30 Juni 2020

Die Fabel vom Drachentrommler

Mit seinen zahlreichen Comic-Geschichten, die er auf dem Planeten Troy und in dessen umliegenden Universum ansiedelt, erfreut der französische Autor Christophe Arleston seit den 90er-Jahren seine Leser. Dass das nicht immer rundum gelingen kann, belegt der durchaus witzige Comic »Die Stunde der steinernen Drachen von Troy«, den ich endlich gelesen habe.

Die Geschichte spielt in einer Stadt am Meer, deren Bewohner ein Problem haben: Nachts werden die Drachen, die als riesige Statuen auf den Mauern sitzen, neuerdings lebendig. Sie fliegen durch die Stadt und fressen die Mauern. Es droht die komplette Zerstörung. Tötet man sie, setzen sie sich am nächsten Tag wieder zusammen und beginnen erneut ihr unheilvolles Werk.

Helfen kann der Stadt und ihren Bewohnern nur ein Barbar, ausgerechnet ein ganz schlichter Mann mit starken Muskeln und eher reduzierter Intelligenz. Und so entwickelt sich eine Geschichte, die an den Rattenfänger von Hameln erinnert ... ohne dass ich jetzt mehr dazu erzählen möchte.

Erzählt ist das Ganze gut. Arleston schickt seinen tumben Barbaren los, lässt ihn auf eine höfische Kultur mit zickigen jungen Frauen und elitär denkender Oberschicht stoßen. Der »Clash Of Cultures« funktioniert entsprechend, der Barbar hat seine Probleme mit den Eliten – und diese mit ihm. Das ist witzig und steuert konsequent auf eine gemeine Pointe zu.

Leider fällt die Grafik ab. Didier Cassegrain hat einen eher künstlerischen Stil, der bei manchen Figuren sogar gut funktioniert, mir aber leider nicht gefällt. Mit seinen Pastellfarben und seinen gestrichelten, manchmal grotesk wirkenden Figuren erzeugt er durchaus eine eigene Bildsprache; ich werde damit aber leider nicht so richtig warm.

So bleibt eine witzige Drachengeschichte, die mich von der Optik her nicht überzeugen kann. (Wer sich selbst davon überzeugen möchte, checke die Leseprobe auf der Internet-Seite des Verlages.) Erschienen ist der Comic-Band als schöne Hardcover-Ausgabe im Splitter-Verlag; das sieht dann alles in allem natürlich trotzdem cool aus.

Klappmesser Calw

In regemäßigen Abständen werden die Zustände bei der Bundeswehr in Calw thematisiert. Bei den dortigen Elitetruppen gibt es offenbar immer wieder rechtsradikale Vorfälle; manche Leute mutmaßen, dass es sich vielleicht sogar um rechtsradikale Strukturen handeln könne.

Dazu ist nur zu sagen: Das war schon in den 80er-Jahren so. Ich war 1984/85 bei der Bundeswehr, als Wehrpflichtiger in Ulm und Bruchsal. Schon in der Grundausbildung wurde von den Zuständen in Calw geredet, von Schikanen durch Vorgesetzte, von harten Ausbildungsmethoden – Liegestütze über einem aufgeklappten Klappmesser –, vom derben Umgangston zwischen Rekruten und Zeitsoldaten.

Später musste ich ab und zu mit dem Iltis von Bruchsal nach Calw fahren. Ich mochte diese Fahrten eigentlich; so kam ich aus der Kaserne heraus und erhielt in Calw einfach ein besseres Essen als in Bruchsal. Die Zeit bei der Bundeswehr habe ich ja vor allem als unfassbar langweilig in Erinnerung …

Aber auch da galt: Die Soldaten in Calw vermittelten zeitweise den Eindruck, etwas »Besseres« zu sein. Während sie unsereins nicht zu Unrecht als Halb-Soldaten betrachteten, die im Zweifelsfall in der Feldschlacht gegen die Russen schnell versagen würden, gingen sie offenbar manchmal davon aus, die einzig echten Soldaten zu sein, die Widerstand leisten konnten.

Wenn meine Erinnerung in diesem Fall nicht trügt, gab es also bereits in den 80er-Jahren zumindest Vorläufer für eine Entwicklung, die sich bis heute fortsetzt. Ich formuliere das bewusst so vorsichtig, weil ich keine Ahnung vom Innenleben einer heutigen Kaserne habe. Aber die Klappmesser-Gerüchte kommen alle hoch, wenn ich die heutigen Geschichten mitbekomme …

29 Juni 2020

Der risikobereite Drehbuchautor

Immer wieder ergeben sich seltsame Gespräche oder schriftliche Kontakte mit kreativen Menschen, die mich gelegentlich sehr verwundern. Manchmal notiere ich sie mir. Der hier zitierte Schriftwechsel ist schon älter – er spielte sich 2008 ab.

Jemand schrieb mich an, ich kannte diesen Jemand allerdings nicht. Sein Schreiben wurde von mir eins zu eins übernommen, mit allen seltsamen Formulierungen und nicht eindeutiger Rechtschreibung:

»Hallo, ich arbeite an einem Drehbuch für einen StarTrek Film und würde gern den Begriff "TRANSFORMKANONE" verwenden. Der Film soll von der Entstehung der BORG handeln. Habe ich eure Erlaubnis, den Begriff zu verwenden?«

Ich war mir nicht sicher, ob und wie ich darauf antworten sollte, und entschied mich dazu, eine kurze, aber höfliche Antwort zu schreiben. Das hier war meine Reaktion:

»Mir ist zwar nicht klar, warum Du an eine Drehbuch für einen Star-Trek-Film arbeitest und nicht irgendjemand bei der Paramount, aber .. Die Transformkanone ist meiner Ansicht nach nicht typisch für Star Trek, an Deiner Stelle würde ich die sicherheitshalber weglassen.«

Die Reaktion des Drehbuchmenschen kam innerhalb weniger Stunden; ich verzichtete dann daraud, die Diskussion weiterzuführen.:

»Du fragst, warum ich an einem Drehbuch für nen StarTrek Film arbeite: Weil ich seit meiner Kindheit Fan dieser Serie bin und ich mir das absolut zutraue, auch wenn ich in Sachen Drehbuch Anfänger bin. Ich habe mir irgendwann gesagt, was Leute wie JONATHAN FRAKES oder MICHEAL DORN schaffen, die ja auch schon Scripts für einzelne Episoden geschrieben haben, das schaffe ich auch.«

Es ist durchaus möglich, dass ich die Karriere eines begabten Schriftstellers durch mein motziges Gehabe im Keim erstickt habe. Leider habe ich es nie erfahren. Unser Kontakt brach damals gleich zusammen.

