30 September 2013

Fannisch anfangs 1980

Aus der Serie »Ein Bild und seine Geschichte«

Wenn meine Erinnerungen nicht trügen und alle Aufzeichnungen irgendwie zusammenpassen, hatte ich meine erste Begegnung mit Science-Fiction-Fans außerhalb von Freudenstadt am 19. April 1980: Da fuhr ich mit dem Rad nach Nagold, wo drei Jugendliche beschlossen, das sogenannte Club-Kontakt-Netz zu gründen.

Das war reichlich größenwahnsinnig, und dazu habe ich bereits einen längeren Artikel verfasst. Das schönste bei alledem: Es gibt von dieser wunderbaren Veranstaltung tatsächlich ein Fotodokument. Mehr als dreißig Jahre später kann das auch mit einem breiten Grinsen veröffentlicht werden – was damals outfittechnisch okay war, was mir irgendwie zwanzig Jahre zwischendurch eher peinlich vorkam, ist mir heute wieder egal.

Die Style-Police hätte ihre Freude an dem Hemd und vor allem der Frisur gehabt; der junge Mann rechts im Bild bin übrigens ich. Sehr punkig sieht das nicht aus. Im Frühjahr 1980 war das einfach normal. Und aus dem Club-Kontakt-Netz wurde sowieso nichts ...

29 September 2013

Ein Thaddäus für Matthias

Man kann nicht behaupten, dass ich Matthias Kehle sehr gut kenne. Seinen Namen kannte ich schon in den 80er-Jahren, als er für kleinauflagige Literaturzeitschriften schrieb. Gelegen habe ich von ihm in den vergangenen Jahren viele Gedichte, die mir – obwohl ich da nicht viel Ahnung habe – stets gefallen haben. Getroffen haben wir uns einige Male, und bei einer Lesung hat er mich einmal anmoderiert.

Jetzt erhielt der in Karlsruhe lebende Schriftsteller, der mir persönlich sehr sympathisch ist, den Thaddäus-Troll-Preis, der vom Förderkreis deutscher Schriftsteller in Baden-Württemberg verliehen wird. Dafür gibt's zudem ein anständiges Preisgeld, was ich sehr begrüße: Als freier Schriftsteller wird man bekanntlich im Normalfall nicht reich.

Auf diesem Weg: herzliche Gratulation zu diesem Preis! Es hat hier auf jeden Fall den »Richtigen« getroffen.

28 September 2013

Sprechblasen in der Sprechblase

Als ich in den ganz frühen 80er-Jahren auch immer stärker mit der Comic-Szene in Verbindung kam, hatte das Magazin »Sprechblase« seinen ganz eigenen Charme: Es wandte sich an die Comic-Nostalgiker, an die »alten Männer« (aus meiner damaligen Perspektive), die vor allem an alten »Sigurd«- und »Akim«-Geschichten Interesse hatte. Vor allem war es ein sorgsam getarnter Verkaufskatalog für die Aktivitäten des Verlegers; das Magazin diente in meiner Wahrnehmung auch stets dazu, die neuen Comics des Hethke-Verlages zu bewerben.

Das ist lange her. Schaue ich mir heute eine »Sprechblase«-Ausgabe an, werde ich immer wieder mit gut zu lesenden, informativen und auch überraschenden Beiträgen überrascht. Ein schönes Beispiel dafür ist die Nummer 227, die im Juni 2013 erschienen ist und gewissermaßen das Jubiläumsheft zum 35. Geburtstag des Heftes darstellt.

Die alte Verbindung zu den Fans klassischer Comis ist geblieben. Welches Farbmagazin berichtet heute noch über Piccolo-Hefte und kleinauflagige Fan-Publikationen? Wo sonst würde die alte italienische Serie »Fulgor« so schön gewürdigt? Wer sonst würde einen uralten Zeichner wie Harry Ehrt mit detektivischen Mitteln aus der Versenkung holen?

Aber längst sind die Schwerpunkte auch moderner geworden. Es geht um die Neuauflage der alten »Prinz Eisenherz«-Geschichten oder um den neunzigsten Geburtstag des Superhelden-Erfinders Stan Lee ... okay, dabei handelt es sich um eine Verneigung vor der Comic-Vergangenheit.

Vielleicht kriege ich so die Kurve: Die »Sprechblase« von heute ist in gewisser Weise immer noch nostalgisch, längst aber in einem positiven Sinne. Man verneigt sich vor der Vergangenheit und guckt bereitwillig in sie zurück, verbindet sie aber mit der Gegenwart und glorifiziert sie nicht mehr.

Das Magazin ist auf jeden Fall empfehlenswert und lesenswert – sehr schön! Ach ja: Man kriegt's im Comic-Handel, kann es aber auch abonnieren. Die Internet-Seite hilft da weiter.

