Bereits 2011 erschien ein Buch, das bei mir zuerst im »Noch zu lesen«-Stapel versackte, dann von mir mit großem Vergnügen gelesen wurde, bevor ich glatt vergaß, darüber auch einige positive Zeilen zu schreiben. Das Buch nennt sich »Sackratten-Blues«, es stammt von Chris Hyde und trägt den Untertitel »letzte Stories«.
Angesichts des fortgeschrittenen Alters des Autors – er ist schon deutlich über die 70 – kann man wohl davon ausgehen, dass nicht mehr viele Bücher von ihm verfasst werden dürften. Ein Alterswerk ist der »Sackratten-Blues« allerdings trotzdem nicht. Stattdessen bekommt man als Leser einen ordentlichen Schlag vor das Fressbrett serviert, in direkter und unmittelbarer Sprache, wie man sie nur selten findet.
Chris Hyde heißt in Wirklichkeit Helmut Wenske, in den 70er-Jahren war er vor allem als Künstler bekannt. Ich hatte selbst Poster von ihm in meinem Jugendzimmer hängen, faszinierende Interpretationen von Geschichten des amerikanischen Schriftstellers H.P. Lovecraft beispielsweise.
In den 80er-Jahren begann Wenske unter seinem Autorennamen Chris Hyde damit, seine Jugend in Bücher zu vereweigen. Vor allem »Rock’n’Roll Tripper« ist ein echter Kracher, viel besser als die Fortsetzung mit »Scheiß drauf!«. In diesen Büchern schrieb er über die Szene in den 60er-Jahren, über Drogen und Reisen, über Prügeleien und Suff, ein Leben an der Grenze – und das alles in einer knalligen, sehr unmittelbar wirkenden Sprache.
»Der Sackratten-Blues« passt zu den anderen zwei Büchern; es sind autobiografische Geschichten, in denen es um Saufen, Ficken und Prügeln geht. Chris Hyde trieb sich in Hanau in den unmöglichsten Lokalitäten herum, erlebte dabei logischerweise sehr viel, und darüber schreibt er.
Sprachlich bleibt er in der Gosse, das ist kein sauberer Stil, das wirkt alles, als sei es erzählt und einfach heruntergeschrieben worden. Ganz ehrlich, das muss man mögen; streckenweise war's mir ein wenig zu anstrengend. Wenn man sich auf den »Beat« der Sprache einlässt, macht das alles aber richtig Spaß.
Was bei alledem eh auffällt: Der Mann hat etwas erlebt, und darüber schreibt er. Das unterscheidet ihn von vielen der sogenannten Popliteraten, deren Schreibe man anmerkt, dass sie außer der Universität und irgendwelchen Lesebühnen noch nicht viel vom Leben gesehen haben.
Wer auf »hohe Literatur« steht, muss wohl eher die Finger von dem Werk lassen. Wer einen schnoddrig geschriebenen Einblick in das Leben eines echten Originals haben möchte, ist hier an der besten Adresse überhaupt. Es ist kein »Muss«-Buch und verändert sicher kein Leben, unterhält aber gut.
Das Paperback umfasst 114 Seiten und erschien im Verlag Robert Richter. Für 14,80 Euro ist es überall im Buchhandel zu bestellen, auch bei den bekannten Versendern. Idealerweise bestellt man es aber direkt beim Verlag, in dessen Shop haufenweise anderer »undergroundiger« Bücher zu finden sind.
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