02 August 2023

Packender Roman nach zähem Einstieg

Ein Roman über Paranoia und Genialität. Ein Roman, der in den Zeiten springt und der einen unzuverlässigen Helden ins Zentrum stellt. Ein Roman, bei dem man eine Weile braucht, um hineinzukommen, der einen dann aber nicht mehr loslässt. Ein Roman, der eigentlich auch für Science-Fiction-Fans interessant sein dürfte, weil es um Wissenschaft und Forschung geht, um seltsame Leute und phantastische Visionen.

Die Rede ist von »Der Passagier«, der im Oktober 2022 veröffentlicht wurde. Autor war Cormac McCarthy, der vor einigen Monaten erst gestorben ist. Man kennt ihn durch »Die Straße«, der in einer nicht zu weit entfernten Zukunft spielt. Und »Der Passagier« ist ein Werk, das mit »Stella Maris« eine Einheit bildet – beide Romane kann man getrennt voneinander lesen, aber sie hängen zusammen, weil in ihnen teilweise die gleichen Ereignisse aus unterschiedlichen Blickwinkeln geschildert werden.

Der Roman spielt 1980, die Hauptperson auf der wesentlichen Handlungsebene ist ein junger Mann. Er arbeitet als Bergungstaucher, ist in Wirklichkeit aber ein ziemliches Genie und wird in eine Kette absonderlicher Vorgänge verwickelt. Während er sich mit allerlei Taugenichtsen und Arbeitern unterhält – die Dialoge sind ausschweifend und stecken zeitweise voller Vulgaritäten –, erfährt man etwas über seine Vergangenheit und seine Familie. Unter anderem scheint seine Schwester seine große Liebe gewesen zu sein, und sie nahm ein tragisches Ende.

Die Schwester ist zugleich das Thema der parallelen Handlung. (Und wer mag, kann den Roman »Stella Maris« als den dritten Aspekt des ganzen Geschehens betrachten, in dem es nur um die Schwester und ihren Blick auf die Welt geht.) Erzählt wird, wie sie in der Klinik, in die sie sich selbst hat einliefern lassen, Besuch von phantastischen Wesen bekommt. Sie diskutiert mit diesen, sie nimmt sie komplett ernst, obwohl ihr klar ist, dass es alles nur Fiktionen ihres eigenen Kopfes sind.

Der Roman ist intensiv und spannend. Am Anfang brauchte ich ein bisschen Anlauf, bis ich es schaffte, in die Geschichte zu kommen – was machen die Figuren da eigentlich? –, dann aber packte es mich immer mehr. »Der Passagier« liest sich teilweise wie ein Thriller, dann wieder wie ein Aussteigerroman; alles in allem ist er eine fesselnde Lektüre, die man nicht so schnell vergisst. Das fand ich stark!

(Erschienen ist der Roman bei Rowohlt. Ich habe die Hardcover-Version gelesen, es gibt aber auch ein E-Book. Und ein Taschenbuch kommt sicher auch bald heraus.)

1 Kommentar:

Enpunkt hat gesagt…

Wer sich für »Der Passagier« von Cormac McCarthy interesiert, findet auf der Internet-Seite des Rowohlt-Verlags weitere Informationen, auch einen Leseprobe.
Hier:
https://www.rowohlt.de/buch/cormac-mccarthy-der-passagier-9783498003371