31 Januar 2023

Verschwundene Störche und kleine blaue Männchen

Ich liebe die Schlümpfe, seit ich zum ersten Mal einen Comic mit den kleinen blauen Männchen gelesen habe. Wie es sich für einen »Alt-Fan« gehört, finde ich vor allem die alten Geschichten toll, muss aber feststellen, dass auch die neuen Geschichten ihren Reiz haben.

Vor einiger Zeit – ein dehnbarer Begriff … – erschien bei Toonfish schon Band 38 der Reihe »Die Schlümpfe«; der Band trägt den Titel »Die Schlümpfe und die verschwundenen Störche«, womit ja die Geschichte schon fast erzählt ist. Tatsächlich geht es darum, dass Störche verschwinden, und mit denen reiten die Schlümpfe ja immer wieder.

Man stellt fest, dass sie von Menschen gefangen gehalten werden. Man startet eine Rettungsmission, und die ist durchaus erfolgreich. Am Ende sind alle glücklich und zufrieden, nur der blöde Zauberer Gargamel hat seine Strafe erhalten …

Klar: Das ist eine Comic-Geschichte für Kinder, sie ist recht einfach gehalten, aber eben nicht blöd. Alain Jost und Thierry Culliford haben sichtlich nicht den Ehrgeiz, den manchmal subversiven Charakter der alten »Schlümpfe«-Geschichten, in denen es ja auch um Obrigkeit oder Sprachenstreit ging, aufleben zu lassen. Sie erzählen eine Kindergeschichte, und das gelingt sehr gut, nicht zuletzt wegen der sauberen Grafik von Miguel Diaz Vizoso, die sich komplett an den Klassikern orientiert.

Trotzdem ist die Geschichte nicht ohne Reiz für die Gegenwart. Schlumpfine – das einzige »Mädchen« im Dorf der Schlümpfe – muss auch diesmal mit ihrer Rolle als Frau klarkommen und sich gegen die »Jungs« durchsetzen. Und ganz nebenbei wirbt der Comic dafür, dass Tiere in Freiheit einfach glücklicher sind als in Gefangenschaft.

Es gibt also tatsächlich eine Botschaft, vielleicht sogar zwei Botschaften, die sich an die Comic-Kinder richtet. So unpolitisch sind die »Schlümpfe« von heute also dann doch nicht …

30 Januar 2023

Ich war in der Outlet City

Irgendwann war es ein Geheimtipp: Man müsse auf die Schwäbische Alb fahren. Dort gebe es in der kleinen Stadt Metzingen einen Fabrikverkauf von Hugo Boss, und dort könnte man billige Anzüge mit leichten Fehlern kaufen. Der Tipp wurde einem Schwaben wie mir natürlich zugespielt, aber ich ging lange Zeit nicht darauf ein.

Irgendwann war es doch so weit: Ich brauchte für die Arbeit einen neuen Anzug, vor allem wegen der Buchmessen und wichtigen Terminen, wo es sich empfahl, mit Anzug und Krawatte zu erscheinen. Lederjacke und zerrissene Hosen galten in »Business-Kreisen« nicht als schick – das könnte sich mittlerweile geändert haben –, und so hatte ich mich anzupassen.

Und weil ich die Beratung in einem Geschäft für Herrenmode in Karlsruhe unfassbar schnöselig und schlecht fand, fuhren wir nach Metzingen. Es war der Sommer 2002. Ich parkte am Rand einer Wiese, es standen einige eher schäbig wirkende Fabrik- oder Lagergebäude herum, und die Bauten sahen im Innern eher schlicht aus: irrsinnige Mengen von Klamotten an der Stange, ein heilloses Durcheinander, keinen Hauch einer Beratung, eine zu geringe Zahl an Umkleidekabinen.

Dass das alles gut zwanzig Jahre alt ist und sich seither viel verändert hat, bemerkten wir vor einigen Wochen. Wir fuhren, weil es sich ergab, mal wieder nach Metzingen, ausgestattet mit einem klaren Konzept: schnell in den Laden rein, schnell einkaufen, zahlen und entfleuchen. Mir ging es um neue Hemden und Schuhe, eine neue Pfanne für die Küche brauchten wir ebenfalls.

Von dem, was ich antraf, war ich verblüfft. Am Rand von Metzingen hatte sich tatsächlich eine Outlet City entwickelt, ein Viertel, das nur fürs Einkaufen gedacht war. Die Geschäfte gruppierten sich um Plätze und entlang von Straßen; man konnte das Auto im Parkhaus abstellen, und sogar für das leibliche Wohl wurde in vernünftiger Weise gesorgt. Was fehlte, war noch eine ordentliche Buchhandlung, aber man kann ja nicht alles haben.

Keine Ahnung, wann ich das nächste Mal nach Metzingen fahre. Ich bin sicher, dass es nicht noch einmal zwanzig Jahre sein werden. So effizient habe ich selten Klamotten gekauft …

27 Januar 2023

Kein Stift zur Hand

Immer wieder sehe ich Schilder im öffentlichen Raum, bei denen meine Hand zu zucken anfängt. Ich möchte einen dicken Filzstift aus meiner Tasche ziehen und etwas korrigieren. Es ist gut, dass ich solche Filzstifte nicht mehr mit mir herumführe; das war in früheren Jahrzehnten deutlich anders.

Bei diesem Schild war ich zuerst verwirrt, dann zuckte ich, dann war ich wieder verwirrt. Was genau hätte ich denn korrigieren wollen? Das »kalten« gegen »niedrigen« austauschen? Die »Temperaturen« durch ein schlichtes »Wetter« ersetzen? Schlicht das »e« bei der »Türe« wegstreichen, weil das nach der Rechtschreibreform des Jahres 1907 oder so riecht?

Knifflig. Ich hab’s gelassen. Sollen sich andere über das Schild wundern – und über das seltsame Bild.

Rein inhaltlich ist das ja korrekt: Wenn es richtig kalt ist, empfiehlt es sich, auch Zwischentüren geschlossen zu halten. Aber dafür brauche ich nicht unbedingt eine Beschilderung.

26 Januar 2023

Kurzer Nachruf auf EDM

Wie ich diversen Internet-Hinweisen entnehmen konnte, ist Eckhard D. Marwitz vor genau einem Monat – also am 26. Dezember 2022 – gestorben. Ich weiß weder die Gründe für seinen Tod, noch habe ich genügend biografische Daten über ihn, um einen vernünftigen Nachruf über ihn zu schreiben. Dabei kannte ich ihn seit den frühesten 80er-Jahren.

Eckhard D. Marwitz war schon davor seit vielen Jahren als aktiver Science-Fiction-Fan in der Szene unterwegs. Sein Augenmerk galt dabei weniger der Science Fiction als der Szene an sich: Er schrieb ironisch oder auch polemisch über Fans und ihre Aktivitäten, zeigte ihre Schwächen auf und versuchte dem Fandom immer wieder Impulse zu geben.

Ganz zu Beginn fand ich seine Aktivitäten unverständlich. Was sollte das? Was sollten diese englischsprachigen Begriffe? War es denn wichtig, ob jemand »sercon« oder »fanish« war? Hatte es eine Relevanz, ob sich jemand FIJAGH (»Fandom is just a goddamn Hobby«) oder FIAWOL (»Fandom is a Way of Life«) auf seine Fahnen schrieb?

Im Verlauf der Jahre lernte ich ihn kennen. Wir waren nie Freunde, unser Verhältnis blieb distanziert. Ich war sehr stolz, als er mal ein ganzes Fanzine – gefühlt natürlich nur – über mich verfasste und schrieb, dass ich der einzige deutschsprachige »VolDes-Fan« sei. Ein Fan also, der mit viel Vergnügen die guten Absichten anderer Fans lächerlich macht.

(Die Definition von »VolDes« wechselte; meine liebste war natürlich die mit »violent and destructive«. Heute würde ich das anders beurteilen. Aber hey, das waren die 80er-Jahre ...)