Angebrachte Panik

Im Jahr 2019 sah ich Angebrachte Panik aus Bremen im »P8« in Karlsruhe. Die Band spielte einen rustikalen Deutschpunk-Sound mit politischen Texten, alles mit Humor und Eigenironie präsentiert; das gefiel mir sehr gut. Ich kaufte mir auch die CD der Band, die in einem schicken Stoffbeutel steckte. Und seither hörte ich mir die immer wieder an.

Sie trägt den schönen Titel »Traumfänger« und liefert das, was die Band auch live präsentiert: Es ist halt Deutschpunk, nicht unbedingt auf der höchsten Niveaustufe, aber garantiert ohne Metal- und Macho-Allüren. Gesungen wird abwechslungsreich, mal ist ein Mann dran, dann eine Frau.

Bei der Musik geht es ebenso kunterbunt durcheinander: Mal wird geknüppelt und geschrammelt, dann wieder kommen ruhige Passagen, zwischendurch gibt es wildeste Breaks. Für Leute, die vor allem auf fröhliche Melodien stehen, ist das nicht unbedingt eingängig – aber die Band schaffte es immer wieder, sehr gute Stücke reinzubringen.

In den Stücken wird vom täglichen Wahnwitz in Deutschland erzählt, man ist sarkastisch bis zynisch. (Rechtschreib-Fans wie ich haben bei der Lektüre des Textblattes dann ihre Freude ...) Manchmal sind die Texte klar politisch, gleichzeitig ignoriert man häufig klassische Reimschemata: »Du fühlst dich gern groß / weil du Teil der Herrenrasse bist / liest alte Bücher und findest dort ein Hassobjekt« heißt es im Stück »Kein Teil«.

Ganz klar: Angebrachte Panik ist eine Band, die mir live echt gut gefallen hat. Auf der CD liefert sie Musik, die streckenweise gut ins Ohr geht und die textlich auf der sicheren Seite bleibt. Wer Deutschpunk mag wie ich, ist hier an der richtigen Adresse.

28 Juni 2020

Eigentlich wäre ja LitCamp

Es gibt schon lange den Begriff Con-Blues, andere kennen auch den Begriff Buchmesse-Blues. Ich kenne nach mehreren Besuchen zudem den LitCamp-Blues. Bei Messen, Cons und dem LiteraturCamp handelt es sich ja um Veranstaltungen, bei denen man viele Menschen trifft, mit denen man redet und trinkt, diskutiert und streitet. Man spricht über die Arbeit und das Vergnügen, es sind Autorinnen und Autoren da und haufenweise Menschen, die verwandte Interessen haben.

Das wäre an diesem Wochenende auch so. Eigentlich wäre das LiteraturCamp in Heidelberg vom 26. bis 28. Juni 2020 gelaufen, und ich freute mich schon seit einem halben Jahr darauf. Den Eintrittspreis hatte ich vor Monaten entrichtet, schön solidarisch, wie sich das gehört. Aber Corona machte auch dieser Veranstaltung einen Strich durch die Rechnung – sehr schade!

Virtuelle Veranstaltungen können eine persönliche Begegnung nicht ersetzen. Ich habe durchaus meine Freude an Videokonferenzen, finde aber eine persönliche Begegnung spannender. Und gerade beim LitCamp entstand für mich ein großer Reiz durch den Zufall – man trifft sich zufällig auf dem Gang oder im Treppenhaus, man unterhält sich, man trifft neue Bekannte.

Schade. Ich hoffe dann mal auf 2021!

26 Juni 2020

Hochzeitsnacht

Es ist eine Weile her, seit ich das letzte Hörspiel aus der Serie »Dorian Hunter« gehört habe. Dieser Tage nahm ich mir endlich die Folge dreißig vor, die 2016 bereits erschienen ist und den schönen Titel »Hochzeitsnacht« trägt.

Trotz der langen Pause war ich sofort in der Geschichte drin – obwohl sie einen starken Fortsetzungscharakter hat und man nur dann alle Hinweise und Anspielungen versteht, wenn man regelmäßig mithört. Dazu tragen wie immer die tollen Sprecher und die hervorragenden Geräusche bei, ebenso aber die Dialoge, die aus einem alten Romanheft eine packende neue Story machen.

Die Handlung des Hörspiels folgt einem klassischen Roman von Ernst Vlcek, den dieser in den 70er-Jahren in der Serie »Dämonenkiller« veröffentlichte. Vlcek, der in der Nähe von Wien lebte, verlegt die Geschichte in ein unbekanntes Dorf in Österreich; die Örtlichkeiten schienen ihm bekannt zu sein. Dort steht eine geheimnisvolle Burg, und dort soll es zu einer Hochzeit mit Schwarzer Messe kommen.

Ohne in die Details einzusteigen: Natürlich lebt die Geschichte vor allem davon, dass Dorian Hunter, der Dämonenkiller also, einer Mission folgt. Er will seine Freundin Coco Zamis, die verheiratet werden soll, aus den Klauen der Dämonen befreien und einige der Bösewichte liquidieren.

Gleichzeitig hat die Geschichte aber leichte Anleihen an die »Rocky Horror Picture Show«. Ein ganz normales Paar wird in die Geschehnisse verwickelt und sieht mit erstaunten Augen, was auf einer Schwarzen Messe vorfällt. Damit schaffen es die Macher von »Hochzeitsnacht«, das Geschehen aus der Sicht normaler Leute zu schildern und damit den Horror klarer zu vermitteln.

»Dorian Hunter« ist nach wie vor ziemlich großartig. Diese Folge mit der Nummer dreißig beweist das sehr gut.

Ein Katalog der Sammlerecke

Seit vielen Jahren bin ich ein Kunde der Sammlerecke in Esslingen. Über diesen Comic-Versandhändler beziehe ich Abonnements von Comic-Serien wie »Batman«, dort bestelle ich mir aber auch Sammelbände und besondere Ausgaben. Ich weiß nicht, wie viel Geld ich im Jahr ausgebe – da es teilweise Abonnements sind und weil ich alles mittels Bankeinzug bezahle, habe ich keinen sehr guten Überblick –, es sind aber einige hundert Euro.

Und regelmäßig kommt ein Katalog aus Esslingen ins Haus, bei dem es mir geradezu schwindlig wird. Ganz aktuell: der Katalog für den Sommer 2020. Rund 870 Seiten dick ist er, auf dünnstem Papier gedruckt, teilweise mit farbigen Titelbildern, aber ansonsten aus Seite um Seite um Seite bestehend, die mit allerlei Listen bedeckt sind.

Ich finde den Katalog beeindruckend, er lässt mich vor Ehrfurcht erstarren. Manchmal blättere ich ihn durch, was oft damit endet, dass ich noch mehr Geld ausgebe. Es regt mich schon zum Kaufen an, wenn ich Listen aus Papier vor mir habe – das digitale Blättern im Online-Shop ist nicht damit zu vergleichen.

