30 September 2016

Am Pokestop

Ich fegte mit dem Rad aus der Südstadt zurück nach Hause. Es war eine warme Nacht Ende September; die Jacke, die ich vorsorglich angezogen hatte, war mir viel zu warm. Aber ich genoss es, durch die Stadt zu fahren, die um diese Zeit deutlich ruhiger und angenehmer war als tagsüber.

Wie immer in jüngster Zeit nahm ich einen Umweg und fuhr am Pokestop votbei. Dort war in den vergangenen Wochen zeitweise richtig viel los gewesen. An den warmen Tagen im Hochsommer waren da manchmal dreißig Leute und mehr gesessen und gestanden, die Smartphones in der Hand und eifrig ins Spiel vertieft.

Man hatte sogar Parkbände aus den nahe gelegenen Grünanlagen geholt und an die Kreuzung gestellt. Die Stadtverwaltung hatte das geduldet, und seither sah die Kreuzung geradezu wohnlich aus. Ich fand das witzig – sonst waren Stadtverwaltungen eher spießig und auf sture Ordnung bedacht.

An diesem Abend war nichts los. Auf einer der Parkbände saß eine junge Frau in Jeansjacke. Das Display des Smartphones war grell, es erleuchtete ihr Gesicht und die lockigen Haare. Sie trug hochhackige Stiefel, und sie wirkte sehr konzentriert.

Neben ihr stand eine Flasche Cola auf dem Boden, zur Hälfte leer. Das sah nach einer langen Nacht aus, überlegte ich. Als ich an ihr vorbeiradelte, keinen Meter vor ihrer Nase, sah sie nicht einmal auf und blieb weiter in ihrer Konzentration.

Parallelgesellschaften überall. Die einen trinken zu viel Bier und fahren nachts mit dem Rad. Die anderen trinken Cola und jagen Pokemons.

29 September 2016

Fragen zu Sachsen

Den Sachsen an sich lernte ich in meiner Jugend durch die Lektüre von Karl-May-Büchern kennen. In diesen Romanen war der Wilde Westen von Sachsen buchstäblich bevölkert – gefühlt jeder zweite Westernheld war eigentlich Sachse oder hatte sächsische Wurzeln. Die Sachsen waren handfeste Kerle, die zwar einen leichten Sprachfehler aufwiesen, sonst aber ziemlich korrekt waren, immer hilfsbereit und fröhlich.

Nach 1990 bekam ich von den Sachsen ein anderes Bild. In den »fünf neuen Ländern« tobte ein rechtsradikaler Mob. Ausländer wurden durch die Straßen gehetzt, Punks totgetrampelt, Obdachlose bei lebendigem Leib abgefackelt. In den meisten Fällen stellten Polizei und Gerichte fest, dass es sich um Taten von Einzeltätern handelte, also keinerlei rechtsradikaler Hintergrund feststellbar war.

Irgendwann verlangsamte sich die Welle der rechtsradikalen Gewalt im Osten dieser Republik. Zumindest hörte die Berichterstattung darüber auf. Klammheimlich schienen »national befreite Zonen« entstanden zu sein, aus denen die »Linken« eben ab- und keine Ausländer zuwanderten. Und da die Prügel-Nazis älter und »bürgerlicher« wurden, verschwanden sie als Brutalo-Skins aus dem Stadtbild.

Seit zwei Jahren brennen die Flüchtlingsheime, es kommt ständig zu Übergriffen und Attacken. Die Polizei in Sachsen verortet viele grundlegende Probleme nach wie vor bei »Linksautonomen«, wie sich zuletzt bei einer Pressekonferenz zeite. Auch wenn Bomben vor einer Moschee explodieren, werden diese Explosionen als »Vorfälle« bezeichnet, man ermittelt brav »in alle Richtungen«.

Mal ganz ernsthaft: Ich hätte gerne die Sachsen zurück, wie sie Karl May beschrieben hat. Könnten zum Ausgleich die Nazis und ihre Sympathisanten, die derzeit mein Sachsenbild prägen, irgendwohin gehen, wo sie niemanden stören? Nur mal so als Vorschlag ...

28 September 2016

Frecher Höllenheld

Frech und irgendwie sympathisch sieht er aus, der kleine Kerl auf dem Titelbild von »Asmoduin« – wenn man aber liest, was er alles so anstellt, findet man ihn schlagartig nicht mehr so nett. Mit »Asmoduin« hat Jens Schumacher einen sehr unterhaltsamen Roman verfasst, der sich an junge Jugendliche oder etwas ältere Kinder richtet.

Der Untertitel »Nervensäge aus der Hölle« macht dabei schon klar, in welche Richtung es gehen wird. Im Prinzip handelt es sich um einen typischen Schul-Roman – der aber mit vielen phantastischen Effekten aufgeladen worden ist.

Da ich keinerlei Probleme damit habe, mir auch einen phantastischen Roman reinzuziehen, der sich an Leute richtet, die vierzig – und mehr ... – Jahre jünger sind als ich, war ich auf die Lektüre gespannt. Schumacher ist mir als Mensch sympathisch, und seine Romane mag ich ebenfalls. Also gute Voraussetzungen.

Hauptfigur des Romans ist ein echter »Nerd«, allerdings ein sehr junger. Robert Zarkov, genannt »Bob«, geht zur Schule, ist ein absoluter Außenseiter und zugleich ein Held in Sachen Mathematik. Glücklicherweise hat er eine Cousine, die viel Geld hat und ihm immer wieder aus der Patsche hilft.

Als er aber dummerweise einen Teufel beschwört, kann sie ihm auch nicht mehr helfen. Asmoduin kommt tatsächlich aus der Hölle, ist frech und anstrengend, richtet ständig Schaden an und verlangt nach Unmengen von Schokolade. Wenn er bei Bob ist, hat dieser die Hölle auf Erden. Und natürlich hat der Schüler nichts anderes vor, als diese Höllenkreatur wieder in die Unterwelt zurückzuschicken.

Es passiert ziemlich viel auf den Seiten des Buches. Der dickliche Held hat Ärger in der Schule, wird von blöden Punks gejagt (ja, echt!!!), trifft einen obskuren Schriftgelehrten und am Ende sogar einen richtig gefährlichen Teufel. Das alles wird in einem flotten Sprachstil erzählt, der sich eindeutig an jüngere Leser richtet, bei dem ich mich aber auch gut amüsierte.