Als ich beruflich mit der Science Fiction zu tun hatte, was schon seit dreißig Jahren der Fall ist, wurde unser Verhältnis distanzierter. Man sah sich auf Cons, man grüßte sich. Eckhard produzierte weiterhin seine Fanzines, die ich teilweise spannend fand, die mir teilweise aber sektierisch vorkamen. Für ihn war ich wohl so etwas wie ein Verräter, auch wenn er das nie so ansprach.

In meinem Kopf gehörten wir zur gleichen Szene. Seine Fanzines halte und hielt ich in Ehren. Sein Einfluss auf das Fandom war vielleicht nicht so groß; für viele Science-Fiction-Fans der 70er- und 80er-Jahre war er aber eine zentrale Figur, die fannisches Engagement stets unterstützte. Dass er verstorben ist, betrachte ich als einen Verlust.

Die erste EP von Idiots Rule

Vier junge Männer machen rotzigen Hardcore-Punk ohne Metal-Anleihen und Emo-Gejammer, immer voll auf die Zwölf geknallt und ohne auch nur einen Ansatz zum Schunkeln: Die erste Platte von Idiots Rule – die Band kam aus dem Großraum Hannover – wurde 2007 von Hate Records veröffentlicht und passt wie die Faust aufs Auge zu diesem Label. Und so ein Gebolze kann ich mir immer wieder anhören.

In sechs Stücken poltert die Band durch den Gemüsegarten. Das Schlagzeug, die Gitarre und der Bass rattern, der Sänger brüllt dazu, die Melodien sind schroff und werden rausgerotzt. Das hört sich an wie ein heilsames Gewitter und ist schnell rum, gefällt mir aber deshalb so gut, weil es bei aller Heftigkeit trotzdem abwechslungsreich ist.

Die Texte sind knapp und knallig, mal in englischer, mal in deutscher Sprache: »angepasst und moderat / buckeln, buckeln, Tag für Tag / das ganze Leben aufgeräumt / nie erreicht, was du erträumt.« Da bleiben keine Fragen offen. Klassisch und klar!

25 Januar 2023

Eine Vampirin im All

Der Roman erschien bereits Ende Dezember 2021, ich las ihn im Sommer 2022, komme jetzt aber erst dazu, etwas über ihn zu schreiben. Die Rede ist von »Ilka McCree – Tochter aus blutigem Hause«, der von V. A. Kramer verfasst worden ist. Die Autorin stammt aus Karlsruhe, wir kennen uns nur von zwei kurzen Begegnungen her und aus Sozialen Netzwerken.

Aber hier soll’s eh um V.A. Kramers Roman gehen. Es ist ihr Debut, sie hat darüber hinaus Kurzgeschichten veröffentlicht. Hauptberuflich verdient sie ihr Geld mit Schreiben, und ihren Roman hat sie im Selbstverlag veröffentlicht. Es handelt sich um lupenreine Science Fiction nach klassischem Muster: mit Raumschiffen, die durchs All fliegen, mit fremden Welten und auch mit Außerirdischen.

Das Ganze frischt die Autorin allerdings mit Elementen auf, die eigentlich aus dem Western stammen oder die man eher im Horror-Roman vermuten würde. Wer ihren Roman als einen Genre-Mix bezeichnet, hat damit sicher recht. Das war dann auch – ich gebe es offen zu – eines meiner Probleme, die ich mit Ilka McCreee und ihrem eigentlich sehr turbulenten Weltraum-Abenteuer hatte.

Der Roman spielt einige hundert Jahre in der Zukunft, die Zeit ist nicht genau definiert. Die Menschen haben sich in der Milchstraße ausgebreitet und Welten besiedelt, sie sind auf Außerirdische gestoßen und haben diverse Konflikte überstanden.

Die Hauptperson des Romans trägt den Namen Ilka McCree, hat eine militärische Vergangenheit und verdingt sich als Kopfgeldjägerin. Darüber hinaus ist sie eine Blutsaugerin – alles in allem eine ungute Kombination. Als sie eine junge Frau gegen deren Willen zu ihrem Vater zurückbringen soll, bringt das eine Kette von Ereignissen mit sich, die am Ende zu einer knalligen Konfrontation führen.

Es handelt sich bei diesem Roman offenbar um den Anfang einer Serie. Das Universum wird vorgestellt, die wichtigsten Völker und Planeten werden von der Autorin angedeutet, die Hauptperson wird plastisch in die Serie eingeführt. Es gibt viel Action, bei der auch mal das Blut spritzen darf, haufenweise lakonische Dialoge und eine Reihe von kosmischen Geheimnissen.

Ich fand’s unterm Strich nicht schlüssig genug. Mir war Ilka McCree als Hauptfigur zu flach, während ich den Genre-Mix aus Western, Horror und Science Fiction nicht glaubhaft fand. Das verleidete mir dann auch die an und für sich zielstrebige und bunte Handlung. Zu viel kam mir unterm Strich zu bekannt vor, zu wenig originell.

Wer eine neue deutschsprachige Autorin entdecken möchte und vor einem knalligen Genre-Mix nicht zurückschreckt, für den könnte der Roman trotzdem eine Empfehlung sein. Man bekommt ihn bei diversen Versendern, sowohl als E-Book als auch in gedruckter Form; auf den jeweiligen Shop-Seiten stehen auch Leseproben zur Verfügung.

24 Januar 2023

Großartiger und witziger Comic-Band

Der Comic-Künstler Flix ist mir seit vielen Jahren ein Begriff. Er fing in Publikationen mit kleiner Auflage an, wurde im Verlauf der Zeit immer populärer und sorgte vor allem 2018 für Aufsehen, als er eine deutschsprachige Adaption des französischen Comic-Klassikers »Spirou« schrieb und zeichnete. Im Sommer 2022 erschien mit »Das Humboldt-Tier« sein aktuelles Buch – für mich einer der besten Comics des Jahres 2022, ein großartiges Stück Unterhaltung!

Die Geschichte beginnt im 19. Jahrhundert und mit Alexander von Humboldt. Der Forschungsreisende, den Flix wunderbar darstellt, sammelt Tiere, Pflanzen, kulturelle Gegenstände oder schlicht Steine und schickt sie nach Hause. Unter anderem stöbert er im Dschungel des südamerikanischen Landes Palumbien allerlei Dinge auf, die er in Kisten verpacken lässt.

Es dauert aber lange Zeit, bis sie – mehr aus Versehen – geöffnet werden. Ausgerechnet in Berlin während der beginnenden Nazi-Diktatur wird ein geheimnisvolles Wesen zum Leben erweckt. Es ist das Marsupilami, ein geflecktes Tier mit ungeahnten Fähigkeiten und einem langen Schwanz, den es Waffe sowie als Spielgerät benutzen kann. Das kann in einer Stadt im Umbruch nicht gut gehen, auch wenn ein kleines Mädchen sich als bester Freund des Tieres erweist …

Flix gelingt mit seinem Comic ein wunderbarer Spagat. Auf der einen Seite wimmelt es i von haarsträubenden und echt albernen Gags, die aus der Perspektive der kindlichen Heldin überzeugend vermittelt werden. Auf der anderen Seite zeigt er die Spießigkeit einer Berliner Mietskaserne ebenso wie die Anfänge des nationalsozialistischen Terrors. Das fügt sich in diesem Comic so geschickt zusammen, dass ich nur bewundernd meinen nicht vorhandenen Hut ziehen kann.

Das ist erzählerisch wie zeichnerisch meisterhaft gemacht. Flix beherrscht auch den Gegensatz zwischen niedlich wirkenden Bildern, die kindgerecht wirken, und dynamischen Szenen, in denen die Lust am Chaos vorherrscht – das alles vereint er auf amüsante Weise. Er setzt das Marsupilami hervorragend ins Bild, er zeigt das Tier in Bewegung und voller anarchistischem Humor. Und bei aller Turbulenz vergisst er nicht, immer mal wieder eine ruhige Sequenz einzubauen.