In diesem Jahr war ich schlauer: Ich habe den Katalog nicht geblättert, sondern ihn gleich ins Büro mitgenommen und der Kollegin auf den Tisch gepackt. Soll sie versuchen, sich den Kaufgelüsten zu widersetzen!

25 Juni 2020

The Smalltown Rockets aus Stuttgart

Warum eine Band, die sich im Jahr 2006 gründet, letztlich eine Musik spielt, die aus den späten 70er- oder frühen 80er-Jahren stammen könnte, weiß ich gar nicht. Mich freut's ja, wenn jemand bewusst den alten Sound für sich entdeckt und in einer Weise in die neue Zeit holt, dass es sehr wohl modern und frisch klingt.

In diesem Fall handelt es sich um The Smalltown Rockets aus Stuttgart, deren Platte »All Eyes On You« ausm Jahr 2013 ich sehr gern höre – und das nicht nur, weil sie von einem Science-Fiction-Motiv geziert wird. Drei Männer und eine Frau fabrizieren eine muntere Mischung aus klassischem Punkrock, flotten Pop-Melodien und gelegentlichen Rock-Einlagen, bei denen dann auch mal die Gitarre jaulen und singen darf.

Die Platte präsentiert zwölf Stücke in englischer Sprache, die gut ins Ohr gehen, bei denen ich unweigerlich mit dem Kopf wackle und mit den Füßen wippe. Ich könnte mir vorstellen, dass das vor allem auch live gut funktioniert, nicht unbedingt als Pogo-Sound, aber eben als Musik, die man sich gern in einer verrauchten Kneipe ansehen und anhören mag.

Ich fürchte halt, für die beinharten Punkrocker ist das dann zu melodisch und für die »normalen« Rock-Fans wird dann doch zu wenig auf die Solo-Kacke gehauen und zu sehr geschraddelt. Die Kleinstadtraketen könnten also wieder einmal eine Band sein, die sich zwischen die Stühle setzt.

Ich empfehle diese Platte aber all denen, die gut gemachten Rockmusik mit einem Schuss Pop und zwei kräftigen Punkrock-Sahnehäubchen mögen.

Wie der Quarber Merkur entstand

Dass ich gern in alten Fanzines stöbere, habe ich schon oft geschrieben. Zum Schmunzeln wurde ich durch eine Seite des Fanzines »Ecrasez L'Infame« angeregt. Das im Umdruckverfahren hergestellte Fanzine wurde von Franz Rottensteiner herausgegeben und erschien im Jahr 1963 – also vor meiner Geburt.

Auf der Seite 18, die der Autor unter den Gesamttitel »Buntes Allerlei« stellte, schrieb er von seinen neuen Plänen: »Dem deutschen Fansom steht eine neue Gefahr bevor«. Ab Herbst 1963 wolle er seine »unillustrierte Literaturzeitschrift« veröffentlichen. Als Untertitel nahm er sich »Ein Erbauungsblättchen für deutsche Jünglinge« vor, sein Motto sollte »Kampf der verderblichen Schundliteratur« sein.

Als Umfang plante er zwanzig Seiten, »was ganz von meinem Geldbeutel abhängen wird«. Den Titel hatte er noch nicht festgelegt, auf der Seite 18 stellte er erste Überlegungen vor. Auf Seite 17 des »Ecrasez L'Infame« (sie wurde nach der Seite 18 auf Matritze getippt) steht allerdings dann der richtige Titel: Das Heft sollte »Quarber Merkur« heißen.

Kaum jemand hatte damals wohl gedacht, dass Dr. Franz Rottensteiner später einer für Jahrzehnte einer der wichtigsten deutschsprachigen Experten für die phantastische Literatur sein würde. Und der »Quarber Merkur« zwar nie eine hohe Auflage erreichen, aber inhaltlich sehr relevant sein würde … schön, wenn man solche Anfänge nachvollziehen kann!

24 Juni 2020

Ich las mal wieder »Lassiter«

In meiner frühen Jugend las ich alle möglichen Heftromane. Die wurden in der Schule getauscht, sie waren billig, und weil sie durchaus knallig waren, fanden Jungs wie ich vor allem Romane der Serie »Lassiter« klasse. Gerade die Sex-Szenen boten Anlass für das eine oder andere Gespräch auf dem Schulhof.

(Wir ahnten schon irgendwie, dass das sexistisch war. Aber wenn man halt zwölf Jahre alt ist, findet man's einfach großartig, wenn nackte Brüste und wilder Sex in einem Western-Heftroman thematisiert werden. Wir machten uns 1976 keine großen Gedanken, die über den Tellerrand hinausgingen.)

Das ist lange her. Ich habe seit Jahrzehnten keinen Roman der Serie mehr gelesen. Ich schaue immer wieder in die Hefte hinein, weil mich interessiert, was die Kollegen bei Bastei-Lübbe machen. Aber ich traute mich irgendwie nie so richtig, einen wirklich zu lesen.

Doch dieser Tage machte ich eine Ausnahme: »Der Anschlag« bildet den Band 2500 der Serie. Weil das ein sehr starkes Jubiläum ist, schnappte ich mir den Roman und las ihn. Um es gleich zu sagen: Ich fand ihn spannend und unterhaltsam, die Geschichte zog mich dank der wechselnden Figuren und der unterschiedlichen Schauplätze in ihren Bann.

»Um New York zu retten, muss Lassiter sterben!« steht auf der Titelseite. Das klingt ziemlich überzogen, ist aber gleichzeitig ein kleiner Spoiler auf die letzten Szenen. Natürlich stirbt der Held der Romanserie nicht, aber es geht knapp aus … Es gibt viel Action, es wird gerannt und geballert, aber auch ermittelt. (Lustig fand ich, dass die ganze Zeit »marschiert« wird, auch zu Gelegenheiten, wo ein schlichtes »ging« idealer geklungen hätte.)

Die Geschichte selbst ist recht komplex, keine typische Western-Geschichte eben. Lassiter muss in New York ermitteln, weil irgendwelche »Anarchisten« einen Anschlag vorhaben. Dabei steht ihm eine junge Agentin zur Seite, mit der er sich gleich streitet. Dass Nikola Tesla eine Rolle spielt, finde ich richtig gut – das ist originell.

Und erfreulich ist, dass Lassiter nicht gleich mit der Agentin ins Bett steigt. Sex wird trotzdem immerhin angedeutet. Aber sonst wäre es sicher kein »Lassiter«.

