30 Oktober 2020

Der FreuCon 2000

Aus der Serie »Alte Kamellen, leicht aufgewärmt«


Weil es in diesem Jahr keine »echten« Cons mehr für mich gab und auch keine Konzerte, will ich nun ab und zu in der Vergangenheit wühlen und Texte in den Blog stellen, die irgendwann in kleiner Auflage gedruckt worden sind. Das hier stammt aus dem »Sabberheinz 4« vom April 2000.

»Das war’s.« So lautete meine Aussage am Sonntag, 26. März 2000. Ich saß im Musik-Café des Jugendzentrums »Murgtäler Hof« in Freudenstadt, und mir war bewusst, dass meine Jugend jetzt endgültig vorüber war, und zwar so richtig. Der definitiv letzte FreuCon war über die Bühne gegangen, wir hatten den FreuCon 2000 in den alten Mauern zelebriert, und hinterher saß ich rum und hätte fast heulen können. Für die Jüngeren unter den Lesern mag sich das seltsam anhören, aber so war es wirklich.

Von 1981 bis 1992 veranstaltete ich jedes Jahr einen FreuCon, von Jahr zu Jahr waren Hermann Ritter und Günther Freunek stärker daran beteiligt, ab 1988 gehörten sie zum Con-Komitee, und im Jahr 2000 waren wir drei die Veranstalter. Auch für diese zwei Herren ist mit dem FreuCon 2000 irgendwie eine Ära zu Ende gegangen.

Es ist schwierig, ein Fazit zu einem Con zu ziehen, den man selbst veranstaltet hat. Sagen wir es so: Wer ernsthaftes Programm erwartete, war ohnehin fehl am Platz. So war das wichtigste an diesem Wochenende eben, dass sich alte Kumpels nach vielen Jahren wieder treffen und gemeinsam das eine oder andere Bier trinken.

Viele alte Freunde wurden schmerzlich vermisst: Einige sind schon tot, die meisten haben aber einfach keinen Kontakt mehr zum Fandom. Immer-hin hatten sich Aktivisten wie Achim Mehnert oder Karl E. Aulbach, Udo Klotz oder Gerd Rottenecker eingefunden, dazu viele andere mehr – unter den rund 60 Besuchern fanden sich (mit einer einzigen Ausnahme) keine »Neos«. Sogar der PR-Autor Wolfgang Kehl alias Arndt Ellmer, der in den 80er-Jahren Gast auf dem FreuCon gewesen war, hatte den weiten Weg aus dem südbadischen Raum in den Nordschwarzwald zurückgelegt. Auf eigene Kosten, versteht sich, denn das war alles andere als eine Verlagsveranstaltung.

Programmpunkte wie der Rückblick Hermann Ritters auf dreizehn vergangene Jahre oder die Aktiensitzung des »B-Fandoms« waren lustig, aber natürlich nicht wichtig. Entscheidend war einfach das Beisammensein mit verschiedenen Menschen – und zwar an der Stätte früherer FreuCons.

Als ich Hermann Ritter am Sonntagmittag zum Bahnhof begleitete, schloss sich irgendwie auch ein Kreis: Wir hatten uns 1982 kennengelernt, weil er nach Freudenstadt gefahren war, um den FreuCon zu besuchen. Wir werden uns weiterhin kennen, aber die verbindende Klammer des FreuCons, die wird es nicht geben.

Mal sehen, vielleicht schaffen es jüngere Fans, eine ähnliche Veranstaltungsreihe zu etablieren, die irgendwann mal so einen »Kult«-Charakter haben wird. Aktivisten gibt es ja immer wieder ...

29 Oktober 2020

Weinprobe und Corona

Es verbietet sich von selbst, Witze über Corona zu machen. Mir vergeht in diesen Tagen sehr oft die Freude, am Leben im Allgemeinen sogar. Mir geht es weder finanziell noch gesundheitlich schlechter, aber ich merke oft, wie mich die Situation herunterzieht. Wie soll es dann erst Leuten gehen, die krank sind, die wenig Geld haben oder sonstwie in Not sind?

Ich halte mich an den Genuss,  auch wenn mir das manchmal zu snobistisch vorkommt. Also trinken wir daheim gern mal einen schönen Wein – nicht unbedingt teuer, aber lecker –, und ab und zu wird dann sogar zwischen Veltliner und Riesling quasi testgetrunken. Oder wir bestellen uns den leckeren Projektkaffee vom Ettli ...

Manchmal kommt mir das auch unrecht vor. Aber ich würde mich nicht besser fühlen, wenn ich nur Leitungswasser trinken würde. Genuss gegen Frust – vielleicht komme ich so durch den Winter?

28 Oktober 2020

Spannendes Sachbuch zu Deutschland und seiner Wirtschaft

Ich kenne die Autorin Ulrike Herrmann nicht persönlich, lese aber seit vielen Jahren ihre Artikel in der »tageszeitung«. Sie macht auf mich stets den Eindruck, über fundierte Wirtschaftskenntnisse zu verfügen, aber nicht unbedingt den gängigen Lehrmeinungen des publizistischen Mainstreams zu folgen. Deshalb kaufte ich mir ihr Sachbuch »Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen« und las es mit großem Vergnügen. 

Im Allgemeinen glauben die Bundesbürger, sie lebten in einem wirtschaftlich gesunden Staat. Das Wirtschaftswunder nach dem Zweiten Weltkrieg sei unter anderem eine Errungenschaft des Ökonomen Ludwig Erhard. Und weil das Land so viele Exporte erwirtschafte, sei es so stark. Solche Dinge werden von Politikern erzählt, in Schulen gelehrt und in den Medien verbreitet. Doch Ulrike Herrmann weist nach, dass man es auch anders sehen kann.

Sie vollzieht nach, wie das Wirtschaftswunder in den fünfziger Jahren wirklich lief, welche Rolle Ludwig Erhard während des Nazi-Regimes spielte und warum die »Soziale Marktwirtschaft« nicht ganz so sozial ist, wie der Begriff eigentlich nahelegt. Die Autorin informiert über die Nachteile der Exportmeisterschaft und warum die sogenannte Wiedervereinigung eigentlich nichts gekostet hat.

Das macht sie sachkundig und unterhaltsam zugleich. Wer einige Grundkenntnisse in Wirtschaftskunde mitbringt, wird problemlos alles verstehen, wer sich noch nicht mit dem Thema befasst hat, sollte trotzdem die meisten Dinge kapieren. Die Konflikte um das Weltwährungssystem, die erfindungsreichen Geschichten um das sogenannte Wirtschaftswunder und die Darstellung der jüngsten Wirtschaftskrisen lesen sich leicht – und das meine ich absolut positiv.