»Das Humboldt-Tier« ist ein Comic, bei dem es sich lohnt, einen Blick hineinzuwerfen. Flix schafft es, den frankobelgischen Comic-Klassiker ins Berlin der dreißiger Jahre zu verlegen, ohne dass dies auch nur ansatzweise aufgesetzt oder gar peinlich wirkt. Großartig!

Die »normale« Hardcover-Ausgabe dieses Comic-Bandes ist 72 Seiten stark, kostet 16,00 Euro und kann mithilfe der ISBN 978-3-551-78168-0 überall im Buch- und Comicfachhandel bestellt werden. Versender wie der PERRY RHODAN-OnlineShop liefern es ebenfalls.

Wer mag, kann sich die limitierte Deluxe-Ausgabe sichern – etwa als Weihnachtsgeschenk: Diese hat 132 Seiten in schöner Ausstattung und kostet 59,00 Euro. Zu diesen Ausgaben gibt es auf der Internet-Seite des Carlsen-Verlages weitere Informationen; dort gibt es zudem Hintergründe zum Zeichner und seinen Vorbildern.

(Diese Rezension erschien vor zwei Wochen etwa auch auf der Seite der PERRY RHODAN-Redaktion. Ich wiederhole sie hier vor allem zur Dokumentation.)

Sehr klassisch wirkender Science-Fiction-Comic

Es ist ein Szenario, das man als Science-Fiction-Leser kennt: Die Menschheit hat sich in der Galaxis ausgebreitet und viele Planeten besiedelt. Manche dieser Welten sind in Vergessenheit geraten, auf ihnen haben sich eigenständige Kulturen entwickelt. Und Stück für Stück nehmen Botschafter des menschlichen Sternenreiches nun Kontakt zu den verschollenen Welten auf.

Eine dieer Welten ist Almagiel. Dort herrschen die sogenannten Master mithilfe eines brutalen Systems über ein Volk von Sklaven. Es gibt zwar ein Parlament, das aber nur für die Master zur Verfügung steht. Die normale Bevölkerung schuftet unter primitiven Bedingungen in Sümpfen und Bergwerken, angetrieben von Peitschen, misshandelt und vollkommen rechtlos. Trotzdem will die sogenannte Sternenbruderschaft auch Almagiel in ihren Bund aufnehmen, man schickt einen Agenten.

Doch Marce, so der Name des Agenten, fällt einer Intrige zum Opfer und landet in einem brutalen Straflager. Dort findet er allerdings in Jatred einen Freund. Die beiden Männer lernen das brutale System der Unterdrückung kennen, versuchen zu fliehen und rebellieren gegen die Herrschaft der Master.

Damit ließe sich die Handlung des Comics »Horlemonde« zusammenfassen, der auf Basis eines französischen Science-Fiction-Romans entstanden ist. Hierzulande erschien er in einem dicken Hardover-Album, das die zwei Originalbände zusammenfasst. Das Buch sieht gut aus, mich hat es allerdings nicht begeistert.

Patrick Galliano liefert als Szenarist eine spannende Geschichte, die wie ein Heftroman aus den 70er-Jahren anmutet: eine primitive Welt mit archaischen und brutalen Sitten, ein heldenhafter Kämpfer gegen das Böse, ein galaktisches Imperium mit geheimnisvollen Regeln. Entsprechende Romane wurden in früheren Jahrzehnten haufenweise veröffentlicht; mir erschien es unterm Strich als zu wenig originell. Das hatte ich alles schon mehrfach gelesen.

Auch mit der Optik hatte ich meine Schwierigkeiten. Cédric Peyravernay gestaltet die Szenerie durchaus eindrucksvoll: Die Natur ist ebenso drastisch wie düster, die technischen Einrichtungen wirken wuchtig und bedrohlich. Die Figuren hingegen machen oft einen steifen Eindruck, die Gesichter sind maskenhaft. Das mag Absicht sein, weil es zu der etwas altmodischen Geschichte passt, gefiel mir aber nicht sonderlich.

So bleibt mit »Horlemonde« ein Science-Fiction-Comic, der gut unterhält, mich aber nicht überzeugen konnte: weder von der Erzählweise noch von der Optik her. (Ich rate übrigens dazu, diese Rezension einfach selbst zu überprüfen – auf der Internet-Seite des Splitter-Verlages steht eine kostenlose Leseprobe zur Verfügung.)

23 Januar 2023

Ein Tango-Abend im Tempel

Ich war zuletzt im Februar 2020 auf einem Konzert, dann kam bekanntlich die Pandemie. Dass ich die Konzert-Saison im Januar 2023 ausgerechnet mit einem Tango-Abend einleiten sollte, war so nicht geplant. Aber ich war mächtig gespannt darauf, was mich am Samstagabend, 21. Januar, im Tempel in Karlsruhe erwarten würde – immerhin ging es zu einem Tango-Abend.

Es trat das Orquestra de Señoritas aus Argentinien auf; da bei dieser Gruppe eine Frau mitspielt, die ursprünglich aus dem Raum Karlsruhe stammt, kam ich zu einer Einladung. Es waren vielleicht 200 Leute anwesend, und ich wunderte mich anfangs, warum die Sitzgelegenheiten alle am Rand waren und ein riesiger Raum zwischen der Bühne, den Stühlen und der Bar frei blieb.

Aber klar: Es war Tango-Abend, und die Leute wollten tanzen.

Das taten sie auch. Vom ersten Takt an schoben sich die Paare über die Tanzfläche. Mir kam das zeitweise sehr streng und konzentriert vor, bei manchen Leuten sah das aber echt gut aus. Wobei es ja zur Musik passte.

Die Band bestand aus fünf Frauen – normalerweise sind es sechs, aber man musste während der Tour kurzerhand umbesetzen und holte sich in Paris als Übergangslösung einen Mann ins Boot – aus Argentinien, die mit Streichinstrumenten, Klavier und Gesang allerlei Tango-Stücke präsentierten. Sie waren mal langsam und traurig, dann wieder ein wenig flotter. Einige Stücke wurden als Walzer angekündigt und kamen auch einem Walzer – wie ich das verstehe – recht nahe, wobei die Leute trotzdem Tango dazu tanzten.

Gelegentlich wurden die Texte ins Deutsche übersetzt, es gab sogar den Vortrag eines Gedichtes. Die Texte waren stark feministisch und bezogen klar Stellung zur Lage der Frauen in Argentinien und sonstwo auf der Welt. Das war alles in allem mal ganz anders, mit einer guten Stimmung und viel Applaus. Ich langweilte mich nicht, trank einige Biere, unterhielte mich in den Pausen und danach gut – es war also alles in allem ein typischer Konzertabend, nur halt mit anderer Musik als sonst üblich.

Eine positive Utopie mit Künstlicher Intelligenz

Aktuelle Romane, in denen eine Künstliche Intelligenz thematisiert wird, gibt es häufig. Meist sind sie negativ angelegt: Die Autorinnen und Autoren warnen davor, welche Macht ein solcher »Superrechner« einnehmen könnte und was es für die bürgerlichen Rechte bedeutet, wenn immer mehr Kompetenzen an Computer abgegeben werden. Die Autorin Theresa Hannig schlägt einen ganz anderen Weg ein: Ihr Science-Fiction-Roman »Pantopia« spielt in einer nahen Zukunft und entwickelt tatsächlich eine Utopie, wagt also einen positiven Blick in die kommenden Jahrzehnte.

Das macht die Autorin gleich zu Beginn klar. Der Roman beginnt mit einem Prolog, der zugleich ein Monolog ist, gesprochen von Einbug – das ist der Name der Künstlichen Intelligenz, deren Entstehung und Entwicklung der Kern des Romans ist. Wobei diese Entwicklung nicht als geplant dargestellt wird …

Zwei Programmierer aus Deutschland bekommen die Chance ihres Lebens, als sie gemeinsam mit der Arbeit an einer umfangreichen Software beginnen. Diese soll eigentlich dazu da sein, an der Börse möglichst schnell und einfach – und vor allem selbständig! – Geld zu verdienen. Damit das Programm das gewünschte Ziel erreichen kann, muss es in der Lage sein, sich nicht nur in allerlei Sozialen Netzwerken umzuschauen, sondern auch verstehen, wie Menschen handeln und sich verhalten.