Seien wir ehrlich: Streng genommen ist dieser »Lassiter« kein Western. Es handelt sich um einen typischen »Jerry Cotton«-Roman, der in New York spielt und in dem der Ermittler halt kein »G-Man« ist, sondern ein Westernheld, den es in die große Stadt verschlagen hat. Ob das die typischen »Lassiter«-Fans mögen, weiß ich nicht.

Ach ja: Gratulation an die Kollegen zu den 2500 Bänden!

23 Juni 2020

Einführung eines neuen Superhelden

Ich bin ein Fan des Superhelden Batman und habe daraus nie ein Geheimnis gemacht. Und es interessiert mich auch aus beruflichem Interesse, wie man in der Kreativ-Etage bei DC Comics versucht, neue Figuren in die Serie einzuführen und bewusst neue Leser anzusprechen. Ein schönes Beispiel wurde im Frühjahr 2019 in deutscher Sprache veröffentlicht: »Batman und Signal« stellt Signal vor, eine jugendliche Figur.

Leider funktioniert das nicht ganz so, wie ich mir das vorstellte. Weil ich die aktuellen Entwicklungen des Superhelden-Kosmos um Batman herum nicht komplett kenne und mir vor allem die zahllosen Verästelungen nicht kaufe, habe ich viele Anspielungen in diesem Comic nicht verstanden. Das könnte auch anderen Lesern außer mir so gehen.

Dadurch wird die Geschichte streckenweise kryptisch. In den USA kam sie in drei Heften heraus – das hierzulande veröffentlichte Paperback enthält diese drei Hefte sowie drei Kurzgeschichten –, die man am Stück lesen sollte und die dann schon kapierbar sind.

Alle Zusammenhänge haben sich mir dennoch nicht erschlossen: Wer ist dieser Signal denn eigentlich, woher kommt er, und mit welchen Leuten steht er in Verbindung? Ständig laufen Leute durchs Bild, von denen ich noch nie gehört habe, die man aber wohl kennen sollte – alles in allem war's für mich nicht einfach.

Gut gezeichnet ist die Geschichte: jung und dynamisch, wie Superhelden-Comics heute eben sind, wenn sie sich an eine jüngere Zielgruppe richten. Manchmal ist mir der Ausdruck der Figuren zu überzogen, aber das gehört ebenfalls dazu. Und wenn man sich darauf einlässt, ist die Geschichte unterhaltsam.

Trotzdem enttäuschte mich das Paperback unterm Strich: Es wirkt frisch und modern, inhaltlich erfordert es aber offenbar ein Detailwissen zum aktuellen Superhelden-Universum bei DC-Comics, das ich einfach nicht leisten kann. Schade.

Ein Gratis-Heft zu Dagobert Duck

Ich habe mir im Verlauf der Jahre unterschiedliche Varianten Ausgaben von Don-Rosa-Comics gekauft. Deshalb werde ich mir die neueste Edition aus der Egmont Comic Collection sicher nicht zulegen: Dort kommt jetzt die »Don Rosa Library« heraus, und das ist für Fans von Donald und Dagobert Duck sicher eine positive Nachricht.

Im Rahmen des Gratis-Comic-Tages 2020 gibt es auch ein kostenloses Heft von »Onkel Dagobert und Donald Duck«, das ich mit großer Freude gelesen habe. (Die Veranstaltung ist im Mai wegen der Corona-Pandemie ausgefallen und wird demnächst nachgeholt; ich erhielt dieses Heft freundlicherweise trotzdem.) Die Geschichte trägt den Titel »Der Sohn der Sonne« und ist eine Schatzsucher-Geschichte im klassischen Stil.

Dagobert Duck hat es wieder einmal mit seinem Gegenspieler Mac Moneysac zu tun. Als alte Rivalen jagen sie einem verschollenen Inka-Schatz hinterher; die drei kleinen Neffen und Donald Duck mischen ebenfalls mit. Es gibt einige schöne Anspielungen auf eine alte Carl-Barks-Geschichte und haufenweise winzige Gags in den Bildern – das zeichnete Don Rosa schon immer aus.

»Der Sohn der Sonne« ist eine großartige Donald-und-Dagobert-Geschichte: turbulent erzählt, voller Gags, dazu hervorragend illustriert. Don Rosa verstand es immer, den »klassischen Geist« der Carl-Barks-Geschichten aufzugreifen und modern neu zu interpretieren. Dabei wurde er selbst zu einem Klassiker – und dieses Heft zeigt es wieder einmal. Klasse!

22 Juni 2020

Der surfige Soundtrack zu allerlei coolen Filmen

Ich habe die Leopold Kraus Wellenkapelle in all den Jahren nie live gesehen, was mich selbst verwundert. Dabei ist mir der Surfsound der Band aus Freiburg schon seit langem ein Begriff: Die vier Musiker lassen sich auf den Platten von Sängerinnen und Gastmusikern unterstützen und haben es geschafft, mit ihrer aktuellen Platte »So geht Musik« eine Sammlung wunderbarer Stücke zu präsentieren.

Diese Platte höre ich zur Zeit sehr häufig. Das liegt an dem schmissigen Sound ebenso wie an der originellen Note.

Manche Stücke erinnern an Filmmusik, was natürlich Absicht ist. Man fühlt sich an alte Westernfilme erinnert, an Szenen aus »Spiel mir das Lied vom Tod« und dergleichen. Die Titel passen dann auch: »Plattfuß am Texaspass« könnte der Titel eines Films mit Terence Hill sein, »Für eine Handvoll Hafer« ist eine Anspielung auf einen Clint-Eastwood-Western.

Meist bleibt die Band instrumental. Das ist immer melodisch und schwungvoll, das geht ins Ohr, wenngleich nicht unbedingt in die Beine. Mir gefallen allerdings die Stücke am besten, in denen gesungen wird. »Hab' keine Zeit, heut aufzustehen« ist beispielsweise ein kleiner Hit für all die Leute, die gerne morgens länger im Bett herumgammeln wollen. Die Gastsängerinnen sind cool, und wenn der Chor im Hintergrund gewissermaßen das kommentiert, was vorne gesungen wird, finde ich das sehr lustig.

Manchmal lässt die Band mal die Gitarren ein wenig rockern, meist aber bleibt der Sound sehr locker. Da quiekt gelegentlich die Orgel, meist singen die Gitarren, während ein dezentes Schlagwerk den Takt angibt. Alles in allem eine Platte, die wunderbar unterhält, die mich sehr schön auf den Sommer einstellt und die sich auch mehrfach hintereinander anhören lässt – das ist sehr abwechslungsreich und gelungen.