Die Dialoge zwischen dem Nerd und dem jungen Teufel sind witzig, die Lektüre verläuft rasant. Ein ausgesprochen nettes Buch also, keines allerdings, das man unbedingt kennen muss ... Aber das habe ich natürlich auch nicht erwartet.

27 September 2016

Eliminierung von 1983

In den frühen 80er-Jahren schrieb ich zahlreiche kurze Texte, die ich als Gedichte bezeichnete. Es reimte sich nichts in ihnen, das erschien mir überflüssig, und häufig handelte es sich um politische Themen, die ich in andere Worte zu fassen versuchte. Ein schönes Beispiel dafür ist »Eliminierung«.

Ein Zitat daraus: »Überflute jene mit lauten Rhythmen / die nichts hören wollen!«

So geht es dann weiter: Es folgen viele Beschreibungen zu Sinneswahrnehmungen, die nicht erkannt werden. Das war wahrscheinlich nichts anderes als der Versuch eines damals 19 Jahre alten Schülers, seinen Unmut über gewisse gesellschaftliche Entwicklungen auszudrücken.

»Und denen, die nichts riechen, /stecke das Gesicht / in die Abwässer einer Fabrik!« Das wirkt grob, soll auch ein wenig grob klingen, ist aber als Metapher gemeint.

Der kurze Text mit dem Titel »Eliminierung« wurde am 23. Juni 1983 geschrieben; zumindest sagt dies die handschriftliche Notiz dazu aus. Später erst wurde der Text mit der Typenradschreibmaschine abgeschrieben und in den »Gedichte«-Ordner abgeheftet. Das handschriftliche Original wurde offenbar weggeworfen.

Am 27. September 2016 wurde der Text noch einmal abgetippt. Rechtschreibfehler wurden korrigiert, ansonsten weder am Inhalt noch am Zeilenfall etwas geändert.

Wenn ich mir das alles mit dem Abstand von über dreißig Jahren anschaue, stelle ich eines fest: Den Text finde ich nicht einmal schlecht, auch und gerade deshalb, weil man die Naivität der Jugend so schön nachspüren kann.

26 September 2016

Kein Hass Da und der Hirntrafo

Wann Karl Nagel auf die Idee kam, die guten alten Bad Brains zu nehmen, ihre Stücke in die deutsche Sprache zu übersetzen und dann daraus eine neue Punkrock-Hardcore-Band zu machen, weiß ich leider nicht. Aber irgendwann in den Nuller-Jahren fing er damit an, 2007 gründete sich eine entsprechende Band, die sich Kein Hass Da nannte – und 2010 kam die erste Platte heraus.

»Hirntrafo« enthält zwar auch eigene Stücke der Band, baut aber in erster Linie auf dem Werk der Bad Brains auf. Diese Umsetzung ist musikalisch sehr gelungen: Sowohl bei den schnellen Tempowechseln und Hardcore-Krachern als auch bei den eher ruhigen Reggae-Stücken überzeugt mich die Band.

Und textlich sowieso ... Wenn aus »Gene Machine« ein »Dien’ Maschin’« wird, so finde ich das ziemlich schlau. Aus einem »Banned in D.C.« wird der knallige »Knastplanet«. Ruhig bleibt »I + I Survive« auch, wenn es zu »Ich bin nicht allein« umgearbeitet wird.

Man muss eigentlich schon die Bad Brains mögen und gut kennen, um zu erfassen, was die Band Kein Hass Da eigentlich treibt. Dann aber hat man auf jeden Fall einen großen Respekt vor der Art und Weise, wie die Herren da ihren Punk spielen. Da sitzt jeder Ton, da knallt jede Silbe, da groovt und rotzt und rockt das Ganze, dass es eine wahre Freude ist.

Ich habe »Hirntrafo« schon einige Male im Auto gehabt, und die CD wird nicht eintönig. Sie ist abwechslungsreich, was nicht immer ideal ist – manchmal stressen mich die Breaks –, aber jeglicher Langeweile vorbeugt. Schöne Angelegenheit, sicher mal wieder!

25 September 2016

Immer wieder Bep Xua

Auch wenn ich anfangs der Nuller-Jahre für vier Wochen durch Vietnam reiste, kann ich nicht behaupten, viel von dem Land und – vor allem – seiner Küche zu verstehen. Ich kann also nicht serös beurteilen, ob ein Lokal authentische Küche anbietet oder nicht.

Im »Bep Xua«, einem vergleichsweise neuen vietnamesischen Restaurant in der Kriegsstraße, habe ich aber das Gefühl, dass es sehr authentisch ist. Das kann aber auch daran liegen, dass die dort arbeitenden Menschen so freundlich und höflich auftreten, dass es mich an Vietnam und meinen Aufenthalt dort erinnert.

Die Speisekarte ist übersichtlich, es gibt nicht sehr viele Gerichte. Vegetarier kommen auf ihre Kosten, ebenso Fleischesser. Eine kleine Speisekarte finde ich gut; das beweist meist, dass sehr viel frisch auf den Tisch kommt und nicht Dutzende von Gerichten aus der Tiefkühltruhe kommen.

Alles schmeckt frisch und lecker, ich bin jedes Mal gut gesättigt und habe das Gefühl, etwas Gutes für mich getan zu haben. Nicht die schlechteste Empfindung nach dem Besuch eines Restaurants, wie ich finde ...

23 September 2016

Tutzing-Impression

Ohne viel Worte: So sehe ich aus, wenn ich öffentlich rede und mir vorher weder Gedanken über die Frisur noch über die Kleidung mache. Und was ich mit der Gestik sagen will, weiß ich natürlich nicht mehr.

Ach so: Das Foto wurde in Tutzing aufgenommen, an der Akademie für politische Bildung – ich spreche da gerade über meine Arbeit. Fotografiert wurde von Dominik Kühl.

Lebendiger Blick auf Malta

Malta ist eine Insel, die mich schon immer reizt, die ich aber noch nie besucht habe. Deshalb schaute ich mir mit viel Interesse das kleine Buch »Vanished Inside« an. Es erschien in einem ungewöhnlichen Querformat, was die Fotos schön zur Geltung bringt, und besteht eben aus Fotos und persönlichen Eindrücken des Autors.