Dabei entsteht offensichtlich ein Fehler, ein »Bug« also, und von diesem leitet das immer selbständiger vorgehende Programm seinen Namen ab: Es nennt sich Einbug.

Was in der Zusammenfassung vielleicht arg schlicht klingt, wird von der Autorin sehr klar und nachvollziehbar geschildert. Sie zeigt die Entwicklungsprozesse der Künstlichen Intelligenz, wobei sie teilweise ganz schön ins Detail geht. Da sie aber meist so erzählt, dass ich als Leser an den Gedanken und Taten der zwei Hauptfiguren teilnehmen kann, bleibt das alles stets verständlich. Man erkennt, warum sich Einbug so verhält und warum aus einem anfangs harmlosen Computerprogramm irgendwann einmal eine Agenda zur Rettung der Welt entsteht.

Da verlässt die Autorin den Bereich der »Gegenwartsliteratur« und steigt in die Utopie ein. Ein Staat wird gegründet, Pantopia entsteht, und irgendwann reagieren die Behörden der Welt darauf. Es entwickeln sich Konflikte, Menschen kommen ins Gefängnis, es gibt sogar Tote. Aber den Kurs in Richtung Utopie behält die Autorin bei …

Theresa Hannig wollte offensichtlich zeigen, dass eine bessere Welt möglich ist, und sei das nur innerhalb eines Romans. Den Weg dahin schildert sie durchaus faszinierend, auch wenn mir persönlich der Anfang ein wenig zäh vorkam. Der Roman entfaltet seine Wirkung aber, je länger man in die Welt des kommenden Pantopia eintaucht.

Mit »Pantopia« ist Theresa Hannig ein Science-Fiction-Werk gelungen, das im Jahr 2022 – das ja von so vielen Krisen gezeichnet war – geradezu leuchtet. Sicher ist es eines der besten Science-Fiction-Titel, der in diesem Jahr veröffentlicht worden ist, sicher einer, der »über den Tag hinaus« wirken kann.

Eine lohnenswerte Lektüre für alle, die den Glauben an eine bessere Zukunft noch nicht völlig aufgegeben haben!

(Erschienen ist diese Rezension auch bereits auf der Internet-Seite der PERRY RHODAN-Redaktion. Hier teile ich sie der Vollständigkeit halber.)

22 Januar 2023

Reacher mit überzeugender Hauptigur

Ich mag die Krimi-Reihe um die Figur des Jack Reacher, die der amerikanische Autor Lee Child veröffentlicht. Man kann davon nicht zu viele am Stück lesen, sondern sollte immer eine Pause einlegen – das Weltbild ist häufig doch sehr konservativ, die Art der Problemlösung extrem amerikanisch. Waffen lösen letztlich jedes Problem, auf diese Logik lässt sich viel reduzieren.

Nachdem ich die Verfilmung mit Tom Cruise zwar gut fand, Tom Cruise mich aber nicht überzeugen konnte – er ist halt nun mal nicht fast zwei Meter groß –, war ich auf die Serie sehr gespannt. Über sie hat mittlerweile praktisch jeder etwas geschrieben, aber es stört sicher nicht, wenn ich damit auch noch um die Ecke komme. Ich bin ohnehin derart verspätet, dass das hier keine aktuelle Rezension ist, sondern nur ein Stimmungsbild.

Zur Handlung muss man nicht so viel schreiben. Wer keinen Zugang zu Amazon Prime hat, muss eh noch warten, wo man die Serie dann anderweitig angucken kann und ob es sie vielleicht mal als DVD-Box gibt. Die Handlung besteht darin, dass Jack Reacher in irgendeine Kleinstadt in den USA kommt, dort schnell Ärger bekommt, dort eine coole junge Polizistin und einen sturen Ermittler kennenlernt und schnell merkt, dass etwas so richtig faul ist. Am Ende reist er weiter, und die Polizistin sowie der Ermittler dürfen dann die Reste aufräumen …

Die Handlung ist spannend, wenngleich man sich ja denken kann, dass der Held am Ende gewinnt. Sie ist streckenweise brutal, vor allem der »Bodycount« ist sehr hoch. Leute werden erschossen und in die Luft gesprengt, es kracht und scheppert in jeder Folge. Wer eher ruhige Unterhaltung schätzt, wird diese Serie hassen.

Ich mochte sie: Der Jack Reacher aus den Romanen wird im Ramen der Serie gut vermittelt, den Hauptdarsteller fand ich glaubhaft. Die Serie steckt voller Tempo, und sie ist alles andere als intellektuell. Aber das habe ich ja auch nicht erwartet …

21 Januar 2023

Zeitreise mit Liebesgeschichte

Ich gestehe: Der Grund, warum ich mir »Meet Cute« ansah, lag in der Tatsache begründet, dass ich die Hauptdarstellerin aus der Fernsehserie »The Big Bang Theory« kannte. Leider reicht das nicht aus, um sich einen eineinhalbstündigen Spielfilm mit Vergnügen anzusehen.

»Meet Cute« läuft bei Amazon Prime. Dort wurde zuletzt auch »The Flight Attendant« gezeigt, wo Kaley Cuoco gegen den Strich dargestellt wurde: nicht als die fröhliche attraktive Frau wie in der weltberühmten Fernsehserie, sondern als Alkoholikerin, die oft mies aussieht und in komplizierte Fälle verwickelt wird.

Bei »Meet Cute« ist Couco wieder die hübsche Blondine. Sie trifft in einer Bar auf einen schüchtern wirkenden Mann, in den sie sich verliebt. Und weil sie in der Lage ist, auf eine Zeitreisemaschine zurückzugreifen, die sie genau einen Tag in die Vergangenheit versetzt, trifft sie sich immer wieder mit ihm, hat also zahlreiche erste Dates und romantische Abende.

Das Ganze liest sich wie ein Remake von »Und täglich grüßt das Murmeltier«, gepaart mit einer schlicht präsentierten Science-Fiction-Idee. Leider wirkt die Idee wenig durchdacht, und die Wiederholungen langweilen irgendwann. So ist »Meet Cute« eine nette Liebesgeschichte, die aber wirklich niemand gesehen haben muss.

20 Januar 2023

Vier Beignets bei Lagodo

Seit einiger Zeit hatten wir die Hauptstraße verlassen, wir rollten über eine gut ausgebaute Piste. In der Ferne glitzerte die Oberfläche eines Sees. Ich war ein wenig nervös, weil ich nicht einschätzen konnte, wo wir uns aufhielten. Die kleinen Karten in meinem Reiseführer zeigten solche Details nicht an, und die Kamerun-Karte, die ich auf dieser Reise mit mir führte, wollte ich nicht auspacken.

Aber noch behielt ich die Ruhe. Solange alle Passagiere im Minibus gelassen blieben, verlief alles nach Plan. Wenn sich die Leute aufregten, bestand auch für mich Grund zur Aufregung.

In einer Staubwolke kam der Minibus zum Halten. Der Fahrer rief etwas, das ich nicht verstand. Rings um mich bewegten sich die Leute; der Junge, der dem Fahrer half, machte die Seitentür auf, und die ersten Leute stiegen aus.

Mein Nebensitzer erklärte es mir in bestem Französisch: »Wir machen eine Pause, vielleicht eine Stunde. Bleiben Sie in der Nähe, gehen Sie nicht zu weit weg.« Er zwinkerte. »Aber man wird Sie im Zweifelsfall suchen.«

Ich grinste. »En dilla, ich weiß.« Das riefen die Fahrer im Norden Kameruns immer, bevor es weiterging. Wenn ich es richtig verstanden hatte, hieß das so viel wie »wir fahren«. Und wer das hörte, hatte sich beim Bus einzufinden. Allerdings war bisher immer ein Junge losgelaufen und hatte mich gesucht, auch wenn ich schon selbst auf dem Weg gewesen war.

