01 Mai 2011

Literarisch-grafisches Vermächtnis

Bereits 2009 erschien »Der Junge von nebenan«, ein gezeichneter Kurzroman von Martin Büsser. Ich wollte das Werk gleich lesen, doch dann versackte es im Stapel, dann kam 2001, und Martin Büsser starb viel zu früh. Erschüttert wie ich war, ließ ich das Buch gleich noch mal im Stapel versacken und kam erst in den letzten Tagen dazu, es zu lesen.

Mit Martin Büsser verband mich in all den Jahren eine gewisse Szene-Vergangenheit. In den späten 80er und frühen 90er Jahren schrieb er wie ich für das Punk- und Hardcore-Magazin ZAP, eine Zeit, an die ich immer noch gern zurückdenke. Martin war vor allem für die kopflastigen Artikel zuständig, schrieb gern über sperrige Bands und Themen, die so gar nicht zu Punk und Hardcore passen wollten.

Ich mochte ihn, Freunde waren wir nie, dazu kannten wir uns zu wenig. Als letztes Jahr die Todesnachricht durch die Presse ging, war ich geschockt. Das macht die Lektüre von »Der Junge von nebenan« nicht leichter.

In einem bewusst krakeligen Comic-Stil und mit sehr lakonischen Sätzen schildert Büsser die fiktive Geschichte eines Jungen in den 70er Jahren. Die Eltern tauchen in den Untergrund ab und nehmen den Kampf gegen die Bundesrepublik auf, während der Junge das Schwulsein für sich entdeckt. Das ganze wird nicht »sauber« erzählt, sondern funktioniert mit Übertreibungen und grotesken Szenen.

Zeichnerisch ist das ganze kein Höhepunkt der Comic-Geschichte; das soll es auch nicht sein. Büssers Bilder sind bewusst unsauber und krakelig, sie wirken wie hingeschludert oder hingeschmiert und passen dadurch zu der Geschichte, in der es um eine seltsame Jugend geht. Das ist durchaus charmant, sprengt die Grenzen konventioneller Comics und gehört nur deshalb in die »Graphic Novel«-Schublade, weil jede andere nicht gepasst hätte.

»Der Junge von nebenan« erschien als kleinformatiges Taschenbuch im Verbrecher Verlag; es ist ein ungewöhnliches Werk und in gewisser Weise auch Martin Büssers Vermächtnis. Die 100 Seiten kosten 14 Euro, und wer sich dafür interessiert, kann das Buch mithilfe der ISBN 978-3-940426-40-6 in jeder Buchhandlung bestellen.

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