Zielgruppe des Buches sind schließlich keine Wissenschaftler, sondern interessierte Laien. Man muss also kein Studium absolviert haben, sollte allerdings einige Grundkenntnisse mitbringen. Viele Fachbegriffe kann man sich heutzutage ohnehin mithilfe des Internets erschließen.

Ich halte das Buch für wichtig, weil es einen guten Einblick in ein Fachgebiet gibt, das im Prinzip das Leben aller Menschen beeinflusst, von dem aber nur wenige so richtig Ahnung haben. Sehr lohnenswert!

Erschienen ist das Sachbuch beim Westend-Verlag; ich habe mir die Hardcover-Version gekauft. Mithilfe der ISBN 978-3-8648-9263-9 kann man es überall im Buchhandel bestellen.

Die E-Book-Fusion

Heute ging die Nachricht durch den »digitalen Blätterwald: Die Firma Bookwire aus Frankfurt wird ab dem 1. November 2020 die Firma Readbox aus Dortmund übernehmen. Damit entsteht innerhalb des E-Book-Vertriebssystem ein echter Vertriebsriese.

Ich finde das aus verschiedenen Gründen interessant. Mit Bookwire arbeite ich als Angestellter unseres Verlages seit 2011 zusammen. Wir schlossen damals einen Vertrag mit der – zu jener Zeit – sehr kleinen Firma, und ich bin bis heute mit der Zusammenarbeit sehr zufrieden. Bei Readbox sind mir ebenfalls Kollegen bekannt, man ist immer wieder im Gespräch.

Beide Firmen sorgen dafür, dass die E-Books von Verlagen und Selfpublishern bei den jeweiligen Plattformen zu kaufen sind, platzieren sie also bei Amazon und Beam, bei Thalia oder Osiander. Ohne Bookwire wäre beispielsweise für unsere Redaktion das digitale Geschäft nicht mehr zu leisten. Wie sich das Geschäft insgesamt künftig entwickelt, wenn zwei vertriebliche Schwergewichte zusammenarbeiten, muss man sehen – ich bin erst einmal ganz gespannt.

27 Oktober 2020

James Bond in einem sehr knalligen Comic

Ich weiß nicht, wie viele Comic-Umsetzungen von »James Bond« es im Verlauf der Jahre gab. Die Romane und Verfilmungen existieren schon lange und erfolgreich; also lag es nahe, den Mythos des britischen Geheimagenten auch auf Comics zu übertragen. Aber seien wir ehrlich: Frühere »James Bond«-Comics waren eher schlicht, zumindest diejenigen, an die ich mich unscharf erinnere – es ist zudem Jahrzehnte her, seit der letzte dieser Art erschienen ist.

Die neue »James Bond«-Version, die in einer deutschsprachigen Ausgabe beim Splitter-Verlag veröffentlicht wird, ist alles andere als schlicht: Sie ist knallig, sie ist durchaus rabiat, sie ist spannend erzählt und auch sehr realitätsnah gezeichnet. Science-Fiction-Elemente gibt es keine, der Comic bleibt auf der klassischen Krimi- und Thriller-Ebene.

Das ist definitiv ein Comic für Erwachsene, ebenso sicher auch ein Comic, den Leute gut finden dürften, die sonst nicht so gern zu »Bildergeschichten« greifen. Mir hat der erste Band richtig gut gefallen; mittlerweile gibt es weitere.

Band eins trägt den Titel »Vargr« und fasst die ersten sechs Ausgaben zusammen, die in der USA als Hefte erschienen sind. Mit Warren Ellis hat diese neue Comic-Version einen Autor, der sein Geschäft versteht; seit vielen Jahren schreibt er erfolgreiche Comics.

Die Geschichte selbst setzt Bond sehr gut in Szene. Sein »Nachbar-Agent«, die Nummer 008, ist gestorben. Bond soll sich jetzt um den angefangenen Fall kümmern, und deshalb reist er nach Berlin. Dort merkt er schnell, dass es nicht nur um eine neue Droge geht, sondern auch um gesellschaftliche Verwicklungen und die Macht eines großen Konzerns.

Erzählerisch ist das alles ziemlich knallig und oft auch blutig. Die Action ist heftig, Bond agiert wie ein fieser Killer und nicht unbedingt wie ein ruhiger Gentleman. Die anderen Figuren sind als Gegenspieler gut inszeniert oder spielen ihre Rolle als Mitstreiter so glaubhaft, wie das bei einem solchen Ensemble geht.

Die Optik stammt von Jason Masters, einem Zeichner, der mir vorher nicht bekannt war, der aber sein Handwerk versteht. Unter anderem gestaltete er in den vergangenen Jahren immer mal wieder »Batman«-Geschichten. (Empfehlen möchte ich an dieser Stelle unbedingt die Leseprobe auf der Internet-Seite des Splitter-Verlages!)

Seine Grafik ist fast unauffällig und eher zurückhaltend: klare Linien, effektvolle Farben von Guy Major, oftmals krasse Gegensätze von hell und dunkel, manchmal hyperrealistische Gewaltdarstellungen. Damit passt sie zu der Rache- und Verfolgungsgeschichte, die in »Vargr« letztlich erzählt wird. Man kann die Illustrationen in diesem Comic auch als funktional bezeichnen; sie ordnen sich der Story eigentlich immer nur unter, und das machen sie gut.

Seien wir fair: Für Feingeister ist »Vargr« nichts. Wer aber wissen will, wie der schon klassische James Bond in einem anderen Umfeld funktioniert, ist hier bestens beraten. Wer einen actiongeladenen Comic mag, sollte sich auf jeden Fall die Leseprobe anschauen. Und wer wissen möchte, wie man klassische Figuren – ob das nun Perry Rhodan oder James Bond ist – in einem anderen Umfeld dargestellt werden können, hat hier eine mehrfache Freude.

26 Oktober 2020

Wunderbare Manga-Phantastik-Mixtur für Kids

Aus der Serie »Gratis Comic Tag 2020«


Sie sind drei Schwestern, sie streiten sich, und sie halten wieder zusammen; gemeinsam leben sie mit ihrer alleinerziehenden Mutter in einem schönen, leicht verwunschen wirkenden Haus. Das ist der Ausgangspunkt für »Der Club der drei Schwestern«, der bei Toofish erscheint. Im Rahmen des Gratis-Comic-Tages 2020 wurde ein großer Teil des ersten Albums als kostenloses Heft veröffentlicht.