»Bis später«, sagte mein Nebensitzer. Ächzend stieg er aus. Er war schon älter, ich schätzte ihn auf 60 Jahre, und er trug einen dunkelbraunen Anzug, der an seinem dürren Körper viel zu groß aussah.

Ich folgte ihm und sah mich um. Mein Seesack war auf dem Dach des Minibusses gut verstaut, wie mir ein Kontrollblick bestätigte. Der Fahrer und sein Gehilfe standen an der Frontseite des Wagens und öffneten die Luke. Vielleicht wollten sie etwas kontrollieren.

Mit meinem kleinen Rucksack in der Hand, in dem sich unter anderem eine Wasserflasche und mein Notizblock befanden, spazierte ich unter großen Bäumen die Straße entlang. Im Schatten ging ein vergleichsweise kühler Wind, den ich als angenehm empfand. Ich trank einen kräftigen Schluck Wasser.

»Soll ich zum See laufen?«, überlegte ich halblaut, ließ es aber dann sein. Ich schätzte, dass ich noch gut einen Kilometer zu gehen hätte, und das war mir zu riskant. Ich wollte in der Nähe des Busses bleiben.

Rechts und links standen einige bescheidene Häuser. Eine Frau zerstieß etwas in einem Behältnis, zwei Männer dösten unter einem Vordach. An einigen Verkaufsstände gab es Obst und Gemüse, Brot und anderes zu kaufen. Eine Frau briet Brochettes auf der Glut, ein kleiner Junge erhitzte Beignets.

Bei dem Jungen kaufte ich vier Beignets. Ich mochte dieses Teiggebäck, es erinnerte mich an die Fasnetsküchle im Schwäbischen. Der Junge strahlte mich an, als er mir die Beignets in einem Stück Zeitungspapier – der Ersatz für einen Teller reichte –, und ich gab ihm sein Geld. Mit den Teigbällchen ließ ich mich auf großen Stein nieder, der im Schatten eines Baumes stand. Sie schmeckten köstlich.

Ich ließ meinen Blick schweifen, während ich langsam kaute und immer mal wieder einen Schluck Wasser trank. Die Stimmung eines solchen kleinen Marktes hatte ich bei meinen Reisen in Afrika schon immer geschätzt. Dass in der Nähe der Lagodo-Stausee war, wie mir der Reiseführer nach kurzem Blättern verriet, war gar nicht so wichtig. Entscheidend war, dass ich in aller Ruhe durch ein fremdes Land gondelte und Eindrücke sammelte.

Am Minibus wurde gearbeitet. Der Fahrer und sein Gehilfe schraubten am Motor herum und ließen den Anlasser gelegentlich aufheulen, als ginge es darum, grundsätzlich alles zu reparieren. Ich hoffte, dass sie nur alles überprüften und nichts wirklich kaputt war.

Der kleine Junge, bei dem ich die Beignets gekaufte hatte, paradierte auf einmal über die Straße, begleitet von einem anderen Jungen. Die beiden taten so, als gingen sie im Stechschritt, sie schienen eine Parade nachzuahmen und hoben immer wieder die Hand grüßend an die Schläfe. Sie gingen hin und her, bestaunt und belacht von den Passanten.

Es war eine sehr ruhige und sehr angenehme Pause bei meiner Fahrt von Nagoundéré nach Garoua, und ich genoss den Aufenthalt an diesem warmen Novembertag des Jahres 1999 sehr. Als der Fahrer sein »en dilla« rief und sich die anderen Reisenden und ich auf den Weg zum Minibus machten, war ich fast ein wenig traurig.

19 Januar 2023

Begegnungen von 1983

Wann genau die Textsammlung »Begegnungen« erschienen ist, kann ich beim besten Willen nicht mehr sagen. Im Impressum gibt es keinen Hinweis, offensichtlich nahm man es damals nicht so genau mit den exakten Angaben. Aufgrund eines Hinweises im Vorwort muss es im Frühjahr 1983 gewesen sein – und ich glaube mich daran zu erinnern, dass die Textsammlung einer der Gründe dafür war, warum ich kurze Zeit später bei der »Südwest Presse« als freier Mitarbeiter anheuerte.

Die Sammlung umfasst 104 Seiten – bei einer etwas ungewöhnlichen Seitenzählung – und enthält wenige Kurzgeschichten, einige Bilder, diverse Essays und Gedichte sowie weitere Texte, die man nicht so genau zuordnen kann. Verfasst wurden sie von Menschen, die damals zur Literarischen Werkstatt in Freudenstadt gehörten. Ich war damals der jüngste in der Runde, sicher auch die einzige Person in der Runde, die jünger als dreißig Jahre alt war, und ich bin in dem Heft ebenfalls vertreten.

»Mit den Augen einer Katze ...« ist eine Kurzgeschichte, die einen phantastischen Charakter aufweist und an ich heute als Lektor viel zu kritisieren hätte. Für einen 18 Jahre alten Jungautor – ich hatte sie 1982 geschrieben – ist sie aber ganz ordentlich, finde ich heute.

Mit »Freudenstadt 2003« ist eine Science-Fiction-Kurzgeschichte enthalten, die in meiner damaligen Heimatstadt spielt und in der ich vom Schreiben auf einem »Compudesk« und einem »Zentralnetz« fabuliere, an das mein Schreibgerät angeschlossen ist. Wald gibt es in diesem Jahr 2003 keinen mehr, nur noch Strauchwerk und Heidegras; gegen den Regen braucht man einen Mantel, der die Säure abhält. So apokalyptisch schrieb ich damals also ...

Die zwei Gedichte, die von mir enthalten sind, empfinde ich ebenfalls als »phantastisch«. Heute lese ich sie mit anderen Augen, damals fand ich sie stark. Und so schlecht finde ich sie nach all den Jahrzehnten tatsächlich nicht. Ich muss mich also im Nachhinein nicht für das schämen, was ich leichter Hand vor vierzig Jahren publizierte.

18 Januar 2023

Ein Katalog als Hardcover

Seit Jahren erzählen mir alle Verlagsleute, es lohne sich nicht mehr, Informationen und Prospekte auf Papier zu drucken. Angesichts mancher Papierverschwendung früherer Jahre, in denen ein einzelnes Buch auch mal auf sechs Seiten in einem Prospekt vorgestellt werden konnte, ist das durchaus nachvollziehbar. Und so entschlossen sich immer mehr Verlage dazu, keine Kataloge und Prospekte mehr zu drucken, sondern ihre Informationen digital zur Verfügung zu stellen.

Ich kann nur für mich sprechen: Ich mag es, Prospekte und Kataloge zu blättern, meine Notizen zu hinterlassen und sie auch länger aufzubewahren. Das mache ich bei Comics, bei Schallplatten und bei Büchern so. Digitale Kataloge und Angebote durchforste ich zielbewusst (gibt's was neues von Autorin XYZ?), aber ich stöbere nicht. Damit mag ich allerdings eine altmodische Ausnahme sein.

Eine Ausnahme ist auch der Steidl-Verlag, von dem mir dieser Tage der Katalog fürs Frühjahr 2023 in die Hände fiel: hundert Seiten Umfang, durchgehend vierfarbig, als Hardcover veröffentlicht. Schon klar, Steidl hat die Druckerei im eigenen Haus – aber das sah und sieht stark aus und lädt dazu ein, so einen Katalog nicht nur gründlich zu blättern, sondern ihn auch aufzubewahren und ins Regal zu stellen.

Inhaltlich sprachen mich die Bücher nicht so an, aber ich ertappte mich dabei, wie ich praktisch alles las. Digital hätte ich das nicht getan. Interessant!

