In den 80er-Jahren war Tübingen für mich die nächste »Szene-Stadt«. Dort gab es das Epplehaus, in dem Punk- und Hardcore-Konzerte veranstaltet wurde, dort lockte der Club Voltaire mit seinem politischen Programm, dort traf ich mich mit Science-Fiction- und Fantasy-Fans, dort spielte ich Rollenspiele, und dort hatten sich vor allem Läden angesiedelt, die alternative Dinge wie vegetarisches Essen, Öko-Waren und Polit-Kram anpassten.
Später war Tübingen die Stadt, in der ich arbeitete, und seit den frühen 90er-Jahren hatte ich die Stadt praktisch nicht mehr betreten. Das ist wohl so, wenn man seinen Lebensmittelpunkt ins badische Karlsruhe verlagert – da ist dann das schwäbische Tübingen einfach zu weit weg.
Als ich dieser Tage wieder einmal einige Stunden durch Tübingen bummelte, strandete ich irgendwann im »Buchkaffee Vividus«, im altehrwürdigen Nonnenhaus-Quartier gelegen. Ich war von dem Laden ziemlich begeistert; hätte ich 1991 meinen ursprünglichen Plan wahrgemacht und wäre nach Tübingen gezogen, wäre das Vividus heute sicher meine Stamm-Buchhandlung.
Man bestellt sich einen leckeren Kaffee, dann setzt man sich hin und stöbert. Die Buchauswahl in der kleinen Buchhandlung ist nicht groß – aber dafür ist sie gut. Es gibt Gedichte und Belletristik, viele Sachbücher und auch antroposophischen Kram, ein wenig Krimi und eine schöne Kinderecke.
Ich fand beim ersten Durchgucken kein Buch, auf das ich den Stempel »Rotz« oder »Scheißdreck« drücken würde. Sicher wäre nicht jedes Buch nach meinem Geschmack, und gern hätte ich eine Science-Fiction-Ecke gehabt – was der Buchhändler aber präsentierte, war durch die Bank auf gehobenem Niveau, mit Herz und Verstand ausgesucht und zusammengestellt.
Letzten Endes ging ich nicht ohne gekauftes Buch aus dem Geschäft; dabei hatte ich ein Gefühl von Traurigkeit, weil ich gern noch viel mehr gekauft hätte. Aber dass man nicht alles haben kann, ist eine der Binsenweisheiten, die trivial klingen, in einem solchen Fall aber eine traurig-ernsthafte Wahrheit bedeuten.
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