Es handelt sich eindeutig um einen Comic für Jugendliche, der aber auch Erwachsene ansprechen kann. Das liegt an der sehr angenehm erzählten Geschichte und den schönen Zeichnungen. Es ist eigentlich eine Fantasy-Geschichte, die beispielsweise die Geheimnisse der Mutter andeutet und klarmacht, dass da noch einiges nachkommt. Die drei Schwestern sind optisch und von den Texten her sehr gut gezeichnet, man kann sich mit ihnen identifizieren.

Geschrieben wurde die Geschichte von Giovanni di Gregorio, die Zeichnungen stammen von Alessandro Barbucci. Der ist mir schon durch die coolen Comic-Serien »Sky Doll« und »Ekhö« bekannt geworden, der Mann versteht sein Handwerk.

Beim »Club der drei Schwestern« ist der Manga-Einfluss bei seinen Bildern noch stärker geworden, was den Seiten einen modernen Anstrich verleiht. Das meine ich aber positiv – die Geschichte wird dadurch nicht schlechter, sondern dynamischer.

»Sarahs Traum« ist ein gelungener Einstieg in eine schöne neue Fantasy-Welt, nicht nur für Mädchen, nicht nur für Jugendliche!


25 Oktober 2020

Freundlicher Blick in Tanga

Aus der Serie »Ein Bild und seine Geschichte«


»Guck doch mal nett in die Kamera«, lautete die Aufforderung. Es war der Januar 1998, wir hielten uns in Tanga auf, der kleinen Stadt in Tansania, am Indischen Ozean gelegen. Es war sehr heiß, wir waren eine längere Strecke gelaufen, und ich fühlte mich nicht besonders fit. Vor allem fühlte ich mich nicht in der Lage, ein nettes Gesicht zu zeigen, um fotografiert zu werden.

Entsprechend schlechtgelaunt wirke ich – wenn mich meine Erinnerung nicht trügt – auf diesem Foto. Tanga war alles andere als eine touristische Hochburg für uns, aber ich hielt mich gern dort auf.

Wir hatten allerdings Ärger mit der Polizei, die uns für illegale Reisende hielt, aber unterm Strich wohl nur Bestechungsgeld kassieren wollte. Dafür entschädigte eine fast menschenleere Bucht, an der wir baden konnten. Ich fand die Märkte schön, wir aßen gut an irgendwelchen Straßenständen, und unterm Strich behielt ich die Stadt positiv in Erinnerung.

Zu einem freundlichen Lächeln nach einer Aufforderung reichte es dennoch nicht …

24 Oktober 2020

Mein Versuch mit K-Pop

Eigentlich sind mir Boybands jeglicher Art ja ein Greuel. Das gilt dann auch, wenn sie aus Korea sind und den so angesagten K-Pop »performen«. Doch weil ich ja schon mal wissen will, was man heutzutage alles so hört, ließ ich mich gern auf einen Tipp ein.

Ich sah mir das Video zu »Dynamite« an, einem unglaublich populären Stück der Boyband BTS, das in diesem Jahr erschienen ist. Das YouTube-Video, das ich mir ansah, wurde mittlerweile mehr als 510 Millionen Mal geklickt; das finde ich unfassbar.

Seien wir fair: Das ist nicht meine Musik. Ich bin aber auch nicht die Zielgruppe, das dürften eher Jugendliche im Alter von 13 bis 16 Jahren sein. Aber die Melodie ist nett, die Jungs können natürlich gut tanzen, und im Radio läuft echt schlimmeres Zeugs.

Was ich am Interessantesten finde, ist die Tatsache, dass die Jungs alle sehr androgyn wirken. Sie sehen nicht »männlich« aus und spielen offenbar bewusst mit den Geschlechterrollen. (Und der Refrain hat auch noch Ohrwurm-Charakter.) Zum Fan von K-Pop werde ich wohl trotzdem nicht …

23 Oktober 2020

Eine SitCom durchgeguckt

Das hätte ich nie geglaubt, wenn es mir vor einigen Jahren jemand erzählt hätte: Ich habe in relativ kurzem Zeitraum alle neun Staffeln der amerikanischen Comedy-Serie »How I Met Your Mother« angesehen. Ich betrieb kein brutales »Binge Watching« an einem Wochenende, trotzdem ging es recht schnell, bis ich die Staffeln durch hatte.

Für Leute, die ständig an irgendwelchen Serien kleben, ist »How I Met Your Mother« sicher ein alter Hut. Entweder haben sie diese Serie eh schon hinter sich gebracht, oder sie fanden sie von Anfang an doof. Ein echtes Zwischending sollte es da nicht geben, denke ich. Mir ging es so, dass ich bei verschiedenen Versuchen in den Zehner-Jahren, in die Serie reinzugucken, immer schnell wieder raus war: zu albern, zu sehr auf die Effekte getrimmt. Ich verstand den Witz nicht – vielleicht war es für mich einfach noch nicht an der Zeit.

Mittlerweile erkannte ich aber, wie gut die Serie geschrieben war. Klar, man darf nicht zu sehr über Klischees und die oftmals bescheuerte Darstellung von Frauen nachdenken. Auch die Tatsache, dass alle fünf Hauptfiguren typische weiße Mittelstandsamerikaner sind, würde man heute zu Recht kritisieren. Ignoriert man das alles und lässt sich auf die Geschichte ein, macht sie einfach Spaß.

Nicht jede Folge ist gelungen, nicht jeder Dialog funktioniert wirklich. Die Qualität konnte ich vor allem deshalb nicht bewerten, weil ich die Serie in der deutschen Übersetzung anguckte. Schon klar: Das Original ist immer vorzuziehen.

Aber ich wollte abends ab und zu mal lachen und nicht einen privaten Englisch-Volkshochschulkurs mit mir selbst veranstalten. Das hat die Serie wunderbar geschafft. Ich glaube nicht, dass ich sie mir noch einmal ansehen werde – aber ich hake sie unter »gelungene Unterhaltung« ab.

Das Jupiter-Risiko

Ich habe ein weiteres Hörspiel gehört, das zur Serie »Mark Brandis Raumkadett« gehört. Es handelt sich um die elfte Folge der Serie, und es trägt den Titel »Das Jupiter-Risiko«.

Der junge Mark Brandis ist in dieser Folge immerhin schon Fähnrich, steht also kurz davor, endlich ein Offizier zu werden. Nach wie vor träumt er davon, mal sein eigenes Raumschiff zwischen den Planeten und Monden des Sonnensystems zu steuern.