21 Juni 2020

Der altmodische Elric

In der aktuellen Ausgabe des Fanzines »Ansible« wird der britische Autor Michael Moorcock zitiert. Der Mann ist schon recht betagt und hat in den 70er-Jahren eine Reihe von echten Fantasy-Klassikern geschrieben, na ja, man könnte auch sagen, er hat sie heruntergerotzt, in einem schwindelerregenden Tempo.

Eine dieser Figuren ist Elric. Ich las die Geschichten um den Albino zu Beginn der 80er-Jahre, seither nicht mehr, habe sie teilweise aber noch sehr gut im Kopf. Die Bücher haben jeden Umzug überstanden, und irgendwann lese ich die auch wieder. Elric ist eine der echt originellen Fantasy-Figuren.

Aber aus Elric wurde nie eine vernünftige Verfilmung. Moorcock wird nun zitiert. Er habe behört, dass einige »companies« das »Elric project« aufgegeben hätten. Es erinnere sie zu sehr an »Game Of Thrones« und »The Witcher«. Moorcock bezeichnete den Vorfall dann als »a pretty irony«. Schön gesagt ...

20 Juni 2020

Penguin bringt SF-Klassiker

So etwas freut mich, wenn ich es lese: Der international auftretende Verlag Penguin Classics – der ja mittlerweile auch zur Random-House-Gruppe gehört – startet im August eine neue Reihe, die er »Penguin Classics Science Fiction« nennt. Im August sollen zehn Titel kommen, im November gleich weitere zehn.

Es sind Werke von Kurt Vonnegut und Edwin Abbott vertreten, also echte Klassiker, dazu kommt James Tiptree Jr. Der Verlag möchte aber auch unbekanntere Texte veröffentlichen und nennt ausdrücklich »two books by giants of world SF who have not often been published in English« ...

Der eine Gigant ist die argentinische Phantastik-Autorin Angélica Gorodischer, die man eigentlich kaum als SF-Autorin bezeichnen kann, die aber in Südamerika längst ein echter Klassiker ist. Der andere Gigant ist Andreas Eschbach. Sein »Haarteppichknüpfer« kommt auf die Klassiker-Liste. Das finde ich großartig!

19 Juni 2020

Brillante Science-Fiction-Idee

Es ist nur ein dünnes Buch – aber jeder Science-Fiction-Fan sollte es gelesen haben: Ich spreche von dem Kurzroman »Peking falten«, den die Autorin Hao Jingfang verfasst hat. 2016 wurde sie mit dem Hugo Award ausgezeichnet, was ich sehr respektabel finde. Dass ihre Novelle in einem Kleinverlag erscheinen ist, der wenig mit der herkömmlichen Science-Fiction-Produktion im deutschsprachigen Raum zu tun hat, wirft ein deutliches Licht auf »unsere« Szene – ich bin froh, dass der Elsinor-Verlag die gelungene Geschichte veröffentlichte.

Die Erzählung spielt in einer Zukunft, die nicht so weit von heute entfernt ist: In einigen Dutzend Jahren hat sich die Bevölkerung in Peking derart erhöht, dass man nicht mehr für alle Menschen genügend Arbeit und Wohnraum hat. Also hat man sich entschlossen, die Stadt zu dritteln: Sie faltet sich gewissermaßen, sie baut sich in regelmäßigen Abständen um. Und während sie sich umgruppiert, gehen die Menschen schlafen. Sie sind also nur wach, während ihr Drittel oben ist.

Das klingt jetzt seltsam, wird in der Erzählung aber sehr interessant und auch spannend dargestellt. (Die technischen Details verschweigt uns die Autorin, die sind aber auch nicht so wichtig, wenn es sich um eine Erzählung handelt, die sich auf gesellschaftliche Aspekte konzentriert.) Sie wird aus der Sicht eines Arbeiters geschildert, der aufgrund einer Botschaft aus dem völlig verdreckten und überfüllten dritten Sektor – in dem er hart malochen muss und nur acht Stunden am Stück wach sein kann – damit anfängt, die anderen Sektoren zu bereisen.

Er erreicht den zweiten Sektor, der ihm schon wie ein Paradies vorkommt, und den ersten Sektor, in dem Peking wie eine Parklandschaft wirkt. Überall trifft er auf andere Menschen und lernt die Lebensbedingungen kennen. In kurzen Sequenzen zeigt die Autorin die unterschiedlichen Verhältnisse dieser dreigeteilten Millionenmetropole. Damit bleibt sie, was das Innenleben ihrer Figur angeht, recht blass; der »Held« verhält sich eher emotionslos und gelassen, scheint sich über die himmelsschreienden Ungerechtigkeiten kaum zu ärgern.

Hao Jingfang ist in China eine Bestsellerautorin; ich habe aber keine Ahnung, wie ihre anderen Texte sind. »Peking falten« leuchtet vor allem durch die originelle Idee, nicht unbedingt durch die Dialoge oder den Charakter der Hauptfigur. Insofern erinnert diese Geschichte an die klassische Science Fiction, die ebenfalls vor allem ideengetrieben war.

Wer mag, kann die Geschichte als Dystopie betrachten – so machen es ja gerne Leute, die keine Lust auf Science Fiction haben –; man kann sie ebenso als Gedankenspielerei sehen. Ich halte »Peking falten« für sehr lesenswert: ein Text mit einigen Überraschungen, der sich leicht und flott lesen lässt. Und der ganz nebenbei einige aktuelle politische Themen in einer eleganten Weise behandelt …

Lohnt sich!

(Das E-Book ist übrigens unschlagbar günstig. Wer sich also nicht auf das gedruckte Taschenbuch einlassen möchte, sollte sich kurzerhand das E-Book sichern. Sowohl das E-Book als auch die gedruckte Ausgabe gibt's überall im Buchhandel, auch in meinem liebsten Shop.)

18 Juni 2020

Stradbroke Island und das Meer

Aus der Serie »Ein Bild und seine Geschichte«

Im Sommer 1991 war ich mit meiner damaligen Freundin für vier Wochen in Australien. Aus Gründen, die ich heute nicht mehr nachvollziehen kann, hatte ich davor einige Monate lang die Haare wachsen lassen. Und so sah ich mit meinem Karohemd und den Haaren fast schon so aus wie ein Grunge-Rock-Fan – um diese Zeit war diese Musikrichtung ja noch etwas recht Neues.

Unter anderem besuchten wir Stradbroke Island, direkt vor Brisbane gelegen. In der frischen, kühlen und vor allem reichlich salzigen Luft gingen wir viel spazieren, tranken mit Backpackern schlechtes Bier, sahen uns »Pretty Woman« auf Video an – damals noch sehr neu – und versuchten uns am »Whale Watching«.

Natürlich machten wir auch Fotos, wie es sich für Touristen gehört. An einem felsigen Abschnitt der Küste entstand dieses Foto, das mich in meinem damaligen Reise-Outfit zeigt.

