Zu den widerwärtigen Erscheinungen in diesem Land zählt das Oktoberfest in München. Ich kenne es nicht von innen, sondern nur aus Medienberichten – es kann also durchaus sein, dass ich mich völlig irre. Womöglich handelt sich um eine Veranstaltung für Schöngeister, bei der es intellektuelle Gespräche zu guter Musik gibt. In meiner Wahrnehmung, die sich immer mal wieder eintrübt, handelt es sich allerdings um ein öffentliches Besäufnis mit schrecklicher Musik, bei der es dazu gehört, sich komplett bescheuert zu benehmen.
Ich kann in gewisser Weise verstehen, dass die Leute in München dazu ein anderes Verhältnis haben; bei den gehört die »Wies'n« gewissermaßen dazu und hat sicher einen anderen Charakter. Was ich tatsächlich nicht verstehe, ist die Ausweitung der Kampfzone: Mittlerweile wuchert das Oktoberfest in alle Richtungen.
Und so steigt an diesem Wochenende sogar in Karlsruhe ein Oktoberfest. Es spielen Bands wie die »Topsis« oder die »Münchner Gaudiblosn«; die werden sicher »einheizen«. Verständlicherweise stammen sie aus Bayern – damit die Bandener sich entsprechend auf das Oktoberfest-Imitat in der badischen Metropole Karlsruhe einlassen.
Normalerweise würde ich ja davon ausgehen, dass das keinen Menschen in meinem sozialen Umfeld interessieren würde. Dass die Plätze in den Zelten schon im voraus so gut wie ausgebucht sind, kann mich dann nicht tangieren – das sind ja alles Leute, die ich nicht kenne und von deren Leben ich nichts mitbekomme.
Pustekuchen! In der Kantine bekam ich ein Gespräch am Tisch mit – zwei Plätze von dem meinen entfernt –, in dem es genau darum ging, dass einige Leute auf das Karlsruher Oktoberfest gehen wollen. In der Diskussion war sogar die Kleidung: Dirndl, Lederhose und dergleichen.
Ich lebe in einer seltsamen Welt, auch in dieser Frage: Wir sind amerikanisiert, was die Weltkultur in Form von Filmen, Literatur und Popmusik angeht – und wenn es um lokales Brauchtum geht, sind wir bajuvarisiert. Glücklicherweise muss ich nicht alles verstehen ...
3 Kommentare:
Ich habe lange Zeit in München gelebt und war spätestens nach meinem zweiten Wies'n Besuch von Veranstaltungen dieser Art geheilt. Inzwischen geht es mir wie vielen Münchnern, die einfach nur die Tage zählen, bis der Schmarr'n wieder vorbei ist. Denn Oktoberfest bedeutet vor allem volle U- und S-Bahnen und Einkaufen geht man in diesen zwei Wochen besser auch nicht.
Zum besseren Verstaendnis kann ich nicht beitragen, aber es geht noch schlimmer, d.h. bajuvarischer. In Nord-Amerika (USA und Kanada) wird deutsches Brauchtum grundsaetzlich mit Bayrischem Brauchtum gleichgesetzt. So gelten Lederhosen, Dirndl, Schweinshaxe, Weissbier etc. zum deutschen Kulturgut. Folkloristisch gesehen, existiert ausserhalb Deutschlands kein anderer Landstrich.
Wir leben hier in Kanada unweit der Stadt Kitchener, die frueher mal New-Berlin hiess. Dort gibt es das zweitgroesste Oktoberfest der Welt. Die Kanadier sind verrueckt nach dieser "deutschen" Tradition und kommen dieser Tage in Scharen um sich vollzufressen und voll laufen zu lassen.
Nur eines haben sie nicht beachtet: Das Muenchner Original findet trotz des Namens traditionell immer im September statt - das kanadische Pendant im Oktober.
Es ist schon etwas her, daß ich auf dem Oktoberfest in München war, so roundabout ein Vierteljahrhundert. Damals gab es zwar auch schon die Probleme, von denen Du sprichst, aber zu meiner Überraschung war es trotzdem ganz nett. Für mich als Otto Normalverbraucher war es ein fröhliches Fest, bei dem man sich amüsiert hat, kein Vergleich mit dem Kampftrinken, das man hier aus dem Norden kennt. Und in der Form ist es auch hier nach Hamburg geschwappt, eher fröhlich als verbissen.
Nichtsdestotrotz : Als echter Nordsnob, der ich geworden bin, vermeide ich natürlich heutzutage solche Veranstaltung. ;-)
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