Ich mag solche Eindrücke ja, schreibe sie selbst gern auf. Deshalb fiel mir der Zugang zu dem Buch sehr leicht. Mit den Fotos hatte ich auch keinerlei Probleme: Sie zeigten keine touristischen Bilder, weisen nicht auf Sehenswürdigkeiten oder Hotels hin, sondern stellen Menschen ins Zentrum. Die Fotos wirken unverstellt und lebensnah, die persönliche Art der Menschen wird somit gut vermittelt.

Das Buch schwächelt bei den Texten. Sie sind zwar persönlich gehalten und vermitteln durchaus Eindrücke, sind mir aber zu fragmentarisch. Okay, das Buch nennt sich im Untertitel »Private Preview«, und das kann ich sogar unterschreiben – aber für jemanden wie mich, der noch nie die Insel besucht hat, steckt zu wenig an Informations- oder Unterhaltungswert in den Texten.

Es sind keine Kurzgeschichten, die eine unterhaltsame Geschichte servieren, und es sind keine Reportagen, die mir Informationen vermitteln; es wirkt häufig wie Auszüge aus einem Tagebuch, sehr persönlich zwar, aber dadurch ein wenig abschottend. Aber es kann mir ja wirklich nicht alles gefallen ...

(Der Bezug des Buches ist nicht ganz einfach. Wenn man sich dafür interessiert, wird man es kaum im regulären Buchhandel finden. Die Website von p.machinery mag aber weiterhelfen – von dort habe ich das rund 100 Seiten starke und ohne Seitenzahlen auskommende Buch erhalten.)

22 September 2016

Angebot für Dienste

Woher die Mail kam, möchte ich gar nicht erwähnen, aber ich fand sie witzig. »Ich dachte, es wäre sinnvoll«, so begann sie, Autorinnen und Autoren anzuschreiben, gemeint waren »einige willkürlich ausgewählte«. Man wolle sie »befragen«, ob sie sich »eine Zusammenarbeit hinsichtlich des Lektorats« vorstellen könnten.

Diese Mail traf bei mir ein, sie war höflich, und sie enthielt auch den Hinweis auf eine Internet-Seite. Ich schlussfolgerte: Es hat jemand mitbekommen, dass ich Gelegenheitsautor bin, und möchte sich mir als Dienstleister anbieten. Das tat diese Person nicht nur bei mir, sondern augenscheinlich bei ganz vielen Leuten.

Auf die Idee, sich vorher mal anzuschauen, wer denn dieser unbekannte Autor – also ich – sei und was der Autor so alles mache, kam der Dienstleister offenbar nicht. Ich versuchte dann, einigermaßen höflich und doch ironisch zurückzuschreiben.

Womöglich habe ich die Partnerschaft meines Lebens versäumt. Vielleicht wäre es sinnvoll gewesen, mit dieser Person zusammenzuarbeiten. Schließlich kann ich als Hobbyautor schon gelegentlich Unterstützung brauchen, und auch als Verlagsmensch bin ich gelegentlich auf den einen oder anderen Neu-Kollegen angewiesen.

Aber ich stelle mir ernsthafte Fragen: Wie möchte jemand als freier Lektor arbeiten, wenn er oder sie offensichtlich nicht einmal in der Lage ist, vorher im Internet eine Grundrecherche über die Personen zu betreiben, mit denen er zusammenarbeiten möchte? Wie sinnvoll ist es denn eigentlich, »willkürlich ausgewählte« Personen anzuschreiben? Und wie ernsthaft kann jemand glauben, aufgrund solcher Mails eine vernünftige Partnerschaft aufzubauen?

21 September 2016

Anarchus aus Mexiko

Was für ein Geboller! Der Sound, den die mexikanische Band Anarchus seit den 80er-Jahren produziert, ist nichts für schwache Nerven – und er ist auch nichts, was ich mir jeden Tag anhören kann. Ich habe von den Burschen die CD »Vals Of Hate«, die im Jahr 2002 auf einem mexikanischen Label erschienen ist und auf der 24 Stücke zu hören sind, sowohl Studio- als auch Live-Aufnahmen.

Wer sich für Grindcore interessiert, der für meine Ohren die Grenze zu Deathmetal ständig überschreitet, für den sollte die Band eine Offenbarung sein. Auf der CD sind Aufnahmen aus verschiedenen Entwicklungsstufen der Band zusammengefasst: Stücke vom ersten Demo, das 1987 veröffentlicht wurde, Auszüge aus verschiedenen Platten der vergangenen Jahre sowie Aufnahmen von einem Konzert in Florida.

Im Prinzip herrscht bei allen Stücken ein ständiges Doublebass-Gebretter vor, dazu knallen die Gitarren und der Bass, darüber das infernalische Geschrei des Sängers – de Band schafft es bei alledem, durchaus unterschiedliche Stücke zu produzieren. Sogar ich, der ich mit dieser Art von Musik nicht so viel anzufangen weiß, kann das unterscheiden.

Die Band schreit zumeist in englischer Sprache, die Texte haben sogar politische Inhalte. Es geht um die globale Sklaverei, es wird über die katholische Kirche geschimpft, und es gibt eher albern klingende Deathmetal-Titel wie »Dead Messiah«. Das ist dann schon wieder konsequent ...

20 September 2016

Starkes Buch zum Oldenburg-Con

Wie sehr sich die Science-Fiction-Szene verändert hat, belegen unter anderem die Con-Publikationen. In den 80er-Jahren noch handelte es sich dabei meist um eher unterdurchschnittlich gestaltete Hefte, die fotokopiert oder offsetgedruckt wurden. Heute bekommen die Besucher einer Science-Fiction-Veranstaltung richtige Bücher mit auf den Weg, die sie daheim dann in aller Ruhe anschauen können.

Übers Wochenende las ich endlich die Ausgabe 154 des Fanzines »Andromeda«, die seit 1955 vom Science Fiction Club Deutschland herausgegeben wird. Unter dem Titel »Science-Fiction trifft Medizin« ist sie zugleich das Buch zum MediKon One, einer Veranstaltung in Oldenburg, bei der Science Fiction auf Medizin treffen sollte.