16 Juni 2020

Endlich wieder gekiesert

Aus der Serie »Ein Bild und seine Geschichte«

Dass ich ins Kieser-Training gehe, hat nichts damit zu tun, dass ich dicke Oberarme haben möchte. Als jemand, der den ganzen Tag am Schreibtisch sitzt, ist es sinnvoll, den Rücken zu stärken. Doch die Corona-Pandemie brachte mein Training durcheinander.

Anfangs März war ich zum letzten Mal im Studio. Mir war die Situation damals zu heikel: Viele Menschen auf vergleichsweise engen Raum, mangelnde Möglichkeiten der Desinfektion, stoßweises Ausatmen bei den Übungen und so weiter. Ich fand es folgerichtig, dass dann die Fitness-Studios geschlossen wurden.

Anfangs Juni machte das Kieser-Training in Karlsruhe wieder auf, ich war heute dort. Das Sicherheitskonzept ist überzeugend und wird auch mithilfe eines YouTube-Videos präsentiert. Es wird großen Wert auf Hygiene gelegt, man kann nicht duschen – was ein bisschen nervig ist, aber derzeit nicht zu ändern –, und es herrscht weitgehend Maskenpflicht. (Es sind übrigens ausgerechnet Rentner, die das mit den Masken nicht so ernst zu nehmen scheinen.)

Ich war übrigens völlig verblüfft, dass ich nicht so schlapp war, wie ich befürchtet hatte. Offensichtlich hatte es sich ausgezahlt, dass ich in den vergangenen drei Monaten immer mal wieder Liegestütze, Bauchaufzüge und Dehnübungen gemacht hatte. Der Bauch war zumindest in diesem Vierteljahr nicht gewachsen …

Bibi Blocksberg auf Manga-Kurs

Aus der Serie »Gratis-Comic-Tag 2020«

Bibi Blocksberg ist sogar mir ein Begriff: Die kleine Hexe kann zaubern, gerät in allerlei Schwierigkeiten und ist vor allem eine Heldin für Kinder. Dass man diese Figur auch in einen Manga umsetzen kann, finde ich originell – ich bin gespannt darauf, wie das funktionieren könnte.

Zum Gratis-Comic-Tag 2020 erschien ein Gratis-Comic-Heft unter dem Titel »Bibi & Miyu«. Getextet wurde die Geschichte von der deutschen Autorin Olivia Vieweg, von der ich bislang nur einen Horror-Comic kannte, umgesetzt wurde sie von Hirara Natsume, über die ich nicht viel weiß. Und ja: Das Heft ist so gehalten, dass es die Zielgruppe eigentlich ansprechen müsste.

Bibi kann hexen, sie geht in die Schule, und dort gibt es eine neue Mitschülerin. Es ist die kleine Japanerin Miyu, und natürlich gibt es gleich Konflikte und Geheimnisse. Den weiteren Verlauf der Geschichte muss man sich selbst denken – oder sich halt die Fortsetzungen besorgen.

Ich bin nicht die Zielgruppe, und ich stelle wieder einmal fest, dass ich mit Manga-Zeichnungen meist nichts anzufangen weiß. In diesem Fall sind sie mir allesamt zu »lieb«, mit offenstehenden Mündern und überzogenen Speedlines. Aber das muss natürlich so sein, weshalb meine Kritik – das meine ich ernsthaft! – nur als die mürrische Reaktion eines alten Mannes betrachtet werden kann.

»Bibi & Miyu« macht einen ausgesprochen netten Eindruck. Wer Mangas für Kinder antesten möchte, ist bei diesem Heft von Tokyopop bei einer guten Adresse, würde ich sagen.

15 Juni 2020

Parkplatz Nummer 18

Aus der Serie »Ein Bild und seine Geschichte«

Seit wann ich auf dem Parkplatz des Verlages, in dem ich arbeite, einen »personalisierten Parkplatz« besitze, weiß ich gar nicht mehr. Das entsprechende Schild ist ganz schön verbleicht, und es ist ja nur eine Frage der Zeit, bis ich diesen Platz nicht mehr benutzen kann. Da möchte ich doch kurz an seine Geschichte erinnern.

Irgendwann im Jahr 2000 bekam ich meinen ersten Dienstwagen. Weil ich Chefredakteur geworden war, hatte ich darauf einen Anspruch. Und nach langem Hin und Her und vielen Gedanken darüber, ob das denn punkrock-kompatibel sei – ist es natürlich nicht, aber egal –, entschied ich mich dann, diesen »geldwerten Vorteil« anzunehmen.

An meiner Parksituation änderte sich nichts. Ich stellte mein Auto da ob, wo ich einen Platz fand: auf der Straße oder auf dem offiziellen Parkplatz des Verlages. Bis eines Tages der Hausmeister in meinem Büro stand. Wir duzten uns, und wir sprachen beide Dialekt. Das kann man an dieser Stelle leider nicht so wiedergeben.

»Wieso hast du eigentlich keinen personalisierten Parkplatz?«, fragte er.

»Weil ich keinen brauche«, gab ich zurück.

»Aber du bist doch Chefredakteur.«

»Na ja, ich brauch ihn trotzdem nicht.«

»Also …« Er zeigte mit dem Finger auf mich. »Dass wir uns klar verstehen: Ich schraub wieder einige Schilder an die Wand. Ich würd auch für dich eins an die Wand schrauben. Wenn du jetzt nicht ›hier‹ sagst, kriegst du nie eines.«

Ich überlegte. Für seinen Geschmack wohl zu lange.

»Ein Argument hab ich noch«, sagte er. »Sogar der ›Landser‹-Chefredakteur hat so einen Parkplatz.«

Das gab den Ausschlag. Ich stimmte zu, der Hausmeister befestigte ein Schild mit der Nummer »18«, und vor diesem stelle ich mein Auto nun seit gut zwanzig Jahre ab.

14 Juni 2020

Der Sommer mit Pauline

Ich mag französische Spielfilme, und ich mag auch viele der französischen Komödien. Keine Ahnung, warum – aber auf der anderen Rheinseite kriegen es die Leute besser hin als im deutschsprachigen Raum, witzige Filme zu machen, die einen ernsthaften Hintergrund haben. Warum ich aber im vergangenen Jahr den schönen Film »Der Sommer mit Pauline« verpasste, weiß ich nicht. Ich sah ihn mir gestern im Streaming-Portal an, man bekommt ihn aber auch als DVD – sehr empfehlenswert.