Da bekommt der junge Mann ein Angebot, das er nicht ablehnen kann. Er darf auf einem kleinen Raumschiff mitfliegen, das zu einem geheimen Auftrag aufbricht: fünf Mann auf große Fahrt bis zum Jupiter. Kurz vor dem Abflug wird der Kommandant allerdings verhaftet – aus Gründen, die Mark Brandis nicht erfährt. In der Folge startet das kleine Schiff mit nur vier Besatzungsmitgliedern zu einem langem Flug.

Was dann in der Atmosphäre des Riesenplaneten passiert, ist sehr spannend: Die Einflüsse der Schwerkraft auf die Wandung des Raumschiffes, die tödliche Strahlung im All, der Flug durch die Atmosphäre – das alles wird glaubhaft erzählt und mit eindrucksvollen Geräuschen untermalt. Der junge Raumfahrer wächst über sich hinaus und rettet letztlich die Mission.

Am Ende gibt es zudem eine klare Verbindung zur späteren »Mark Brandis«-Serie, die ich an dieser Stelle aber nicht erläutern möchte. Das wäre zu viel »Spoiler«. Mir als altem Fan des »Mark Brandis«-Kosmos hat aber gut gefallen, dass hier eine weitere klare Verbindung zwischen beiden Serien hergestellt wird.

Balthasar von Weymarn und dem Team von Interplanar-Produktion ist mit der elften Folge von »Mark Brandis Raumkadett« erneut ein spannendes Hörspiel-Abenteuer gelungen. Die Helden sind jung, trotzdem ist es keine Serie, die nur für junge Leute gedacht ist; auch der erfahrene Science-Fiction-Fan wird sich an der Handlung und an den sehr guten Dialogen erfreuen. Klasse-Serie, Klasse-Folge!

22 Oktober 2020

Gas Huffer im Jahr 1994

Eine der vielen Bands, die in den 90er-Jahren aus Seattle kamen, waren Gas Huffer. In meiner Sammlung befindet sich eine Platte der Band: die LP »one inch masters«, die mir vor allem deshalb immer gefallen hat, weil ein schickes Comic-Heft beiliegt, das die Band selbst gezeichnet hat. Musikalisch hat mich die Band nie umgehauen – und das blieb auch so, als ich mir die Platte dieser Tage noch einmal anhörte.

Immerhin schlossen sich Gas Huffer nicht dem Hype um den Grunge-Rock an, der zu Beginn der 90er-Jahre nicht nur alle Bands in Seattle zu erfassen schien, sondern blieben ihrem schrammeligen Punkrock treu. Die von mir angehörte Platte – es war die dritte der Band – klingt altmodisch: Der Sänger knödelt vor sich hin, die Gitarre schrammelt, das Tempo der Stücke ist nicht gerade hoch.

Wer mag, kann die Platte also ins Punkrock-Regal schieben, kann aber auch sagen, dabei handle es sich um Rock'n'Roll; manche Stücke wirken sogar wie Blues, vor allem dann, wenn die Gitarre nach Akustik-Klampfe klingt. Die sarkastischen Texte erzählen von alltäglichen Dingen, das allerdings immer mit einem Blick auf die schräge Seite der Realität. Politische Inhalte fehlen, was aber nicht weiter stört.

»one inch masters« ist insofern eigenständig, als dass man sie nicht in eine der Hauptrichtungen von Punk einsortieren kann. Damit setzte sich die Band im Jahr 1994 für mich zwischen die Stühle – ich kann sie mir aber immer noch gut anhören.

Ein Meilenstein für die Fantasy

Wann genau die erste Ausgabe des Fanzines »Lands Of Wonder« erschien, kann man anhand des Heftes selbst nicht nachvollziehen: Die Herausgeber hielten es nicht für nötig, ein Impressum einzuarbeiten, aus dem man solche Details wie Redaktion oder Daten herauslesen könnte. Aber klar: Redakteur war Hubert Strassl, der zu dieser Zeit noch nicht als Hugh Walker ein bekannter deutschsprachiger Fantasy-Autor war, und das Heft wurde 1968 publiziert.

Es waren die Anfänge der Fan-Vereinigung »Follow«, die in diesem Fanzine auch vorgestellt wird. Die »linken« Science-Fiction-Fans fanden »Follow« rechts oder gleich faschistisch; sie erkannten nicht, dass es von den meisten Mitgliedern als Ulk betrachtet wurde, in Kategorien wie »Stallbursche« oder »Lord« zu denken.

Das 20 Seiten umfassende Heft, das im Umdruckverfahren hergestellt wurde, war für die damalige Zeit unglaublich professionell: Bilder von Virgil Finlay und anderen Größen, ein einleitender Artikel über Heroic Fantasy von Lyon Sprague de Camp – damals ein großer Name –, dazu Gedichte von Robert E. Howard, dem »Conan«-Autor, und Hugh Walker, kombiniert mit einigen Sachartikeln zur Fantasy.

Liest man ein solches Fanzine heute durch, spürt man geradezu den Aufbruchsgeist jener Jahre: Mit der Fantasy-Literatur war etwas vergleichbar Neues da, und die Macher des Fanzines wollten mehr darüber erfahren und auch über das Genre informieren. Die Erstausgabe von »Lands Of Wonder« muss für die damalige Zeit als echter Meilenstein gewertet werden!

21 Oktober 2020

Wie waren die frühen 90er-Jahre eigentlich?

Gelegentlich wundern sich Menschen darüber, woher der Ausländerhass und die Brutalität in gewissen Gegenden unseres Landes kommen. Diese sollten sich das Buch »Wendejugend« der beiden Journalisten Klaus Farin und Eberhard Seidel besorgen und sehr gründlich lesen – es könnte ihnen die Augen öffnen.

Jüngere Leute wissen es nicht, viele der älteren haben es damals nicht mitbekommen oder verdrängt: Zu Beginn der 90er-Jahre tobte eine Welle rechtsradikaler Gewalt durch die Bundesrepublik Deutschland, nicht nur in den »fünf neuen Ländern«, sondern ebenso im Westen, im Norden und Süden des Landes. Ausländerheime wurden angegriffen, Menschen verprügelt, es kam zu Dutzenden von Toten. Die meisten Täter wurden sehr milde bestraft, viele gingen straffrei aus.

Was sie lernten, war aber: Wenn sie brachiale Gewalt gegen alles ausüben, was sie als »Volksschädlinge« betrachten, wenn sie also Ausländer, Schwule, Obdachlose, Punks oder Gothic-Jugendliche angreifen und töten, kann ihnen unterm Strich nicht so viel passieren. Im Zweifelsfall werden Polizei, Medien und »das Volk« eher zu ihnen als zur Antifa halten. Die Täter waren damals zwischen 15 und 25 Jahren alt – heute handelt es sich um erwachsene Menschen, die in manchen Regionen des Landes wichtige Positionen einnehmen.