Beim Con selbst war ich nicht, das Buch macht aber einen derart guten Eindruck, dass ich das mittlerweile bereue. Extrem lesenswert sind die Beiträge der Ehrengäste: Herbert W. Franke, der Klassiker-Autor der deutschen Science Fiction schlechthin, plaudert aus seinem Leben. Dietmar Dath, der heute wohl die Science Fiction schreibt, man vor allem außerhalb der Sene wahrnimmt, liefert einen bisher unveröffentlichten Auszug aus seinem demnächst erscheinenden Roman.

Dazu kommen haufenweise weitere Beiträge von Personen, die auf dem Con zugegen waren. Es gibt sogar eine Satire, in der ich auch »verwurstet« wurde, und eine sehr schöne Galerie mit vierfarbigen Werken des Grafikers Lothar Bauer.

Das eindrucksvolle Werk ist wie ein Buch aufgemacht: ein großformatiges Paperback mit professioneller Gestaltung (Michael Haitel eben!) und einem Umfang von 156 Seiten. So müssen Con-Bücher heute aussehen und inhaltlich strukturiert sein!

19 September 2016

An der Playa La Barrosa

Bis vor einem halben Jahr hatte ich noch nie von Novo Sancti Petri gehört, auch nicht von Chiclane de la Frontera. Ich wusste, dass es die Costa de la Luz gibt, die andalusische Küste zum Mittelmeer hin, und ich hatte selbstverständlich genügend geografische Grundkenntnisse, um Cadiz auf einer Landkarte zu finden. Mir war irgendwann klar, dass wir in eine Touristengegend reisen würden – aber das war mir egal, weil ich zwei Wochen gammeln, viel essen und noch viel mehr lesen wollte.

Tatsächlich überraschte mich Novo Sancti Petri. Nicht weil der Ort eine echte Relevanz hätte – er besteht aus einem Einkaufszentrum, einem Golfplatz, einer Reihe von Hotels und einigen Häusern mit Appartements –, sondern weil der Strand einfach klasse war. In früheren Jahren war mir das völlig gleichgültig, im Sommer 2016 war das eines meiner Ziele.

Der Sandstrand, die Playa La Barrosa, erwies sich als sehr fein und angenehm; er wurde offenbar morgens geputzt, weil er so sauber aussah.  Mehrere Kilometer lang, gut fünfzig Meter tief – auch wenn viele Leute unterwegs waren, verteilten sie sich gut. Man konnte den organisierten Strandliegen und Strandschirmen gut aus dem Weg gehen, es gab zwischen den Hotelbereichen zudem genügend »private« Stellen, wo sich vor allem die Einheimischen tummelten.

Mit am besten fand ich, dass man – wenn man am Strand entlang ging – die Hotels in den Dünen nicht als riesige Betonklötze wahrnahm. Sie waren nicht hoch, sondern gingen eher in die Breite, fügten sich somit einigermaßen in die Landschaft ein.

Strandurlauber der »reinen Sorte« werde ich sicher nie werden. Aber zum Ausspannen und Ausruhen war dieser gemütliche Strand absolut geeignet; das kann ich absolut weiterempfehlen.

18 September 2016

Und die Burka?

Manche Begegnung auf der Straße ersetzt ein Politik-Seminar. Freitagabend in Karlsruhe, unweit der Polizeisperren und des Nazi-Aufmarsches. Vier junge Männer um die zwanzig Jahre sprechen mich an: »Was halten Sie vom Burka-Verbot?«, fragt der eine recht höflich.

»Ich bin dagegen, die Burka zu verbieten«, antworte ich wie aus der Pistole geschossen.

»Warum?«

»Weil die Leute anziehen sollen, was sie wollen.«

»Ah. Okay.« Er guckt verdutzt, vielleicht deshalb, weil ich so schnell geantwortet habe. Dann bedankt er sich und geht mit seinen Begleitern weiter.

»Halt!«, rief ich und packe ihn am Ärmel. »Dass wir uns klar verstehen: Ich finde die Burka scheiße.«

»Wieso?«

»Sie ist ein Symbol für die Unterdrückung der Frau, sie steht für eine radikale Auslegung einer Religion, die ich nicht teile.« Ich hole Luft. »Ich finde sie scheiße, aber wer sie tragen will, soll sie tragen.«

Er bedankt sich noch einmal und geht weiter. Ich finde: Mehr zu sagen wäre in diesem Augenblick überflüssig gewesen.

17 September 2016

Wieder mal freitagabends

Inwiefern es sinnvoll ist, sich an einem Freitagabend auf die Straße zu stellen und gegen zwei Dutzend Nazis zu demonstrieren, kann ich an dieser Stelle nicht beantworten. Ich denke nach wie vor, dass man den Nazis nicht die Straße überlassen muss – und wenn die Karlsruher Nazis unter Beteiligung von NPD und Kameradschaften auflaufen, muss es eine Gegendemonstration geben.

Am Freitag, 16. September 2016, fragte ich mich allerdings schon, was die Stadtverwaltung in Karlsruhe reitet, alle zwei Wochen diesen Zinnober zu genehmigen. In Karlsruhe wird das Verbot der NPD vor dem Obersten Gericht verhandelt, in Karlsruhe sorgt die Polizei durch rüpelhaftes und machomäßiges Auftreten dafür, dass Nazis ungestört ihre Parolen verbreiten und jugendliche Antifas eingeschüchtert werden.

Das muss ich nicht verstehen. Viel mehr gibt es über die Demonstration eigentlich nicht zu sagen. Vor zwei Wochen waren wohl mehr Nazis auf der Straße, sie liefen auch eine längere Strecke. Für die zwei Dutzend Personen, die ich schätzte, gab es immerhin einge gekürzte Route. Schätzungsweise 250 Nazigegner begleiteten die Reden und den Aufmarsch mit Protestgeschrei und Tröten.

Unverständlich blieb das Verhalten der Polizei. Zeitweise traten die Beamten korrekt auf, dann rannten sie wieder in Kolonnen durch die Gegend, als gelte es, Schwerverbrecher zu fassen. Eine Gruppe von jugendlichen Antifas wurde zeitweise in irritierender Weise bedrängt, dann konnte man auf einmal wieder problemlos die Sperren passieren.

