26 Oktober 2023

Kriegsbücher in Kinderhand

In unserem Haushalt gab es nur wenige Bücher, aber diese faszinierten mich schon, bevor ich lesen konnte. Wir hatten Bücher der Kirche: eine Bibel, Gesangsbücher, einige Hintergrund-Informationen. Dazu kamen Fachbücher meines Vaters zur Elektrotechnik und einige Bücher über den Zweiten Weltkrieg – über die Division, bei der er 1943 bis 1945 gewesen war, und über die Heeresgruppe, der er angehört hatte.

Und es gab Bücher, die er während des Krieges als junger Mann von seinen Tanten und Onkeln geschenkt bekommen hatte. Propaganda des Dritten Reiches also, die ich zwar nicht lesen konnte, aber mit Interesse durchblätterte. Vor allem ein Buch hatte es mir angetan: ein dünngedrucktes Paperback, das den Krieg der Luftwaffe gegen die Briten im Mittelmeer verherrlichte.

Ich fand die Fotos der Flugzeuge eindrucksvoll: Sie flogen über das Meer, sie stürzten sich auf feindliche Schiffe, sie steuerten eine feindliche Stadt an, um dort »den Gegner« anzugreifen; in diesem Buch waren es zumeist die Briten. Veröffentlicht wurde das Buch noch vor dem Angriff auf Russland; es ging also vor allem um 1940/41.

Die Bilder zeigen keine Toten, sondern nur Flugzeuge sowie deutsche Offiziere. Die sahen auf den schwarzweiß gedruckten Bildern immer streng und würdevoll aus. Auch Abbildungen anderer Offiziere waren zu sehen, ebenfalls in Uniform und sehr ernsthaft. Die Uniformen trugen unterschiedliche Symbole, so dass mir klar wurde, dass die Männer verschiedenen Seiten angehörten.

Ich fragte meinen Vater eines Tages, wer denn die Bösen im Krieg gewesen seien. Seine Antwort war klar. »Das waren die mit den Hakenkreuzen.« Das war für mich als Kind einleuchtend: Jeder dieser Uniformierten mit einem Hakenkreuz am Ärmel war also ein Feind.

Vom Krieg erzählte mein Vater nie. Das war bei anderen Männern anders. Aber irgendwann fragte ich ihn, gegen wen er denn gekämpft habe. »Gegen die Russen«, gab er zur Antwort; weitere Auskünfte bekam ich nicht Auch in späteren Jahren verhielt er sich sehr zurückhaltend, was diese Themen anging.

Aber für mich war dann klar: Die Russen – das waren die mit den Hakenkreuzen. Und so geschah es immer wieder, dass ich das Buch mit den Fliegergeschichten durchblätterte und die Männer mit den Hakenkreuzen für Russen hielt.

Keine Ahnung, ob das eine besonders schlaue Konditionierung war …

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