Die Interviews und Reportagen, die in dem Buch »Wendejugend« veröffentlicht worden sind, entstanden größtenteils in der Zeit anfangs der 90er-Jahre. Die beiden Journalisten reisten damals durch die Republik und sprachen direkt mit Jugendlichen. Sie bewerteten nicht, sondern sie ließen sie zu Wort kommen. Ihr Ziel war nicht, den jungen Leuten einen Spiegel vorzuhalten, sondern sie wollten wissen, wie die Jugendlichen denken.

Was dabei herauskommt, ist teilweise erschreckend. Manche Jugendliche äußern offenkundigen Rassismus oder Frauenverachtung, der Kampf auf der Straße wird als völlig normal betrachtet. Bei manchem Interview muss man auch heute noch schlucken; wer sehr sensibel ist, könnte dadurch sogar verstört werden. Eine wichtige Lektüre für alle Menschen, die mehr über das Thema rechtsradikaler Gewalt wissen wollen, und auch für solche, die glauben, es handle sich um Einzeltäterfälle …

»Wendejugend« und seine 14 Interviews ist absolut lesenswert. Das Buch ersetzt keine Analyse, möchte es auch gar nicht, sondern stellt Personen vor. Die Rückschlüsse aus den Interviews kann jede lesende Person selbst ziehen. Ich fand es spannend und möchte es unbedingt empfehlen.

Erschienen ist das Sachbuch als 164 Seiten starker Hardcover-Band im Hirnkost-Verlag; es kostet 18,00 Euro. Mithilfe der ISBN 978-3-947380-35-0 kann man es in jeder Buchhandlung bestellen – auch direkt im Shop des Hirnkost-Verlages.

Wenn der Zombieman erwacht

Aus der Serie »Gratis-Comic-Tag 2020«


Seit gut zwanzig Jahren erfreuen mich Levin Kurio und seine Mitstreitern mit absurden und lustigen, spannenden und gruseligen Comics, die zumeist von deutschsprachigen Zeichnern und Autoren stammen. Ich erinnere mich noch gut an die Anfänge von »Weissblech Comics«, als es in den Geschichten vor allem um das Trinken von Dosenbier, das Hören von lauter Musik und das Rauchen seltsamer Rauchwaren ging,

Mit »Horror Schocker« legte der rege Verlag zum Gratis-Comic-Tag 2020 ein schönes Heft vor, das ich endlich auch gelesen habe. Enthalten sind verschiedene Geschichten aus der Reihe der »Horror Schocker«, kombiniert mit einer Geschichte der Serie »Zombieman«. Um es klar zu sagen: Das kann man nicht ernstnehmen, das ist auch nicht ernstgemeint.

Die Comics orientieren sich an den alten »Gespenstergeschichten«, sie sind mit einem leicht rotzigen Unterton erzählt, während die Zeichnungen den Charme von Underground-Comics aufweisen. Das meine ich in beiden Fällen nicht negativ: Man hat bei »Weissblech Comics« sichtlich Spaß, Untote aus den Gräbern steigen und allerlei Monster durch die Seiten rennen zu lassen.

Mir hat dieses Gratis-Heft viel Spaß bereitet. Es gibt einen guten Einblick in die Art und Weise, wie man bei Weissblech an die Geschichten herangeht. Sehr schön!

20 Oktober 2020

Der Totengräber erscheint als Hörbuch

Als im vergangenen Jahr »Totengräbers Tagebuch« in gedruckter Form in den Handel kam, freute ich mich sehr. Volker Langenbein als Autor und ich als Helfer im Hintergrund hatten über Jahre hinweg einiges an Arbeit in das Buch gesteckt. 

Es sieht toll aus, und die meisten Leserinnen und Leser finden es ja auch gut. Die positiven Rückmeldungen bauen mich immer wieder auf.

Nun kommt ein Hörbuch dazu; veröffentlicht wird es von der Hörbuchmanufaktur Berlin. Die Kollegen dort haben bereits einen Hörbuch-Trailer produziert, den man sich unter anderem bei YouTube anhören kann.


Feminismus und Fechten

Der französische Comic-Künstler Quentin Zuttion fiel mir zum ersten Mal mit seiner Graphic Novel »Nennt mich Nathan« auf, einer feinfühligen Geschichte über Geschlecht und Identität. Mit »En Garde!« ist im Splitter-Verlag ein neuer Comic-Band erschienen, bei dem der Begriff Graphic Novel absolut zutreffend ist: eine packende Geschichte über drei Frauen, die ihre Ängste und Zwänge zu überwinden versuchen.

Erzählt wird in diesem Comic von einem Fechtkurs, einer Art »Therapeutisches Fechten« also. Die drei Frauen, die allesamt mit sexueller Gewalt und Verlusten zu kämpfen haben, sollen mit dem Fechten lernen, mit den heiklen Themen ihres Lebens besser fertigzuwerden. (Sie sind in diesem Kurs nicht allein, die Handlung konzentriert sich aber auf dieses Trio: drei sehr unterschiedliche Personen, die sich im Verlauf der Zeit auch anfreunden.)

Quentin Zuttion erzählt von den drei Frauen und ihren Problemen, zeigt ihre Vergangenheit und den Grund für ihre Traumata. Er zeigt sie mit ihren Schwächen und Stärken, vor allem schildert er, wie sie lernen, mit sich selbst und ihrer Welt besser klar zu kommen. Es gibt kein echtes Happy-End bei »En Garde!«, aber immerhin einen positiven Ausblick in die nähere Zukunft.

Das ist alles in allem kein lustiger oder angenehm zu lesender Comic. Klar, die Geschichte ist unterhaltsam – aber in ihrer Tragik ist sie nicht immer leicht zu verdauen. »En Garde!« ist tatsächlich wie ein anspruchsvoller Roman, der sich ja auch nicht so leicht lesen lässt wie gut gemachte Unterhaltungsliteratur.

Zeichnerisch ist mir Zuttion manchmal zu skizzenhaft, das ist einfach nicht der von mir bevorzugte Stil. Die manchmal schroffen Zeichnungen und die aquarellartige Farbgebung passen aber durch ihre distanzierte Haltung zu der Geschichte.

Der Hardcover-Band ist über 200 Seiten stark und lohnt sich echt. Leute, die ausschließlich auf Superhelden- oder Manga- oder Funny-Comics stehen, werden damit vielleicht ihre Schwierigkeiten haben. Wer aber auf eher »ernsthafte« Themen steht, ist hier sehr gut aufgehoben. Ich denke, dass »En Garde!« auch etwas ist, das Leute gut finden werden, die sonst gar keine Comics in die Hand nehmen würden.