Der Originaltitel gefällt mir dabei nicht mal so gut: »Venise n'est pas en Italie« verrät ja eigentlich nur, dass es sich irgendwie um Venedig dreht. In Wirklichkeit geht's um einen Teenager, gerade mal um die 15 Jahre alt, der ein wenig schüchtern ist und mit großen Augen durch die Welt stolpert. Er schämt sich für sein Leben und seine Eltern, mit denen er in einem Wohnwagen lebt: Seine Mutter ist eine überdrehte Bio-Verkäuferin, sein Vater ein großspuriger Handelsvertreter.

Umso stärker dann der Gegensatz zu dem Mädchen, in das er sich verliebt: Sie lebt mit ihren Eltern in einem riesigen Bungalow, umgeben von einem parkähnlichen Gelände, sie spielt Cello, und ihr Vater ist ein weltberühmter Dirigent. Warum sie dann den Jungen nach Venedig einlädt, spielt hier erst einmal keine Rolle; wichtig ist, dass seine peinliche Familie mit dem Wohnwagen nach Italien aufbricht.

Was erzählt wird, ist die Geschichte von sozialen Gegensätzen: hier die stinkreiche Familie des Mädchens, kulturbeflissen und schick, dort die »proletige« und sich ständig streitende Familie des Jungen, in der laut gesungen wird und man sich mit Tricks durchs Leben schlägt. Das ist streckenweise echt witzig, manchmal aber auch ein wenig traurig.

Ich fand den Film toll (es handelt sich übrigens um eine Literaturverfilmung) und bedauere, ihn nicht im Kino gesehen zu haben. Beim Marketing scheint einiges schiefgelaufen zu sein – so findet sich im Netz auf den ersten Blick kein deutschsprachiger Trailer –, was einiges erklärt. Die Liebesgeschichte ist melancholisch und witzig, vor allem auch deshalb, weil andere Paare quasi dagegen gestellt werden: die jeweiligen Eltern, aber auch der große Bruder, der sich ein wenig als »Aufreißer« gebärdet...

13 Juni 2020

Man wird ja wohl noch träumen dürfen

Dass sich Politiker immer wieder als bestechlich erweisen oder dass herauskommt, wie sehr sie in manipulative Umtriebe der Wirtschaft verwickelt sind, ist ja leider nichts, das mich überrascht und zu sehr aufregt. Deshalb kann ich mich über die aktuellen Themen kaum ärgern: In meiner Wahrnehmung sind Politiker vor allem der sogenannten großen Parteien immer in Gefahr, von Lobbyisten und anderen Gruppierungen beeinflusst zu werden.

Gelegentlich erwacht in mir da der jugendlich-naive Kleinstädter, der ich einmal war. Ich wünsche mir, dass die Politik dem Gemeinwesen dient und auch der Politiker sich für das Gemeinwesen engagiert. (Hab ich mal erzählt, dass ich Mitglied in der Sozialdemokratischen Gemeinschaft für Kommunalpolitik war? Oder so ähnlich. Das ist lange her.) Leider ist es so, dass ich praktisch keinem Politiker mehr glaube, vor allem, wenn er irgendwas mit einem »aufrichtigen Unterton« oder mit einem klar formulieren »ehrlich« präsentiert.

Nur weiß ich nicht, was die Alternative ist. Irgendwann in den späten 80er- und dann in den 90er-Jahren habe ich massiv für »Anti-Politik« argumentiert, für Wahlenthaltung mich ausgesprochen oder das Abgeben ungültiger Stimmen, habe mich auch aus unterschiedlichen Gründen in der Anarchistischen Pogo-Partei Deutschlands (APPD) engagiert. Verwirrenderweise kippte die nach einiger Zeit ebenfalls in so ein politisch-grausiges Fahrwasser ab, zumindest in Teilen.

Das Beharren auf ein »ich bin unpolitisch« kann es nicht sein. Also schleppe ich mich regelmäßig zur Wahl, mache meine Kreuzchen, freue mich ein wenig darüber, wenn nicht immer nur die Christdemokraten ihre Mehrheiten holen, und verachte ansonsten die Menschen, die in der Politik tätig sind. Aber das kann es ja kaum sein.

Vielleicht sollte ich wieder mehr träumen: von korrekten Politikern, von sauberen Systemen, von einer kritischen Öffentlichkeit, die gehört wird, von Diskussionen mit Hirn und Herz. Das ändert vielleicht nichts, aber es mag mir persönlich besser gehen ...

12 Juni 2020

Abrechnung mit Jane Collins

Bei den Hörspielen der »John Sinclair«-Serie versuchen die Macher etwas, das bei den originalen Heftromanen nie eine sonderliche Rolle spielte: Sie bringen eine gewisse Kontinuität ins Geschehen ein. Konkret heißt das, dass sich Geschichten über mehrere Folgen ziehen, dass das einzelne Hörspiel zwar in sich abgeschlossen ist, dass es aber zu einem Zykluskonzept gehört.

Das ist beim einhundertelften »John Sinclair«-Hörspiel nicht anders. Dieses trägt den Titel »Abrechnung mit Jane Collins«, ist der zweite Teil eines Zweiteilers und gleichzeitig – wie es scheint – der Abschluss eines größeren Handlungsbogens. Die im Titel genannte Dame war nämlich einst eine Geliebte des großen Geisterjägers, bevor sie sich auf die Seite der Dunklen Mächte schlug. Nun geht es darum, sie möglicherweise zu den Guten zurückzuholen.

Wie immer bin ich sehr davon angetan, wie Stimmen und Geräusche vermengt werden, wie Spannung aufgebaut wird und sich so eine Geschichte entwickelt, die mich fesselt. Den Hintergrund mit der Hexenwelt muss man nicht verstehen – man darf ihn ja auch nicht ernst nehmen –, die vielen Monster und Dämonen sowieso nicht. Streng genommen wird hier ja eine Beziehungsgeschichte erzählt.

Das klingt jetzt vielleicht ironisch, ist von mir aber durchaus ernst gemeint. »John Sinclair« ist etwas, mit dem ich mich nie so richtig anfreunden konnte. Im Gewand gut gemachter Hörspiele mag ich aber die Geschichten um den heldenhaften Geisterjäger durchaus ...

10 Juni 2020

Der Tango und die Schriftstellerei

Die Schriftstellerei und alles, was damit zusammenhängt, werden in der Öffentlichkeit immer wieder seltsam dargestellt. Das bemerkte ich, als ich unlängst den französischen Spielfilm »Man muss mich nicht lieben« anschaute. Der Film ist gut, streckenweise sehr traurig und nur selten witzig, geprägt von ruhigen Einstellungen und richtig guten Dialogen – aber darum geht's mir gar nicht.

