit«, schrieb mir im Februar eine Person, die ich einmal sehr geschätzt hatte. Diese Person zählte in den 80er-Jahren zu den »Linken« und schreibt heute eher rechts Zeugs – ich wollte ihr noch einmal eine Mail schreiben und dann begründen, warum ich nichts mehr mit ihr zu tun haben wollte.

Die Person begründete sehr klar, welches Problem sie mit mir hatte: »Soziale Entrechtung, Kriegstreiberei, Diktatur und Wertezerstörung sind nicht nur ein Nebeneffekt der Ignoranz von Dir und Deinesgleichen, sondern der Nährboden auf dem Du derzeit noch Deine persönlichen mentalen und ökonomischen Vorteile wachsen lässt.«

So sei ich »subjektiv« ein »Gutmensch, doch objektiv ein (klitzekleiner) Funktionär des Bösen«; die Person schrieb dazu, dass sie nicht erwartete, »dass Du das verstehst« ... Mir gegenüber empfinde die Person jetzt nur noch »Mitleid, Fassungslosigkeit und Beklemmung«.

Aber ich solle wohl vor der Zukunft Angst haben: »Auch die SA ist nur solange marschiert, bis sie von ihren Kindern gefressen wurde.« Ich verzichtete dann auf eine weitere Mail.

Es mag ja sein, dass mancher Wähler einer rechtsradikalen Partei nicht weiß, was er oder sie tut. Bei Menschen, die sich selbst als intellektuell verstehen und die mit Fremdwörtern nur so um sich schmeißen, ist es meiner Ansicht nach noch viel schlimmer, wenn sie sich rechtsradikal äußern.

8 Kommentare:

Jim hat gesagt…

Gewollte Intellektuelle halt, die darum für bodenständigen Sinn und Verstand keine Verwendung mehr haben. Ein trauriger Vorgang. Wohin das führt, haben die Wahlen gestern ganz deutlich gezeigt. Nicht in die richtige Richtung.

Anonym hat gesagt…

Eine Freundin meiner Tochter redete mit einem Gleichaltrigen über die Wahl, Der kündigte an, AfD zu wählen. Als die Freundin lachte, weil sie es für einen Witz hielt, starrte er sie so verblüfft an, dass sie verstand, dass das kein Witz war.
"Du weißt schon, dass die rechts sind?", fragte sie.
"Rechts?", erwiderte der junge Mann verblüfft. "Die sind doch nicht rechts, die sind ganz normal und nett und die wollen doch nur, dass unser Volk wieder mächtig wird."
Die Freundin verzichtete auch auf eine Antwort.

J. hat gesagt…

Schlimm genug mit der AFD, aber nun ist das Kind im Brunnen.

Ich hoffe die etablierte Parteien verstehen den Wink mit dem Zaunpfahl und machen mal wieder etwas mehr Innenpolitik anstatt vor lauter außenpolitischen Rettungsaktionen die eigenen Leute immer mehr zu vergessen. Denn das ist m.E. die Quintessenz des ganzen Protestes. Der kleine Leut sieht sich nicht mehr vertreten wenn die Regierung mal wieder 3 Milliarden nach Griechenland, die Türkei oder der die EU transferiert um irgendwo etwas zu retten, wohin der Mindestlohnverdiener nie hin kommen wird.

Das soll keine Rechtfertigung sein, ganz sicher nicht, denn um ihren Protest auszudrücken hätten die Leute auch die Familenpartei, die ÖDP, die Piraten oder jede andere nicht radikale Splitterpartei wählen können/müssen. Haben Sie aber nicht, weil sie auf die plumpen Parolen der Rechten reingefallen sind.

Enpunkt hat gesagt…

Stimmt: Die etablierten Parteien sorgen für eine Anti-Politik-Haltung, von der ich mich ja auch nicht ausnehmen kann. Dass dann viele leute eine Partei wählen, die mit ihrer schlichten Art eine angebliche Lösung für alles bietet, verstehe ich zwar nicht, ist aber eine logische Folge.