Ein sehr empfehlenswerter Band!

19 Oktober 2020

2020 verwirrt mich Orio

Die aktuelle Platte von Oiro macht mich ratlos – denn eigentlich mag ich die Band aus Düsseldorf ja. Aber »Mahnstufe X« hat bei mir nicht gezündet, obwohl ich sie mehrfach anhörte.

Die Platte geht ja ganz gut los: Ein Stück wie »Fahr zur Hölle MPU« packt mich sofort, das treibt, das knallt, das ist bei aller Ironie im Text einfach guter Punkrock. Aber so etwas wie »Die meisten Unfälle passieren im Krieg«, dem letzten Stück der Platte, ist textlich sehr kryptisch – ich hab's nicht kapiert – und musikalisch undefiniert: irgendein IndieSchrott-Geschrammel ohne Melodie und Energie, das vor sich hinlangweilt.

Zwischen diesen zwei Polen bewegt sich die ganze Platte. Ich weiß schon, dass die Band nicht gerade auf Deutschpunk festgelegt ist und das Genre eher ironisch betrachtet. Aber hier finde ich das Gesamtkonzept einfach lahm. Ich hatte beim Anhören zeitweise das Gefühl, als bildeten die Stücke eine Gerade, die schräg im Koordinatenkreuz steht: anfangs mit ansprechender Musik, am Ende mit langweiligem Gedöns.

»Mahnstufe X« kam im Februar heraus. Vielleicht hätte ich mir die Band auf ihrer Tour ansehen sollen, das hätte mein Verhältnis womöglich verändert. Aber 2020 gab es keine Touren, Corona machte einen Strich durch die Rechnung. Und so bleibt die Platte für mich als ein Gesamtwerk stehen, das mich schlicht irritiert.

Kleinstadtsirenen

Aus der Serie »Dorfgeschichten«


Träge saß ich auf der Parkbank und blickte ins Leere. Das Buch hielt ich noch in der Hand, aber ich war nicht in der Lage, mich auf die Buchstaben zu konzentrieren, nahm weder einzelne Wörter noch zusammenhängende Sätze wahr. An diesem heißen Sommertag im Sommer 1983 hatte ich das Gefühl, mein Gehirn löse sich langsam auf und werde zu einer Suppe, in der es nur noch Reste von Intelligenz gab.

Die wenigen Menschen, die im Park unterwegs waren, bewegten sich von Schatten zu Schatten, sofern das überhaupt ging. Vor allem Rentner oder Leute, die ich für Rentner hielt, eilten mit flottem Schritt durch die freien Stellen und legten an jedem schattigen Gestrüpp oder Baum eine Pause ein.

Ich sah einem Mann zu, der leicht gebückt ging. Mit der rechten Hand stützte er sich auf seinen Stock, der linke Arm fehlte. Seine Haare waren grau, die Schritte schwer. Ich nahm an, dass er einige Jahre älter war als mein Vater.

Als die Sirenen aufheulten, zuckte ich zusammen. Es war kein Alarm, zumindest ging ich davon aus. Wahrscheinlich wurden sie einfach wieder einmal getestet, wie jedes Jahr. Selbst wusste ich nie, welche Art von Alarm für welche Art von Katastrophe galt. Was war das Signal für Bombenalarm, was für einen Chemieunfall? Meine Mutter konnte die einzelnen Sirenenklänge gut auseinander halten, sie hatte es im Krieg gelernt.

Offensichtlich auch der alte Mann, der gerade vor mir auf dem Weg unterwegs war. Er zuckte zusammen, dann beugte er sich nach vorne, ging langsam in die Knie, blieb in einer kauernden Haltung auf dem Boden. Ich hörte ihn wimmern, und sein Wimmern drang durch das Jaulen der Sirenen.

Verwirrt starrte ich auf den alten Mann, bemerkte dann, dass ich schon aufgestanden war. Mit raschen Schritten überwand ich die Distanz zu ihm.

Ich beugte mich zu ihm hinunter. »Ist bei Ihnen alles in Ordnung, kann ich Ihnen helfen?«

Der Mann schluckte, als ob er sein Wimmern so beenden könnte. Seine Augen schwammen in Tränen. »Die Sirenen, der Flieger, es kommt alles hoch.« Er sah durch mich hindurch, und als er weitersprach, klang es, als würde er mit sich selbst reden. »Dieser verdammte Ami, dieser Drecks-Tiefflieger, die Sirenen haben geheult, und mein Bruder hat draußen auf dem Feld gespielt, hinter dem Haus, am Stadtrand, und der verdammte Ami hat ihn mit dem Maschinengewehr abgeknallt, einfach so. Und das kommt immer hoch, wenn die Sirenen heulen.«

Kurz überlegte ich, was ich machen sollte. Viel tun konnte ich in solchen Fällen nie, es war eigentlich immer alles falsch. Ich kannte es von meinen Eltern, wenn sie unvermittelt vom Krieg anfingen oder wenn mein Vater stundenlang im Keller stand, in der Dunkelheit, eine Bierflasche in der Hand, und leise mit sich selbst redete.

»Soll ich Ihnen aufhelfen?«, fragte ich.

»Nein, es geht schon«, gab er zurück. »Es muss ja immer irgendwie gehen.« Es sank zurück, bis er mit dem Hintern auf dem Boden saß. Blicklos starrte er in die Luft, dann zeigte er auf seinen Arm. »Der Scheißkrieg. Den Arm hat mir der Russe weggeschossen, Sommer 44 bei Orscha. Heiß war’s. Und dann hat mir der Ami den kleinen Bruder abgeknallt. Scheißkrieg.«

Ich nickte ihm zu und wies zu der Bank hinüber, wo noch mein Buch lag. Einige Passanten standen in der Nähe und sahen zu dem alten Mann und mir hinüber. »Ich bin dort, wenn Sie mich brauchen. Rufen Sie, oder geben Sie mir ein Zeichen.«

»Ist recht.« Er versuchte ein Lächeln, doch es verunglückte.

Langsam stand ich auf und nickte ihm zu. Die Sirenen hatten mittlerweile aufgehört. Vögel zwitscherten, Insekten summten über einem Strauch mit blühenden Rosen.

Der alte Mann saß immer noch auf dem Boden. »Ich kann meinen linken Arm wieder spüren«, sagte er unvermittelt. »Heute nacht wird’s regnen.«

Dann stand er auf, wünschte mir murmelnd einen »schönen Tag«, nahm seinen Stock und ging weiter. Mit meinem Science-Fiction-Roman konnte ich mich an diesem Nachmittag dann auch nicht mehr anfreunden.