Die Hauptfigur ist ein alternder Gerichtsvollzieher, der weder mit seinem Vater noch mit seinem Sohn so richtig klarkommt und seinen Beruf eigentlich auch eher blöd findet. Er entscheidet sich aus gesundheitlichen Gründen für einen Tangokurs und lernt dort eine Frau kennen, die fast zwanzig Jahre jünger ist als er. Der Freund der jungen Frau ist Autor, sprich, er schreibt ständig oder tut zumindest so – und weil er wegen seiner Schriftstellerei nichts gebacken bekommt, kommt es zu einem Techtelmechtel zwischen der jungen Frau und dem Gerichtsvollzieher; der Tango macht es halt möglich.

Entscheidend ist aber, dass der Schriftsteller nichts gebacken bekommt. Er sitzt da und wartet darauf, dass ihn die Muse küsst. Immerhin küsst ihn anfangs noch die Freundin, die beiden wollen ja eigentlich heiraten. Sie schwört ihn auch ein und sagt, sein Buch werde auf jeden Fall großartig. Aber er bekommt es nicht hin. Er sitzt da und quält sich mit den ersten Kapiteln herum.

Wir lernen aus einem solchen Film. Schriftstellerei hat viel damit zu tun, dass man lange nachdenkt und jammert und klagt. Und dann wundert man sich am Ende, dass die attraktive Frau mit einem Mann etwas anfängt, der wirklich sehr grau aussieht und einen kreuzlangweiligen Beruf ausübt … Auf einmal bekommt so ein Gerichtsvollzieher mehr Sex Appeal als ein Schriftsteller.

Ich bin dann doch heilfroh, dass ich nur Gelegenheitsautor bin …

Ein besonderer Blick auf Street Art

Seit über zehn Jahren ist Street Art ein Thema, das nicht mehr nur von eher obskuren Randgruppen als wichtig erkannt wird. Es schlägt sich in vielen Büchern nieder und wird immer stärker auch von der Kunst-Szene erkannt.

Nach wie vor finde ich Kunst, die einem mitten in einer Straße vor die Augen geknallt wird, nicht langweilig; meist spricht sie mich an oder bringt mich dazu, innezuhalten und mir etwas genauer anzuschauen. Spannend ist dann aber, wenn es ein Buch schafft, ungewöhnliche Sichtweisen zu erschließen.

Ein Beispiel dafür ist »Liebe«, ein Buch von Claudia Herrmann. Der Untertitel »Street Art in Berlin« macht klar, aus welcher Stadt die Aufnahmen sind. Die Autorin ist – trotz des Namens – gebürtige Mexikanerin und wohnt in Berlin; sie hat aufgrund ihrer Herkunft sicher einen anderen Blick auf die Kunstwerke ihrer aktuellen Heimatstadt.

Das zeigt sich auch in dem Buch, das schon vor einigen Jahren im Hirnkost-Verlag erschienen ist, das man aber immer noch mit Genuss durchblättern kann: als Hardcover im kleinen Querformat, was die Bilder aber schön zur Geltung bringt. Die Texte sind in englischer und deutscher Sprache, sie geben Hinweise zu den Örtlichkeiten, schildern auch ein wenig die Hintergründe zu Künstlern, Bauwerken und Straßen.

Dann aber lassen sie eh die Bilder für sich sprechen. Sie zeigen ungewöhnliche Szenen, mal schnell hingeworfene Elemente, dann wieder große Kunstwerke. Manche Fotos wirken an sich schon künstlerisch, andere wiederum, als hätte die Fotografin aus dem Handgelenk abgedrückt. Damit entsteht zugleich ein Porträt von Berlin, wie man es nicht so oft erhält.

Der Hardcover-Band ist 160 Seiten stark und meiner Ansicht nach immer noch empfehlenswert. Nicht nur für Kunstfreunde, sondern auch für Menschen, die einen ungewöhnlichen Blick auf eine längst bekannte Stadt schätzen.

09 Juni 2020

Ein Comic-Roman über den Ersten Weltkrieg

Während in Deutschland nach wie vor der Zweite Weltkrieg das historische Thema schlechthin ist – natürlich auch wegen der monströsen Verbrechen der Deutschen in dieser Zeit –, ist in Frankreich der Erste Weltkrieg von großer Bedeutung. Kein Wunder: Vier Jahre lang tobte der Krieg mitten im Land, wurde in erbittertem Stellungskrieg um jeden Meter gekämpft, verloren Millionen von Menschen mitten in Frankreich ihr Leben.

Mit der Comic-Serie »Krieg der Knirpse« legte der deutschsprachige Panini-Ableger einen Fünfbänder vor, der den Ersten Weltkrieg aus der Sicht von Kindern und Jugendlichen erzählt. Dabei wird kein Augenmerk auf den Frontverlauf gelegt, die großen Schlachten spielen keine Rolle. Es geht darum, wie sich ganz normale Menschen verhalten, wenn Teile ihres Landes besetzt ist und der Krieg weite Teile der Heimat verheert.

Hauptfiguren der fünf Bände sind vier Waisenkinder, allgemein als die »Lulus« bezeichnet – jeder von ihnen hat einen Namen, der mit »Lu« anfängt. Als der Krieg ausbricht, wird das Dorf, in dem sie leben, von den Deutschen überrollt. Die Jungs freuen sich zuerst über die Freiheit – weil alle Erwachsenen geflohen sind, können sie tun und lassen, was sie wollen –, müssen sich dann aber immer häufiger unter großen Problemen durchschlagen.

Von Régis Hautière stammen die Texte und das Konzept; der Autor hat schon mehrere Comics veröffentlicht, ist also kein unbekanntes Blatt mehr. Er zeigt seine Kinder und Jugendliche sehr glaubhaft, verzichtet auf Nationalismen – in einem Album freunden sich die Jugendlichen sogar mit einem deutschen Deserteur an – und lässt die wirkliche Brutalität des Krieges im Hintergrund. Er zeigt dennoch, wie ein Krieg die Menschen verändert und wie schwer es ist, sich seine Menschlichkeit zu bewahren.

Als Zeichner war mir Hardoc (bürgerlich: Vincent Lemaire) vorher nicht bekannt. Seine Bilder sind nicht unbedingt realistisch, haben aber ebensowenig einen reinen Funny-Charakter. Sie passen zum weiten Feld des frankobelgischen Abenteuer-Comics, wirken aber eigenständig genug. Die Kriegshandlungen, die eh meist im Hintergrund spielen, werden realistisch dargestellt, die Toten inklusive. Wenn es darum geht, die Kinder und Jugendlichen zu zeigen, wirkt das Ganze deutlich verspielter.

Insgesamt ist »Krieg der Knirpse« sehr gelungen. Die Geschichte zieht einen in den Bann, man kann sie kaum eindeutig in ein Genre pressen, und die schönen Hardcover-Alben machen sich gut im Regal. Den schönen Fünfteiler aus dem Hause Panini kann ich also leichten Herzens empfehlen!