Ich muss mir nur das aktuelle Gedöns mit der Koalitionsbildung in Baden-Württemberg anschauen. Ekliges Schauspiel.

Jim hat gesagt…

Was wollen die Leute denn? Mehr Geld? Weniger Steuern? Dann sollen sie doch was konkretes fordern und sich dafür einsetzen, anstatt die Parole "Die tun alles für die Ausländer/Asylbewerber und nix für uns!" stumpf nachzulabern.

Was generell in einem Land wie Deutschland bei mir zu Kopfschütteln führt. Unsere Sozialleistungsquote ist europaweit ziemlich weit vorne. Allein die Zahl 800 Mrd Euro pro Jahr sollte man sich da mal auf der Zunge zergehen lassen. Und das ohne die Sinnhaftigkeit der einzelnen Posten jetzt durchgehen zu wollen.

J. hat gesagt…

@Jim
M.E. wollen sie lediglich (und m.E. durchaus auch zurecht) eine höhere Aufmerksamkeit durch die Politik (Medien). Schau doch mal was so durch die täglichen Medien geht, da sind zunächst die Flüchtlinge all überall in Europa und man hat das Gefühl die Kanzlerin will die alle persönlich retten. Dann ist der der Grexit, der will abgewendet werden von der Kanzlerin, der Brexit ebenso (warum eigentlich).

Das sind die Leuchtturmthemen. Aber daheim, da sollen es dann die überschuldeten Kommunen richten. Die Straßen gehen immer mehr kaputt. Die Dorfmitten vergammeln wenn die Gebäude den Kommunen gehören etc. etc. Dafür werden Projekte wie S21 oder BER zu Milliardengräbern....

Und das stresst die Leute verständlicherweise, sofern sie nicht über ihren kleinen Tellerrand schauen. Und genau dieses Klientel ist ein leichtes Bauernfängeropfer. Denn es ist relativ einfach sich vor ein Asylantenheim zu stellen "Ausländer raus" zu rufen und den Leuten einzureden dass alleine die Flüchtlinge die Schuldigen sind und es jedem besser ginge wenn sie nicht da wären. Das leuchtet sofort jedem ein (der nicht darüber nach denkt), denn je weniger Leute sich einen Kuchen teilen müssen, desto mehr bleibt für die Verbliebenen. Ist doch logisch, oder? So wird da simplifiziert.....

J. hat gesagt…

Argl, zu früh abgeschickt.

Was ich damit sagen will, ich denke dass ganz viele diese ganzen Protestwähler schon zufrieden wäre, wenn ihre Belange auch mal wieder Eingang in das Sichtfeld der Bundesregierung gelangen würde, bzw. es mal wieder in die Medien schaffen würde.

Jim hat gesagt…

@J. Für die Ausstattung der Kommunen mit Finanzmitteln ist aber auch nicht originär der Bund zuständig, sondern die Länder. Ein kleiner Unterschied, aber okay, immer noch die Politik oder die da oben.

Ich komme aus NRW, nirgendwo sonst wurden so viele Landesaufgaben kommunalisiert. Ich komme aus dem Ruhrgebiet, man kann fast vom Armenhaus der Republik reden. Und trotzdem sehe ich, was in meiner Stadt alles passiert, was an Straßen und Schulen saniert wird. Natürlich geht das nicht mal eben alles zack-zack, aber es tut sich was. Ich finde, es wird überhaupt nicht mehr anerkannt, was alles getan wird. Dafür wird pauschal geurteilt. Diese Leute, AfDler und Pegidioten, sehen das alles nicht oder wollen es vielleicht gar nicht sehen.

Aber du hast schon recht. Ich frage mich halt nur, was die Belange von Menschen sind, die "Deutschland den Deutschen" fordern. Sie formulieren sie ja nicht wirklich. Oder können es vielleicht auch gar nicht.