Großartiger Horror-Klassiker

Im Rahmen seiner Reihe »Festa Special« veröffentlichte der Festa-Verlag den Horror-Roman »Murgunstrumm« als schön gestaltetes Hardcover-Buch. Verfasst wurde der Roman von Hugh B. Cave (1910 bis 2004). Es handelt sich also tatsächlich um einen Klassiker des Genres. Und ich fand ihn richtig gut.

Erzählt wird von einem Mann, der im »Irrenhaus« sitzt und von dort flüchtet. Seine Ärzte glauben ihm nämlich nicht, dass er vor einem halben Jahr mit den Mächten der Finsternis zu tun hatte. Der junge Mann entkommt, er nimmt Ärzte als Geiseln, und er fährt dorthin, wo die Vampire hausen.

In einer sehr ländlichen, sehr abgelegenen Gegend steht ein altes Gasthaus. Ein seltsamer Mann namens Murgunstrumm scheint der Verwalter zu sein – doch er steckt mit den Machenschaften der unheimlichen Mächte aufs Engste in Verbindung ...

Am Ende gibt es heftige Kämpfe zwischen Menschen und Vampiren. Grausige Entdeckungen werden gemacht, unheimliche Szenerien wechseln sich ab, die Hauptfiguren schwanken immer wieder zwischen Angst und Entsetzen. Aber sie kämpfen verzweifelt ums Überleben.

Veröffentlicht wurde der Roman in den frühen dreißiger Jahren. Das erklärt einige stilistische Eigenheiten – das Springen zwischen den Perspektiven etwa – und die Darstellung eines Körperbehinderten, die man heute so nicht mehr schreiben würde. Der Behinderte ist einer der Bösewichte, und es wird klar vermittelt, dass geistige wie körperliche Beeinträchtigung zusammenhängen und dass er ein monströses Wesen ist. In den dreißiger Jahren waren entsprechende Darstellungen noch üblich.

Sieht man davon ab, ist der Roman wirklich hervorragend. Die Horror-Stimmung wird klar vermittelt, die Effekte sind knallig und auch stimmig. Die Vampire erscheinen als dämonische Wesen, die Helden haben Angst und kämpfen verzweifelt.

Der Autor hat für die damalige Zeit das Vampir-Thema konsequent und klar präsentiert – und das lässt sich heute noch sehr gut lesen. (Sicher ist die gute Übersetzung durch Susanne Picard mit dafür verantwortlich.)

Empfehlenswerte Klassiker-Veröffentlichung!

17 Januar 2023

Von der Fantasy zur SF zurück

Ich mag die Comic-Serie »Thorgal« seit den frühen 80er-Jahren; sie steht komplett im heimischen Bücherregal. Zuletzt erschien der Band 39 der Serie, der den schlichten Titel »Neokora« trägt und die Serie gewissermaßen zurück zu ihren Wurzeln führt: mit einem Anflug von Science Fiction nämlich.

Die Serie spielte von Anfang mit unterschiedlichen Genres. Mal war »Thorgal« ein waschechter Abenteuer-Comic mit Wikingern, verschleppten Familienangehörigen, weiten Reisen und großen Kämpfen, dann wieder war es lupenreine Fantasy mit Göttern, Zauberei und dergleichen. Am Anfang stand aber ein Science-Fiction-Element: Der Held ist nämlich mit einem Raumschiff zur Erde gekommen.

Das aktuelle Kreativduo aus dem Autor Yann und dem Illustrator Fred Vignaux greift diesen Anfang wieder auf. Thorgal wird mit seiner Vergangenheit konfrontiert und muss dorthin reisen, wo das Raumschiff vor langer Zeit abgestürzt ist. Nur er kann ins Innere des Schiffes vordringen, wo er unter anderem mit uralter Technik konfrontiert wird. Die Fortsetzung ist offen – mit einem Cliffhanger macht der Band auf weitere Teile neugierig.

Die Geschichte ist gut erzählt. Wer sich mit »Thorgal« gut auskennt, wird bekannte Figuren wieder vorfinden; wer noch nie in die Serie hineingeschaut hat, könnte durch den Genre-Mix verwirrt sein. Grafisch wie inhaltlich braucht sich der Band nicht vor anderen Teilen der Serie verstecken.

Und ich bin nun tatsächlich gespannt daraus, was aus der Begegnung eines mit Fell bekleideten Kriegers mit der Künstlichen Intelligenz eines Raumschiffs wird …

16 Januar 2023

Literarischer Trendsetter

Wie ich mit Staunen in allen Tageszeitungen und Fachzeitschriften lesen kann, ist der aktuelle Trend in Sachen Literatur die sogenannte Autofiktion. Damit ist – grob vereinfacht – gemeint, dass Autorinnen und Autoren über ihr Leben schreiben, die Geschichten aber ein wenig verfremden, damit es nicht nach Tagebuch aussieht, sondern eher nach Literatur.

Das ist meist schrecklich langweilig, finde ich, und ist nichts Neues. Schon Peter Handke schrieb ganze Bücher damit voll, dass er über Schreibblockaden und Ideenmangel klagte. Warum das dann jemand ernsthaft kaufte, erschloss sich mir schon vor einem Vierteljahrhundert nicht. Mittlerweile ist es aber offensichtlich so, dass haufenweise Bücher geschrieben und veröffentlicht werden, in denen Autorinnen und Autoren von ihrem spannenden Leben am Schreibtisch erzählen. Dafür gibt’s dann Literaturpreise und Einladungen in Talkshows.

Und während ich so damit anfing, über diesen neuen Trend zu lästern, fiel mir auf, dass ich an dieser Stelle glatt ein Trendsetter bin. Meine Punkrock-Geschichten – also die zwei Bücher »Vielen Dank Peter Pank« und »Chaos en France« sowie die zwei Kurzgeschichtenbände – sind schließlich, wenn man unbedingt will, ebenfalls Autofiktion. Da nimmt jemand – also ich – sein eigenes Leben und bastelt so lange daran herum, bis es sich spannender anhört als die Realität letztlich wahr.

Wobei mir in Sachen Punkrock in all den Jahren sicher mehr passierte als Schriftstellern, die sich nach Schule und Studium auf ihre Schreiben konzentrierten. Und das wiederum ist schlichtweg ein Vorurteil. Aber ich möchte es gern glauben.

Bin ich also literarisch endlich mal auf der Höhe der Zeit? Das wäre glatt etwas Neues. Aber ich fürchte, mit Punkrock-Geschichten gibt’s trotzdem weder Literaturpreise noch dufte Talkshow-Einladungen …

13 Januar 2023

Statt Häusern nur Dreck

Ich war wieder einmal auf der Straße nach Freudenstadt unterwegs. Weil ich gut vorankam und sich das Wetter als schön erwies, bog ich einige Kilometer vor der Stadt rechts ab. Eine schmale Straße führte an dieser Stelle hinunter ins Tal.

Am Hang ließ ich mein Auto stehen und ging den Rest zu Fuß. Es war Jahrzehnte her, seit ich zum letzten Mal an dieser Stelle unterwegs gewesen war. Einige schon alte Häuser standen entlang der Straße, rechts erstreckte sich eine große Fabrikhalle. Ich erinnerte mich gut an die »Schwarzwaldstube«, die in den 80er- und frühen 90er-Jahren so etwas wie eine Szene-Kneipe gewesen war, und an das viele Bier, das wir dort getrunken hatten.

Alles vorbei – und zwar tatsächlich. Das Haus war weg, alle Häuser waren verschwunden. Links von der Fabrik stand nichts mehr. Rechts und links des Baches erstreckte sich eine schmutzigbraune Fläche, einem gerodeten Acker nicht unähnlich. Seltsame Spuren zogen sich wie Rinnen durch das Braun.

Langsam trat ich näher. Ich sah, dass ein Zaun auf der einen Seite die Trennlinie zu einigen Gärten bildete. Dort arbeitete ein Mann. Vielleicht sollte ich ihn fragen, was passiert war?