Sagen wir es so: Ich habe Abende in Karlsruhe schon langweiliger verbracht, habe mich aber auch schon weniger geärgert. Vielleicht hätte ich auch gleich in den Biergarten gehen sollen – man weiß es nicht.

16 September 2016

Eine Show mit drei jungen Frauen

Auf einmal ertönte Musik. Ich schreckte aus meinem Buch hoch, in dem ich bisher gelesen hatte, faul auf der Liege gammelnd, im Schatten eines Sonnenschirms. Bis zu dieser Minute hatte ich den Pool des Hotels geliebt, in dem wir für zwei Wochen urlaubten – es war ruhig, die Leute ließen mich die Dinge tun, die ich endlich einmal tun wollte, und ich wurde nicht unnötig von der Seite angequatscht. Doch jetzt ertönte die Musik.

Ich erhob mich aus meiner liegenden Position, stützte mich auf den Ellbogen auf. Tatsächlich hatte jemand auf der anderen Seite des Pools, ganz in der Nähe des Eingangs zum unteren Teil des Hotels, jemand zwei große Boxen aufgestellt, aus denen jetzt alberne Disco-Techno-Musik wummerte.

Es war nicht übertrieben laut, ich würde es gut ausblenden können, aber ich wunderte mich. Zu einem »calm hotel« passte das wohl kaum.

Ein schlanker Mann in kurzer Hose und Polohemd griff nach einem Manuskript. Erst jetzt verstand ich, was die zwei schlanken Damen in knappen Bikinis auf der anderen Seite des Pools zu bedeuten hatten: Es war eine Art von Show. Der Mann erklärte es auf deutsch und auf englisch, und dann kapierte ich es auch – ich erlebte die erste Bikini-Show meines Lebens.

Insgesamt drei junge Frauen, allesamt hochgewachsen und schlank, stöckelten danach um den Pool herum. Sie zogen sich immer wieder um, irgendwo im Hotel wahrscheinlich, und drehten danach erneut eine Runde. Sie drehten sich, präsentierten dem staunenden Publikum – zu gut 60 Prozent waren es Rentnerinnen und Rentner – die Hintern und die Oberteile, sie lächelten strahlend und stöckelten weiter.

Der Moderator erklärte die Mode, die Musik wummerte im Hintergrund, und ich verlor das Interesse. Weder für die Kleidung war ich die richtige Zielgruppe noch für die Damen und die Musik. Da fand ich das Buch einfach spannend.

Aber ich freute mich über die kostenlose Erweiterung meines kulturellen Horizonts. Manchmal muss man bis nach Andalusien reisen, um endlich mal eine Mode-Präsentation mit viel nackter Haut zu sehen ...

15 September 2016

Coca Cola ist wie Heimat

Wenn ich in diesen Tagen die Zeit finde, mit meinem Fahrrad durch die Gegend zu düsen, ist es – wir haben halt doch September – abends schon sehr früh dunkel. Nicht nur einmal lande ich da bei dämmerigem Licht oder gar bei Dunkelheit auf irgendwelchen Straßen oder Wegen.

So dieser Tage. Ich hatte mich zwischen den Dörfern und dem Wald nicht gerade verfahren, aber die Zeit aus den Augen verloren. Und als ich zwischen Eggenstein-Leopoldshafen und Karlsruhe-Neureut unterwegs war, wurde es immer düsterer und dunkler.

Ich fuhr über einen Weg, der nicht geteert war; kleine Steinchen spritzten in die Dämmerung. Rechts und links von mir standen die Maisfelder in voller Pracht – ich sah nicht weit und kam mir vor wie in einer Stephen-King-Verfilmung. Mein Licht reichte nicht viel weiter als einige Meter.

Um es klar zu sagen: Ich wusste in etwa, wo ich bin, aber an einer Abzweigung hatte ich weder eine Ahnung, wo der Rhein war noch wo ich Karlsruhe finden würde. Sollte ich links oder rechts fahren, geradeaus oder wieder zurück? In den Maisfeldern gab es schließlich keine Straßenschilder, das war auf der Landstraße dann natürlich viel besser.

Langsam fuhr ich in eine Richtung, dann sah ich ein rotes Schild. Es schimmerte über die Maisfelder hinweg. Ich wusste wieder, wo ich war – in der Nähe der »Coca Cola«-Abfüllanlage von Neureut.

Der Rest war ein Kinderspiel. Und seither weiß ich: Coca Cola ist – zumindest eingeschränkt – für mich wie Heimat.

14 September 2016

Jeden Tag nur eine Stunde

Wenn ich in diesen Tagen gelegentlich davon erzähle, dass ich an einem Buchprojekt arbeite, so ist das blutig ernstgemeint. Tatsächlich halte ich mich an einen Trick, den Andreas Eschbach in einem Seminar in Wolfenbüttel erzählt hat. Er berichtete von John Grisham, der als Rechtsanwalt arbeitete und unbedingt einen Roman schreiben wollte.

»Dann stand er morgens eine Stunde früher auf« – und das war's. Wer nämlich morgens eine Stunde schreibe, schaffe locker eine Seite oder auch drei Seiten, und wenn er das längere Zeit mache, komme gewissermaßen von selbst ein Roman zusammen.

Diesen Trick übernehme ich seit eineinhalb Jahren. Ich stehe im Schnitt um halb sieben Uhr auf, manchmal sogar früher, mache Kaffee, dusche, frühstücke und räume auf, und spätestens um halb acht Uhr schreibe ich. Meist schreibe ich eine Stunde, manchmal sind es auch zwei Stunden – zwischendurch beantworte ich sogar E-Mails. Ich bin dabei nicht gestresst, sondern fühle mich geradezu glücklich.

Auf diese Weise bekam ich das Kurzgeschichtenbuch »Für immer Punk?« fertig, an dem ich lange herumgedoktert hatte, und auf diese Weise schreibe ich Tag für Tag und Woche für Woche an meinem Fantasy-Romanprojekt. Ich muss das morgens tun, weil ich abends den Kopf voll mit Science-Fiction-Geschichten »meiner« Autoren habe. Nur morgens habe ich den Kopf für meine eigenen Geschichten frei, abends nicht mehr.