17 Oktober 2020

Lara ist nicht witzig

Der deutsche Spielfilm »Lara« kam Ende 2019 in die Kinos, ich verpasste ihn komplett. Allerdings muss ich gestehen, dass der Schauspieler Tom Schilling und die Schauspielerin Corinna Harfouch für mich keine Kassenmagnete sind. Ich verbinde mit beiden eher Filme, die mich nicht gerade ansprechen. Bei »Lara« fand ich die kurze Inhaltsangabe aber interessant, und so sah ich ihn mir bei einem Streaming-Dienst an.

Um es klar zu sagen: Der Film lohnt sich durchaus. Er ist sehr ernsthaft, meist sogar traurig, und hat nur sehr selten Momente, bei denen man wegen der Absurdität der Situation kurz auflachen muss. Und ich bewunderte die schauspielerische Leistung von Corinna Harfouch.

Lange Zeit kapierte ich nicht so richtig, worum es geht. Harfouch stellt offensichtlich eine sehr ehrgeizige Mutter dar, die in Berlin in einem Wohnblock wohnt und lange Zeit als Beamtin tätig war. Der Film spielt an ihrem sechzigsten Geburtstag und fängt damit an, dass sie depressiv durch die halbdunkle Wohnung irrt. Abends hat ihr Sohn ein wichtiges Konzert: Der Pianist hat ein großes eigenes Stück geschrieben und führt dies mit einem großen Orchester auf.

Die Kamera folgte der Schauspielerin durch ein graues Berlin, hinaus aufs Land – wo sie ihre Mutter besucht und mit ihr den offensichtlich üblichen Streit austrägt –, durch Cafés und Seminarräume. Oft herrscht Stille vor, sieht man von der Musik im Hintergrund ab. Die Hauptdarstellerin hat offensichtlich ein fettes Problem mit sich selbst und der Welt, und es braucht einige Zeit, bis man die Zusammenhänge kapiert.

Das ist sehr ernsthaft, aber wird nicht mit einem erhobenen Zeigefinger erzählt. Ich fand es spannend, was vor allem an der Schauspielerin lag. Ich nahm ihr die Rolle ab, sie spielte die Frau, die an ihren eigenen Ansprüchen gescheitert ist, mit großem Ernst. Und beim offenen Ende hofft man als Zuschauer auf sie.

Sehr respektabel! Lohnt sich! Und passt zu diesem Corona-Herbst ...


16 Oktober 2020

Die mysteriöse Zahl 182,5

Ich guckte sicher ein wenig verwirrt aus der Wäsche, als ich die Broschüre mit dem schönen Titel »182,5« aus dem Briefumschlag zog. Was sollte das denn? Und was hatte diese Zahl mit der Bundesakademie für Kulturelle Bildung Wolfenbüttel zu tun?

Das Rätsel löste sich dann doch schneller, als ich gedacht hatte: Es handelt sich bei der Broschüre um die neue Programmvorschau der Bundesakademie, und da es sich um das Programm für das erste Halbjahr 2021 handelt, das 182,5 Tage lang sein wird, erklärt sich schlagartig auch der Titel. Ich mag so was ja …

Die Broschüre liefert wieder schöne Zitate von Menschen, die an der Akademie tätig sind, und kombiniert sie mit Programmhinweisen. Das komplette Programm gibt es – aus nachvollziehbaren Gründen – nicht mehr komplett gedruckt; man wird auf das Internet verwiesen. Im Jahr 2020 finde ich das völlig okay so. Und freue mich über das schöne Heft!

Kirkwall Paradise rockt

Die Horror-Hörspielserie »Dorian Hunter«, die ich seit Jahren sehr gern höre, schafft es immer wieder, mich positiv zu überraschen. Ein schönes Beispiel hierfür ist die Folge 33, die den Titel »Kirkwall Paradise« trägt und die sowohl extrem spannend als auch sehr lustig ist. Dennis Ehrhardt und das Team von Zaubermond Audio haben es geschafft, die klassische Geschichte von Ernst Vlcek in ein mitreißendes Hörspiel zu verwandeln.

Zur Geschichte: Weil Dorian Hunter und seine Gefährten einen hochrangigen Polizisten aus einem obskuren Krankenhaus befreien wollen, in das er verschleppt worden ist, reisen sie auf die Orkney-Inseln. Kirkwall Paradise ist nicht nur ein Krankenhaus, sondern vor allem eine Schönheitsfarm, in der sich Prominente aller Art kostspieligen Operationen unterziehen.

Recht schnell merken der Geisterjäger und seine Begleiter – diesmal unterstützt durch zwei junge und recht anstrengende Männer –, dass einiges faul in der Farm ist. Am Ende kommt es zu einem Showdown, an dessen Ende einige Leichen zurückbleiben. Danach muss Dorian Hunter erst einmal aus Großbritannien verschwinden.

Was in der Zusammenfassung nicht so richtig zünden dürfte, ist als Hörspiel hervorragend gemacht. Die Ermittlungen in Kirkwall Paradiese werden durch die schnellen Wechsel der Handlungsebenen spannend erzählt. Die Handlung wechselt aus dem Innern der Schönheitsfarm hinaus auf einen Beobachtungsposten und wieder zurück; das fand ich originell, vor allem auch deshalb, weil hier ständig mit den Geräuschen gespielt wird.

Der Witz kommt durch die zwei jungen Männer – die Sprecher sind im wirklichen Leben als YouTuber durchaus bekannt –, die sich mit den »Erwachsenen« in Hunters Team nicht so richtig anfreunden können. Ebenso sorgt eine aufgekratzte Fernsehmoderatorin für den einen oder anderen Witz; ich musste mehrfach schmunzeln.

Letztlich gilt für die Folge 33 der Hörspielserie das, was auch für viele andere gilt: »Dorian Hunter« ist eine starke Serie, die Folge »Kirkwall Paradise« ist ein neuerlicher Höhepunkt – aber wer damit einsteigt, wird nicht alles sofort verstehen. Ich empfehle trotzdem, mal in die Hörprobe auf der Zaubermond-Seite hineinzuhören!

15 Oktober 2020

Ein Heft zum hundertsten Heft

Es war ein besonderes Heft, das ich im Oktober 1997 in meinem Briefkasten vorfand: Der »Fandom Observer« konnte sein erstes großes Jubiläum feiern – das Heft erreichte die Nummer hundert. Und weil man das feiern wollte, fabrizierte die Redaktion ein »Fandom Observer Extra«, das mit einer Auflage von 150 Exemplaren und einem Umfang von 36 Seiten (immerhin: ein farbiger Umschlag!) an die Abonnenten ausgeliefert wurde. 