Von hinten ertönte ein lautes Geräusch, jemand rief »Vorsicht!«, und ich drehte mich um. Ein junger Mann in bunten Sportklamotten raste mit einem Mountainbike auf mich zu, offensichtlich kam er von einem Waldweg herunter, den ich noch nie zuvor gesehen hatte. Ich sprang zur Seite, der junge Mann flitzte an mir vorüber.

Als er die Fläche erreichte, wo zuvor die Häuser gestanden hatte, wurde er stark ausgebremst. Fast wäre er mit seinem Rad gestürzt, aber er schlidderte in einem weiten Bogen durch den Dreck und erreichte den Rand der Fläche. Da erkannte ich, woher die seltsamen Linien auf der braunen Fläche kamen. Der Radler hob grinsend die Hand und fuhr davon.

Ich blieb stehen, immer noch ratlos. Wo waren die Gebäude geblieben, wo steckte das Haus, mit dem ich so viele Erinnerungen verband? Verwirrt schüttelte ich den Kopf. Am liebsten hätte ich wegen der alten Geschichten geweint.

Mit einem Gefühl von tiefer Traurigkeit erwachte ich.

Der Start für eine erfolgreiche Horror-Figur

Ich bin kein »John Sinclair«-Fan und kenne mich im Universum der Heftromanserie nicht aus. Die Hörspiele habe ich Verlauf der Jahre stets gern gehört; sie sind meist spannend gemacht. Interessiert ging ich den ersten Teil der »Sonder Edition« an, der den schönen Titel »Der Anfang« trägt. Und schon da ist klar, worum es geht: um die Vorstellung unseres Helden.

Sinclair ist am Anfang ein recht normaler Beamter bei Scotland Yard. Als man ihn zu einem Einsatz nach Schottland schickt, geht er nicht davon aus, dass er es mit übernatürlichen Gegnern zu tun haben wird. Auch seine Auftraggeber scheinen nichts zu ahnen. Doch dann trifft er auf ein altes Schloss, auf einen durchgeknallten Professor und eine Horde von Zombies …

Die technischen Aspekte des Hörspiels kann ich wie immer nur loben. Die Dialoge sind knallig, die Geräusche werden hervorragend eingesetzt, alles folgt in schnellen und spannenden Szenen aufeinander. Und vor allem am Anfang, als nicht klar ist, in welche Richtung sich die Geschichte entwickelt, packt sie einen. Wenn am Ende die Zombies durchs Dorf wanken, wird es ein wenig albern.

Aber gut: Schön sind die Figuren. John Sinclair wird eingeführt, sein Vorgesetzter taucht erstmals auf, und seine Assistentin lässt sich als Bewerberin für den neuen Job blicken. Sein Kollege Suko fehlt noch – das ist wohl Thema für ein weiteres Hörspiel.

Wer gruselige Hörspiele mag oder wie ich ein Faible für den Geisterjäger hat, wird an diesem Hörspiel auf jeden Fall seine Freude haben. Es ist schon gut zwanzig Jahre alt, ich habe es aber erst dieser Tage angehört. Und mich dabei sehr gut unterhalten!

12 Januar 2023

Shock Waves aus dem Baskenland

Vier junge Männer mit sehr kurzen Haaren, die Texte über »Working Class Heroes« haben, aber auch mal »Another Girl« besingen – da kann es sich nur um eine Oi!-Band handeln. Tatsächlich stammten die Shock Waves, die in den Zehner-Jahren zwei große Platten und eine EP veröffentlichen, aus dem Baskenland, bezeichneten sich selbst als Streepunk und spielten eine unbekümmerte und zeitlose Mischung irgendwo zwischen melodischem Punkrock und Oi!.

Auf der CD »Night Of Music«, die 2014 veröffentlicht wurde, finden sich insgesamt ein Dutzend Stücke, die in englischer Sprache – mit starkem Akzent – gesungen werden und echt gut ins Ohr gehen. Das bringt mich automatisch dazu, mit dem Kopf zu wackeln und in zappelnde Bewegungen zu verfallen.

Der Sänger hat eine angenehm rotzige Stimme, die nichts von dem Gebrüll hat, das bei vielen Oi!-Bands gepflegt wird; die Musiker liefern dazu eine flotten Sound mit ratternder Gitarre und eifrig klopfendem Schlagzeug. Verherrlicht wird das Leben mit Musik, natürlich geht es auch um »this is my way« und den Kampf auf der Straße; abgelehnt wird jegliche Politik, man findet das System kacke und bringt ganz allgemein eine klare »alles Dreck«-Haltung zum Ausdruck.

Eine gelungene Punkrock-Platte – die CD kann man sicher noch im einen oder anderen Shop finden!

11 Januar 2023

Lange Fahrten durch Los Angeles

Eigentlich ist Spenser ein klassischer Detektiv, der sich in Boston immer wieder für irgendwelche Fälle anwerben lässt. Dann aber bittet ihn eine Hollywood-Journalistin um Hilfe, und er reist nach Los Angeles. An der Seite einer attraktiven jungen Frau namens Candy Sloan beginnt er damit, einer Affäre mit viel Schmiergeld auf die Schliche zu kommen …

So in etwa lässt sich die Handlung von »Candy Sloan und die Dunkelmänner« zusammenfassen, einem Kriminalroman von Robert B. Parker, den ich dieser Tage las. Man muss fairerweise sagen, dass es ein Roman ist, der unter Krimi- und Ermittler-Aspekten nicht sonderlich überzeugt.

Spenser und sein Schützling fahren kreuz und quer durch Los Angeles, sie sehen die schicken Häuser und Straßen von Beverly Hills und essen mal hier, mal da, sie unterhalten sich mit Polizisten und Produzenten. Irgendwann gibt es eine Schießerei, und am Ende sind einige Leute tot. Das klingt ein wenig lahm, wird aber dank Parkers Schreibe trotzdem zu einem spannenden Roman.

Das liegt sicher an den Dialogen. Der Detektiv und die Journalistin hauen sich Sprüche um die Ohren; manchmal wird gewitzelt, dann wieder wird es philosophisch. Immer wieder geht es um das Verhältnis von Männern und Frauen: Im System Hollywood hat eine Frau nach wie vor nur dann etwas zu melden, wenn sie – so sagt es Candy Sloan – mit dem Hintern wackelt.

Veröffentlicht wurde der Roman bereits 1981 unter dem Titel »A Savage Place«. Wenn man diese Jahreszahl vor Augen hat, wird vieles an diesem Werk klarer: Der Autor kommentiert auf diese Weise nicht nur seinen Blick auf das »System Hollywood«, sondern stellt ebenso klar, dass er sich für die Gleichberechtigung von Mann und Frau ausspricht – aus seiner konservativen Sicht heraus und vermittelt über einen Helden, der eigentlich ein »Macho« ist.

Sicher ist »Candy Sloan und die Dunkelmänner« unter heutigen Gesichtspunkten kein aktueller Roman mehr, vieles wirkt antiquiert. Der Krimi erzählt eine spannende Geschichte, er lässt sich gut lesen, und er zeigt Spenser mal wieder in einer hervorragenden Rolle. Schon cool!

10 Januar 2023

Wenn ein Mensch fehlt …

Wir kannten uns nicht besonders gut, die Nachbarin aus dem obersten Stock und ich. Mehr als zwanzig Jahre wohnten wir im gleichen Haus. Man traf sich im Treppenhaus oder im Garten, auf dem Weg zum Mülleimer oder auf dem Weg zur Arbeit, bei einem Spaziergang oder bei den parkenden Autos. Meist grüßten wir uns nur, selten wurde ein wenig geplaudert.

Häufig waren die Gespräche eher einseitig. Sie bruddelte meist. Das Bruddeln ist in Baden weit verbreitet: Man motzt und mosert ein wenig vor sich hin, findet alles irgendwie schlecht, zieht aber keine Konsequenzen daraus und ärgert sich vor allem nicht lautstark. Es ist ein leises Gemaule über die Dinge, die einen stören, gern gepaart mit der Form von Dialekt, wie man sie in Karlsruhe eben spricht.