Somit bin ich sehr optimistisch, bis Ende des Jahres den Fantasy-Roman fertigzuschreiben, den ich veröffentlichen möchte. Wie und wann das geschehen soll, das ist dann eine andere Geschichte. Ein Schritt folgt auf den anderen: wie im richtigen Leben, so auch bei mir als Gelegenheitsschriftsteller.

13 September 2016

Disco//Oslo sind derzeit meine Lieblinge

Ich weiß ja nicht, wie die vier Musiker von Disco//Oslo das hinkriegen – aber sie haben es geschafft, sich mit ihrer zweiten Platte noch einmal zu übertreffen. »Tyke« erschien im Mai diesen Jahres, die Platte enthält 13 Stücke, und die gefallen mir alle.

Wer unbedingt einen Vergleich ziehen will, der nehme Pascow – beide Bands erscheinen sowieso auf demselben Label. Beides Mal gibt es einen dynamischen Punkrock, beides Mal einen schreienden Gesang, dazu kommen schlaue Texte. Die Oldenburger sind allerdings eigenständig genug, dass der Vergleich nicht zu oft kommen sollte.

Die Stücke werden geradezu explosiv präsentiert, als ob die Musik aus der Band geradezu herausbräche. Dabei sind die Instrumente durch die Bank knallig, nicht alles konzentriert sich auf den Sänger. Ich mag zudem die melodische Ebene der Stücke, hier lässt es die Band an nichts fehlen.

In den Texten schreckt man nicht vor ungewöhnlichen Sprachbildern zurück. Immer mal wieder gibt es einen Szenebezug – etwa im Stück »400 K« –, der aber ohne moralisch erhobenen Zeigefinger: »Und Punk ist tot, obwohl das Herz noch immer schlägt / etwas Salz in jeder Wunde / aber alles gut vernäht« ...

Und wenn es an die Politik geht, kommen keinen Parolen, sondern man wirft einen sarkastischen Blick auf allerlei gesellschaftliche Entwicklungen. Ein Zitat aus dem Stück »Kiez« belegt das vielleicht ganz gut: »Unterm Pflaster liegt der Sondermüll, wo liegt der Strand / der letzte Baum steht einsam mit dem Rücken an der Wand.«

(Okay: Wer die Anspielung auf »Unterm Pflaster liegt der Strand« nicht kapiert hat, ist wahrscheinlich zu jung. Aber das sind die vier Musiker eigentlich auch ...) Hin wie her: eine Superplatte!

12 September 2016

Am Alten Hafen

Wie schön die Gegend rings um Karlsruhe ist, wird mir meist erst dann bewusst, wenn ich mit dem Rad unterwegs bin. Direkt neben der 300.000-Einwohner-Stadt mit ihren Industrien und Kraftwerken, mit ihrem Autobahndreieck und all den anderen Zeichen von Überbevölkerung und Industrialisierung gibt es nämlich richtig schöne Ecken.

Am Wochenende nahm ich mir die Zeit und radelte in die Arme des Altrheins hinein. Vor allem bei Eggenstein, einem Ort nördlich von Karlsruhe, kam ich an wunderschöne Örtlichkeiten; so finde ich beispielsweise das sogenannte Schmugglermeer beeindruckend. Anhalten sollte ich allerdings nicht – weil im stehenden Altrhein-Gewässer gern auch ungezählte Stechmücken unterwegs sind.

Ich fuhr in Eggenstein durch das Gebiet des Alten Hafens, rechts und links des Weges stehendes Gewässer, schillernd in der Sonne, intensiv riechend. Totholz lag im Wasser, Bäume und Büsche wuchsen aus dem versumpften Gelände. Ich erreichte einen Punkt, den ich schon immer interessant fand – dort überquerte eine alte Fußgängerbrücke den Altrheinarm, ein monströses Ding aus Stahl, das wie ein Relikt aus alten Zeiten in den Auenwäldern stand. Mit dem Rad konnte ich drüberfahren, aber wackeln sollte ich dabei nicht.

Dort stellte ich fest, dass es einen schmalen Fußweg gab, nicht viel breiter als die Lenkstange meines Fahrrads. Weil ich neugierig war, fuhr ich dort weiter, sehr langsam allerdings, weil ich keinen Lust hatte, in ein Gebüsch zu purzeln oder gar die Böschung hinunter in den sumpfingen Althrein zu rutschen. Stellenweise musste ich schieben, irgendwann ließ ich das Rad stehen.

Ich ging weiter, die letzten zehn, zwanzig Meter. Die beiden Altrheinarme rechts und links von mir vereinten sich vor meiner Nase, ich stand an der Spitze einer Landzunge, die mir einen offenen Blick auf den Rhein gewährte. Rechts und links wucherte das Grün der Büsche und Bäume, Insekten summten in der Luft, ich war klatschnass geschwitzt.

Es war wie in den Tropen. Und während ich so dastand, gelegentlich ein Insekt erschlug, das sich auf meinen Armen und Beinen niederließ, und mir vorkam, als sei ich in der Wildnis gelandet, fuhr vor meiner Nase ein riesengroßes Schiff vorbei, ein Schlepper, der kein Ende finden wollte. Das zerstörte mir dann doch irgendwie die Stimmung.

11 September 2016

Hochsommerabend Septembersamstag

Dass wir September hatten, merkte man an diesem Samstagabend eigentlich nicht. Die Luft war warm, als hätten wir Mitte August, und als wir mit den Rädern durch die Innenstadt rollten, waren die Straßen voller Menschen in leichter Kleidung: kurze Hosen, T-Shirts, Röcke und Kleider, keine Jacken, keine Pullover. Die Stimmung wirkte ebenfalls hochsommerlich, mit diesem Hang zur Euphorie, den man im Herbst und vor allem im Winter ja nie wahrnimmt.

In der Waldstraße veranstalteten die örtlichen Firmen ihr Fest. Es war unmöglich, die Straße zu überqueren. Schon weit davor waren überall Fahrräder geparkt, die Straße selbst stand voller Menschen, die aßen und tranken, die einer Rock'n'Roll-Band zuhörten, die tanzten und redeten und sich amüsierten.

Wir umgingen die Straße, stellten unsere Räder am Ludwigsplatz ab und setzten uns an einem Biertisch vor dem »Sen« zu zwei jungen Frauen. Das vietnamesische Essen war wie immer lecker, die Stimmung wunderbar. Menschenmassen fluteten auf der Straße vorbei, am Ludwigsplatz war jeder Stuhl besetzt, irgendwo spielte eine Jazz-Kapelle, man hörte gut ein Dutzend verschiedener Sprachen auf der Straße.