In einem gut lesbaren, wenngleich absichtlich schlichten Layout (verantwortlich dafür war Manfred Müller) kamen die bisherigen Redakteurinnen und Redakteure des Fanzines zu Wort. Ergänzt wurde das durch Fotos und vor allem allerlei Cartoons, die Matthias Langer beisteuerte. Zu den Personen, die man in dieser Ausgabe veräppelte, zählten der Autor Achim Mehnert und ich.

Ich las das Fanzine heute noch einmal durch. Wenn ich den »Fandom Observer« in der Hand halte, ist es immer wieder wie eine Zeitreise in lange vergangene Zeiten. Dieses Sonderheft ist ein besonders schönes Beispiel dafür.

14 Oktober 2020

Poems For Future

Beim letzten Seminar in Wolfenbüttel kam irgendwann die Idee auf: »Lass uns Haikus oder Elfchen schreiben, die einen phantastischen Inhalt haben.« Es wurde viel gelacht, es wurde einiges geschrieben, und heraus kamen viele kurze und schöne Texte. Darüber schrieb ich in meinem Blog schon einige Male.

Die Autorin Kathrin Lange und ihr Mann Stefan beschlossen, daraus eine kleine Broschüre zu machen. Diese trudelte mir dieser Tage ins Haus. »Poems For Future« ist ein kleines Heft, das piekfein gedruckt worden ist und diese kurzen Texte enthält. Präsentiert werden also phantastische »Gedichte« von unterschiedlichen Autorinnen und Autoren.

Was für eine wunderbare Idee! Ich bin sehr stolz darauf, in diesem kleinen Heft ebenfalls vertreten zu sein.

13 Oktober 2020

»Das Haus Zamis« kommt

Seit einiger Zeit veröffentlicht der Bastei-Verlag die Heftromane der Serie »Dorian Hunter«. Die sehen gut aus, sie sind ansprechend, und ich hoffe, sie verkaufen sich auch ordentlich. Sie erschienen ja bereits als Hardcover-Ausgaben im Zaubermond-Verlag; ich kenne vor allem die spannenden und hervorragend gemachten »Dorian Hunter«-Hörspiele.

Zugrunde liegt bekanntlich die Heftromanserie »Dämonenkiller«, die von Ernst Vlcek konzipiert wurde. Der morbide Horror des in der Nähe von Wien lebenden Schriftstellers begeisterte damals die Leser, und er lässt sich offenbar auch heute noch gut lesen.

Mit »Das Haus Zamis« bringen die Kollegen bei Bastei jetzt auch noch die parallele Serie dazu. Ich wünsche den Kollegen bei beiden Serien einen möglichst großen Erfolg. (Und ärgere mich nur ein bisschen darüber, dass wir sie nicht veröffentlicht haben. Grumbl.)

Mordfall in der englischen Provinz

Es scheint ein neues Betätigungsfeld für die französischen Comic-Kreativen zu sein, sich an besonderen Reihen zu beteiligen. In »Androiden« stellen unterschiedliche Kombinationen aus Zeichnern und Autoren ihre Science-Fiction-Welten vor, in »Brocéliande« wiederum werden phantastische Geschichten aus der Bretagne erzählt. Mit »7 Detektive« gibt es nun auch eine Reihe, die – wer hätte es gedacht? – allerlei Krimi-Geschichten zusammenfasst.

Als erster Band erschien »Das gestiefelte Monster«, in dem Miss Crumble als Detektivin ermittelt. Bei ihr handelt es sich um eine pensionierte Lehrerin, die recht attraktiv aussieht – also keine Miss Marple, auch wenn es vom Namen her naheliegt; offenbar müssen Comic-Heldinnen stets attraktiv sein. Miss Crumble ist auf jeden Fall in ihrem Dorf bekannt, weil sie wohl schon mehrfach Kriminalfälle gelöst hat.

Im England des Jahres 1918 hängt der Schatten des Ersten Weltkriegs über den Häusern von Sweet Cove, einem herzzerreißend schönen Dorf, das direkt einer Folge von »Inspector Barnaby« entsprungen sein könnte. Der Graf, der lange Zeit für tot gehalten worden ist, kommt endlich aus dem Krieg zurück, und alle freuen sich.

Doch offenbar nicht alle, denn ein gestiefelter Mörder treibt sein Unwesen in dem kleinen Dorf. Zuerst muss der Graf sterben, dann folgen weitere Opfer. Miss Crumble versucht hinter die Umtriebe zu kommen, vor allem auch deshalb, weil sie alle Opfer und vor allem alle Verdächtigen seit vielen Jahren kennt …

Die von Herik Hanna erzählte Geschichte ist wirklich hübsch. Wer englische »Cosy Crime«-Geschichten mag, kommt hier auf seine Kosten. Der Fall ist verwickelt, die Dialoge machen Spaß, viele der Figuren sind ausgesprochen skurril.

Bei der künstlerischen Darstellung hält sich Sylvain Guinebaud – unterstützt durch die Farben von Lou – an das gängige Muster. Die Story ist eher realistisch gehalten, die Figuren zeigen leicht karikierte Gesichtszüge. Die absichtlich blasse Farbgebung passt zum häufigen Regen in der Geschichte, da kann ich nicht meckern.

»Miss Crumble« ist alles andere als anspruchsvoll, aber ein wirklich gelungener Auftakt für eine neue Krimi-Reihe. Man muss gespannt darauf sein, wie sich die Reihe entwickelt. Der Auftakt dürfte auf jeden Fall seine Freunde finden.

12 Oktober 2020

Im »Buch-Markt« zitiert

Die Zeitschrift »Buch-Markt« lese ich seit Anfang der 90er-Jahre – wir haben sie vom Verlag aus abonniert. Als »Ideenmagazin für den Buchhandel« richtet sich das Magazin vor allem an Buchhändlerinnen und Buchhändler, für Redakteure findet sich aber immer wieder Lesenswertes.

Die Ausgabe 10/2020 vom Oktober hatte ich erst am Wochenende auf dem Lektüre-Stapel. So merkte ich erst dieser Tage, dass ich darin zitiert worden bin. (Schon klar, dass ich das Zitat geliefert hatte, wusste ich; aber ich hatte es nicht mehr auf dem Schirm.)

In Verbindung mit einer sogenannten Spalten-Anzeige ist das Zitat hoffentlich ein bisschen »werbend«. Das Ziel ist: Anzeige und Zitat tragen dazu bei, dass die eine oder andere Buchhandlung unsere Anthologie bestellt und ihren Leserinnen und Lesern anbietet.