Ich antwortete in solchen Fällen meist mit einem »ja ja« oder einem ähnlich intelligenten »so kann man das auch sehen, ja«. Bruddeln ist schließlich keine Diskussion.

Zuletzt trafen wir uns vor Weihnachten am Briefkasten. Sie sagte etwas, es klang wie ein Bruddeln, aber ich war in Eile, ging nicht darauf ein, sondern wünschte nur ein »frohes Fest«. An Weihnachten bekam sie – wie alle Nachbarn – von uns eine Grußkarte vor die Tür gelegt, persönlich formuliert und unterschrieben.

Wie sich nun herausstellte, starb sie kurz nach den Feiertagen. Mehr weiß ich nicht. Aber als ich die Nachricht von ihrem Tod hörte, war ich traurig und betroffen. Sie gehörte dazu, mehr als zwei Jahrzehnte lang.

Und ich bin sicher, ich werde ihr badisches Bruddeln künftig vermissen, wenn es mal wieder nasskalt oder zu heiß ist, wenn die Post mal wieder zu spät kommt oder zu viel Laub im Garten liegt. Irgendwie war's dann doch sympathisch ...

09 Januar 2023

Ein Turm am Stadtrand

Mit meinem Fahrrad fuhr ich an den Rand von Freudenstadt, vorbei an der Fabrik, die sich an der Stelle erhob, wo früher mein Großvater gewohnt hatte und wo wir als Kinder auf einer große Wiese die Ostereier hatten suchen können. Dort erstreckte sich eine riesige Fabrik, in der Maschinen hergestellt wurden. Ich fuhr die leicht abschüssige Straße hinunter, überquerte die Bahnlinie und fuhr an der alten Schmierölfabrik vorüber.

Als ich mich der Bundesstraße näherte, zog Nebel auf. Ich hielt an und schaltete das Licht an meinem Rad ein, damit mich entgegenkommende Autofahrer sehen konnten. Vorsichtig fuhr ich weiter, nahm die Unterführung an der Bundesstraße und kam dann hinaus auf die Wiesen und Felder, die sich zwischen Freudenstadt und Wittlensweiler erstreckten. Alles war feucht, eine ungemütliche Stimmung.

Als sich vor mir ein Gebäude aus dem Nebel schälte, ließ ich mein Rad einfach weiterrollen und näherte mich so. Der Grundriss war quadratförmig, nicht groß, vielleicht acht auf acht Meter. Das Gebäude verlor sich in der Höhe im Nebel, als sei es ein riesiger Turm. Ich hatte kurz die Vorstellung, er rage weit über hundert Meter in die Höhe und sehe deshalb sehr dünn aus.

Das fand ich interessant. Ich stellte mein Rad am Rand der Straße ab und ging die paar Meter bis zu dem Turm. Seine Wände waren aus Beton, glatt und fast elegant, als habe man ihn sehr gleichmäßig und am Stück gegossen. Die Tür, vor der ich dann stand, sah aber ausgesprochen billig aus: einfaches Holz, grob verarbeitet.

Ich näherte mich, blieb aber überrascht stehen, als die Tür vor mir aufschwang. In der Öffnung stand eine Frau: schlank, schwarz gekleidet, mit schwarzen Haaren und einem sehr strengen Ausdruck im alterslos wirkenden Gesicht. »Was wollen Sie?«, fragte sie mich barsch.

»Ich war in der Nähe«, sagte ich und zeigte auf mein Fahrrad. »Und weil ich neugierig bin, dachte ich …«

»Wir wollen keine neugierigen Leute«, unterbrach sie mich, trat einen Schritt zurück und schlug mir die Tür vor der Nase zu. Da wachte ich auf.

Moderner Mix aus Space Opera und Thriller

Ein Raumschiff treibt auf einen Planeten zu, es ist führungslos, und die Künstliche Intelligenz an Bord schein durchzudrehen. Von den gut tausend Passagieren an Bord, die in Schlafkapseln liegen, wurden einige auf bestialische Weise umgebracht. Es muss sich also ein Mörder an Bord befinden – aber das kann ja eigentlich nicht sein …

Das ist der Ausgangspunkt für den aktuellen Roman des Schriftstellers Tade Thompson. Das Werk trägt den schönen Titel »Fern vom Licht des Himmels« und machte es mir am Anfang nicht leicht. Der Autor schreibt im Präsens, und ich benötigte einige Zeit, um mich daran zu gewöhnen. Nach dieser – für mich – etwas zähen Phase zum Einstieg kam ich mit der Geschichte aber sehr gut klar und fand den Roman von Seite zu Seite spannender.

Besonders gefiel mir die sehr glaubhafte Schilderung der Lage an Bord des Raumschiffs. Der Aufenthalt im Weltraum ist gefährlich, man ist nur durch eine dünne Schicht vom Vakuum getrennt, und diese Situation stellt der Autor sehr glaubhaft dar. Die Raumfahrer haben allerlei Probleme, nicht nur, weil offensichtlich ein Mörder an Bord ist, sondern auch deshalb, weil sich das Raumschiff langsam in seine Einzelteile auflöst. Das schildert Thompson mitreißend und wirklichkeitsnah, die Darstellung ist dabei stets intensiv.

Der technische und politische Hintergrund seines Universums bleibt vage, was mich in diesem Fall nicht störte. Offensichtlich gibt es Wurmlöcher, durch die sich die Raumschiffe durchs All bewegen, dazwischen gibt es Stationen, die den Kontakt herstellen, und man hat auf diese Weise schon eine Reihe von Kolonien errichtet.

Irdische Sitten und Gebräuche wurden ebenso ins All gebracht wie viele Sprachen. So wird die Station, die ebenfalls eine wichtige Rolle in diesem Roman spielt, nach der nigerianischen Metropole Lagos benannt, und Yoruba ist in diesem Universum offensichtlich eine wichtige Sprache. (In Mitteleuropa ist sie so gut wie nicht bekannt. In Westafrika wird sie derzeit von mehr als 30 Millionen Menschen in mehreren Ländern benutzt, nicht nur in Nigeria.)

Die meisten dieser Themen spielen nur als Hintergrund eine Rolle. Man muss nicht wissen, wie das politische System funktioniert oder welchen Antrieb die Raumschiffe benutzen; es spielt keine Rolle. Der Autor konzentriert sich auf seine Figuren und ihre Probleme; er beleuchtet die Lage im langsam zerbrechenden Raumschiff, wobei er ebenso die Lagos-Station oder den Kolonialplaneten betrachtet.

Tade Thompson weiß, wovon er schreibt, seine Erzählweise ist sehr personal und direkt. Das zieht einen in die Handlung hinein und sorgt dafür, dass man seinem Roman gern folgt. Wer glaubhafte und technisch orientierte Science Fiction mag, in der Menschen dennoch zentrale Rollen einnehmen, sollte diesen Roman antesten. (Am Ende wird es übrigens ein wenig mystisch. Eine Spur afrikanischer Mythen mengt sich in die Handlung, was aber gut passt.)

Der Roman lohnt sich, und Tade Thompson ist ein Autor, den man sich offensichtlich merken muss. (Er hat schon mehrere Romane veröffentlicht und wurde mit Preisen ausgezeichnet.) Lohnenswert!

Der Roman ist als Trade Paperback mit Klappenumschlag im Golkonda-Verlag erschienen. Wer mehr über den Autor und das Buch wissen möchte, gehe auf die Internet-Seite des Verlags. Dort findet sich nicht nur eine Leseprobe, sondern ebenso ein kleiner Film.

(Diese Rezension hier erschien kurz vor Weihnachten auf der Internet-Seite der PERRY RHODAN-Redaktion. Hier in leicht gekürzter Form zur Dokumentation wiederholt)