Dann fuhren wir zum Schloss. Zwischen den Häusern, die den Zirkel säumten, und dem Schloss, schienen an diesem Abend einige zehntausend Menschen unterwegs zu sein. Vor den Wagen der Foodtruck Convention drängten sich die Leute, es gab Crèpes und Burger, Bier und Wein. Alles war friedlich und fröhlich.

Wir stellten die Räder ab und bummelten zum Schloss. Überall saßen und standen die Leute, alle Grünanlagen waren überfüllt, alle Treppenstufen; es wurde gefilmt und geknipst. Viele hatten Campingstühle und Decken mitgebracht, ich kam mir richtig schlecht organisiert vor.

Auf der Freifläche vor dem Schloss fanden wir mit Mühe noch einen Platz, wo wir uns auf den warmen Steinboden setzen konnten. Es war nach 22 Uhr, und die Luft vibrierte vor positiver Stimmung.

Wir schauten uns die beeindruckende Show »Fragments« an, die ich schon im vergangenen Jahr als beste empfunden hatte, sowie zwei weitere Shows, die ebenfalls eindrucksvoll waren, aber nicht mit dem Werk der ungarischen Künstler mithalten konnte. Die Schlosslichtspiele von Karlsruhe sah ich 2015 einige Male, und auch 2016 saß ich schon dreimal vor dem Schloss und staunte.

Als wir irgendwann nach Hause fuhren, durch eine Innenstadt, in der – trotz Zigtausender Menschen aus zahlreichen Nationen – alles friedlich und gelassen schien, fühlte ich mich in Karlsruhe sehr glücklich. Ich nahm mir vor, diesen Eindruck mitzunehmen und mich nicht von Feiglingen und Miesepetern die Laune verderben zu lassen!

09 September 2016

1992 bildete die Trennlinie

In diesen Tagen läuft geradezu eine Welle der Erinnerung durch die Science-Fiction-Szene – kein Wunder, denn im September werden einige Jubiläen gefeiert. Die Fernsehserie »Star Trek« bejubelt ihren fünfzigsten Geburtstag, meine Lieblingsserie, für die ich ja arbeite, wird in diesen Tagen auch 55 Jahre alt. Das bringt den einen oder anderen Medienschaffenden auf die Idee, über unser Genre zu berichten, und das finde ich gut.

Mich brachte das auf den Gedanken, an mein »Wechseljahr« zu denken. Das ist zwei Dutzend Jahre her, gemeint ist 1992: Es war mein letztes Jahr als »Fan« und gleichzeitig mein erstes Jahr als »Profi«. Was beides nicht stimmt. Science-Fiction-Fan bin ich schließlich heute noch, und mein erstes Geld mit der Science Fiction verdiente ich 1980 ...

Aber 1992 bildet eine Trennlinie. Im Frühjahr dieses Jahres veranstalteten einige Freunde und gute Bekannte zusammen mit mir einen Science-Fiction-Kongress – auf gut fan-deutsch einen Con. Da dieser in meiner Heimatstadt Freudenstadt ausgerichtet wurde – was vor Ort niemanden interessierte –, nannten wir das Ganze dann auch FreuCon '92.

Frans Stummer entwarf ein tolles Logo, das in verschiedenen Variationen benutzt und eingesetzt wurde. Ich zeige hier eine Ansicht, die wir oft auf gedrucktem Material zeigten. Und dann höre ich auch schon auf mit diesem Rückblick ... also so gut wie: Es war eine tolle Veranstaltung, fast 800 Leute aus 20 Ländern kamen in den Schwarzwald – und es war meine Verabschiedung von Freudenstadt, wenn man es genau nimmt.

Im Herbst 1992 zog ich aus der Stadt weg, in der ich aufgewachsen und zur Schule gegangen war. Und ich wechselte in den Verlag, in dem ich heute noch tätig bin. Insofern bildete 1992 eine wesentliche Trennlinie in meinem Leben ...

08 September 2016

Rasanter Gangster-Thriller

Dass ich Robert B. Parker für einen hervorragenden Autor halte, der in seinen Krimis neben viel Spannung auch eine tüchtige Portion »Lebensgefühl« aus den Vereinigten Staaten transportiert, habe ich gelegentlich erwähnt. Mit »Terror auf Stiles Island« las ich dieser Tage endlich den zweiten Band seiner Serie um den Polizisten Jesse Stone, die hierzulande in einer schönen Neuausgabe im Pendragon-Verlag veröffentlicht wird.

Der Roman bietet zwei unterschiedliche Richtungen an: Auf der einen Seite gibt's einen knallharten Krimi um Gangster, die eine Insel ausrauben wollen, auf der vor allem wohlhabende Bürger wohnen, auf der anderen Seite geht's um die persönliche Entwicklung der Hauptperson. Beides hält sich bei Parker in der Waage, ohne dass es einen deutlichen Vorteil für eine Seite gäbe – und ohne dass der »emotionale Teil« irgendwie langweilig wäre.

Das liegt sicher daran, dass Parker seine Hauptfigur und alle Nebenfiguren so klar in Szene setzt. Jesse Stone ist Alkoholiker, versucht aber, seine Sucht in den Griff zu bekommen. Als Polizeichef einer kleinen Stadt an der amerikanischen Ostküste – in der Nähe von Boston gelegen – hat er es mit den unterschiedlichsten »Mächten« zu tun, während er sich über seine Gefühle zu seiner Ex-Frau ebensowenig im Klaren ist wie über sein Verhältnis zu einer Immobilienmaklerin.

Dann aber machen sich Gangster in der Stadt breit, eine Insel wird abgeschottet, es kommt zu Überfällen und Geiselnahmen, dann geschehen Morde, und letztlich muss sich Jesse Stone als klarer und knallharter Polizist gegen die Gangster durchsetzen. Das ist rasant erzählt, mit schnellen Dialogen und einer Action, die nicht ausufert, sondern recht nachvollziehbar abläuft.

Parker macht in seinem Stil eine Reihe von Dingen, die ich eigentlich hasse. So springt er von Kopf zu Kopf, hält also keine saubere Erzählperspektive ein – das stört mich seltsamerweise nicht, weil er das so spannend macht, dass ich mich nicht wundere.

»Terror auf Stiles Island« ist packende Krimi-Unterhaltung, die man jederzeit lesen kann. Der Roman ist auch für die Leser kapierbar, die sich im Jesse-Stone-Universum nicht auskennen, und wer sich für spannende »Hard-boiled«-Krimis interessiert, muss hier einfach zugreifen.

07 September 2016

Mein neues Buch ist da!

Ich überschlage mich schon den halben Tag über vor lauter Begeisterung: Mein neues Buch ist da, die Belegexemplare wurden mir mit der Post geschickt. »Für immer Punk?« ist ein superschicker Hardcover-Band geworden, der richtig gut aussieht und mir hervorragend gefällt. Da hat der Verlag – es ist Hirnkost – einen hervorragenden Job gemacht.

Warum das Buch bei Amazon als Taschenbuch gelistet ist, weiß ich nicht. Ich garantiere, dass die Version, die ich hier liegen habe, eindeutig ein Hardcover ist – ohne Schutzumschlag, aber gebunden und richtig stabil. Es umfasst 318 Seiten und kann überall im Buchhandel bestellt werden, logischerweise auch über die bekannten Versender und dergleichen.

Worum geht's eigentlich? Das Buch enthält Kurzgeschichten, die im weitesten Sinn etwas mit Punkrock zu tun haben. Die meisten Geschichten sind autobiografisch gefärbt, aber es sind selbstverständlich Geschichten – also Texte mit erfundenen Dialogen und ebenso erfundenen Szenen. Das muss ich deshalb dazu sagen, weil die Stories in Ich-Form geschrieben sind und der Ich-Erzähler meinen Vornamen hat ...

In den nächsten Tagen wird das Buch in den Handel gelangen; ich hoffe, dass es sich einigermaßen verkaufen wird. In meinem Blog werde ich gelegentlich auf den Inhalt hinweise und ebenso gelegentlich kleine Auszüge aus dem Buch präsentieren.

06 September 2016

Nebel im Schwarzwald

Wir verließen Freudenstadt am späten Nachmittag. Die Sonne schien nicht, es war wolkig, aber die Temperaturen waren immer noch spät sommerlich. Weil ich einmal wieder über die Schwarzwaldhochstraße fahren wollten, nahmen wir nicht die Route, die direkt ins Tal führte, sondern die, mit der man auf den Höhenkamm des Nordschwarzwalds kam.

Auf der Höhe der Alexanderschanze erreichten wir die Wolken. Anders gesagt: Es setzte eine Nebelsuppe ein, wie ich sie schon lange nicht mehr erlebt hatte. Obwohl ich die Strecke nicht gerade zum ersten Mal fuhr, musste ich aufpassen, die Abfahrt auf die eigentliche Schwarzwaldhochstraße nicht zu verpassen.

Ich bog rechts ab, sah keine Verkehrsschilder, keine Leitplanken und auch sonst nichts mehr. Dicker Nebel hatte sich auf die Höhenzüge gelegt, er schimmerte in einem hellen Grau, weil irgendwo über uns ja noch die Sonne schien. Nur drang sie nicht auf den Boden durch, und die Scheinwerfer meines Autos schafften es nicht, ihr Licht weit zu streuen.

Es war spannend; in langsamem Tempo rollten wir über die kurvenreiche Straße. An Stellen, von denen ich wusste, dass ich einen schönen Fernblick haben könnte, machte ich entsprechende Bemerkungen. Den Schliffkopf nahm ich nur wahr, weil wir den Parkplatz passierten. Und als es ein wenig abwärts ging und wir auf den Ruhestein zufuhren, war ich echt erleichtert, als der Nebel wich.

Der Mummelsee sah danach im dichten Nebel beeindruckend aus, in dieser Suppe hätte ich jeden Monster-Film geglaubt. Das Licht des Hotels schimmerte durch die Nacht, der See dahinter war nur zu erahnen. Weitere markante Punkte der Strecke erkannte ich erst gar nicht.

Die Straße nach Sasbachwalden war kurvig wie eh und je, aber es wurde heller – und als wir aus dem Wald herauskamen, die Wolken in unserem Rücken und die Rheinebene zu unseren Füßen, war ich richtig glücklich.

01 September 2016

Jens Balzer und der Pop

Als ich Jens Balzer das letzte Mal sah, spielte Jello Biafra im Berliner Club »SO 36«. Er schrieb einen Artikel für die »Berliner Zeitung« und wirkte sehr lässig; ich hüpfte später durch den Pogo-Mob, weil ich mich so freute.

Kennengelernt haben wir uns irgendwann in den frühen 80er-Jahre, zuerst schriftlich, wie das damals üblich war. Er veröffentlichte mit 14 Jahren sein erstes Fanzine, damals noch schwer von einer Science-Fiction-Romanserie beeinflusst, das den schönen Namen »Vandenberg« trug. Später wirkte er auch an anderen Heften aus dem Science-Fiction-Fandom mit; da trafen wir uns auch.

Er besuchte mich in Freudenstadt, er kam zum FreuCon in das Jugendzentrum »Murgtäler Hof«, und einmal war ich bei ihm in Tostedt. Dann wurden unsere Kontakte ein wenig dünner, weil er sich aus dem Fandom verabschiedete. Wir trafen uns dennoch auf dem Comic-Salon in Erlangen oder auf der Buchmesse in Frankfurt.

Irgendwann landete er als Redakteur bei der »Berliner Zeitung«, für die er über Pop und Punk, über Jazz und alles andere schrieb, meist mit einem ironischen Unterton, wie er für Jens Balzer in all den Jahren typisch war. Vor einigen Wochen erschien im Rowohlt-Verlag ein Sachbuch von ihm, bei dem ich allerdings noch nicht weiß, ob ich es mir besorgen soll oder nicht.

»Pop« heißt das Buch schlicht. Der Untertitel »Panorama der Gegenwart« macht klar, dass Jens Balzer mehr als nur Musik schildern will. Immerhin ist es – so die Verlags-Information – »die wichtigste Kunstform der Gegenwart«, und das macht doch neugierig.

Ach, schauen wir mal ...