27 September 2013

Beim ordentlichen Italiener

In Ettlingen, der kleinen, aber schönen Stadt direkt neben Karlsruhe, gehört das »Padellino« zu den Gaststätten, die wohl jeder kennt. Wir waren kürzlich zum ersten Mal dort, auf Vorschlag von Freunden, die in Ettlingen wohnen. Ich kannte das Restaurant nicht, was kaum verwundert: Es liegt in einer Seitengasse, und man muss buchstäblich wissen, dass es das »Padellino« gibt, um es zu finden.

Die großzügige Gaststube ist recht konventionell eingerichtet und wird gut frequentiert; alle Tische waren an diesem Abend besetzt. Ich bestellte eine Suppe und eine Pizza – bei so etwas kann man eigentlich immer rasch herausfinden, ob ein italienisches Restaurant für meinen Gaumen taugt. Meine Begleiter ließen sich auf Fleisch- und Fischgerichte ein.

Eine freundliche Bedienung, die auf Zack war, dazu leckerer Wein – und für mich als Autofahrer dann viel Saft – und ein Essen, das allen schmeckte; so muss es sein. Wir waren hochzufrieden.

Das »Padellino« ist keines dieser Restaurants, die in irgendwelchen Reiseführern oder Genussfibeln stehen; sondern schlichtweg »ein ordentlicher Italiener«. Im Gegensatz zu manch übertrieben »edlem Italiener« mit überkandideltem Scheißdreck ist mir das aber viel lieber. Ich bin sicher, dass ich nicht zu letzten Mal die Seminarstraße in Ettlingen angesteuert habe.

Hardrockpunk aus Kölle

Eine Band, die den »AC/DC Sunday« besingt und sich über vollgesoffenen Kopf und andere Spätfolgen von zuviel Alkohol auslässt, kann schon mal nicht schlecht sein. Black Sheriff aus Köln bollern sich auf ihrer dritten Platte, die den schönen Titel »Night Terrors« trägt, durch zwölf wuchtig-rotzige Stücke.

Dabei lässt die Band, die es seit 2007 gibt, auf ihrem Weg in den Hardrock-Himmel nichts aus: knüppeligen Sound mit einem Schuss Punk wie in »Turn Me On«, Metal-Gefiedel wie in »Drink And Get High«, allerlei Bluesrock-Anleihen oder punkiges Geboller. Die Texte bringen haufenweise Rock-Klischees, sind aber immer wieder auch mit einem gewissen Augenzwinkern verbunden.

Klar, das ist Hardrock, und ich vermute, dass ich es live nicht lange aushielte. Bei der Fahrt zur Arbeit machte mir das rockige Geboller in den vergangenen Tagen aber immer mal wieder richtig viel Spaß. Na also.

26 September 2013

Ein Gerichtskrimi aus Bari

Der italienische Schriftsteller Gianrico Carlofiglio war mir seit einiger Zeit bekannt; ich hatte einen Roman von ihm gelesen und einige Kurzgeschichten in Anthologien vor die Augen bekommen. Deshalb ging ich mit großen Interesse an den Roman »Reise in die Nacht« heran. Dieser ist schon 2002 hierzulande als Hardcover erschienen, es gibt ihn auch als Taschenbuch – es ist der erste Teil einer Reihe von Gerichtskrimis, in denen der Rechtsanwalt Guido Guerrieri im Zentrum steht.

Guerrieri ist eigentlich eine gescheiterte Existenz: Als Rechtsanwalt in Bari verteidigt er gern auch mal Leute, denen er insgeheim jegliche Schuld zuspricht; seine Frau ist ihm buchstäblich weggelaufen, und eine Depression hat ihn immer mehr in ihren Klauen. In dieser Situation kommt dem Anwalt, der nach außen hin die bürgerliche Tarnung hervorragend aufrechthält, ein seltsamer Fall in die Quere.

Ein Senegalese, der am Strand vor allem mit gefälschten Markenartikeln handelt, wird beschuldigt, einen neunjährigen Jungen entführt und ermordet zu haben. Die Beweise machen klar, dass er schuldig sein muss, doch der Mann beschwört seine Unschuld. Und Guerrieri, der eigentlich eher faul ist, wird an seiner Ehre gepackt und beschließt, sich um den Fall zu kümmern.

Was wie ein vergleichsweise harmloser Krimi klingt, entwickelt sich zu einer überaus packenden, psychologisch dicht gewobenen Geschichte. Im Prinzip erzählt der Autor zwei Geschichten: die des Afrikaners, der unschuldig vor Gericht steht, und die des Anwalts, der sich in sein eigenes Leben zurückkämpft.

Der Autor weiß, wovon er schreibt: Er wohnt selbst in Bari, und er arbeitet dort als Richter, hat sich schon mehrfach mit der Mafia angelegt. Seine Hauptfigur schildert er derart glaubhaft, dass man das Bild seines Helden geradezu vor sich sieht. Und obwohl es in diesem Roman keine einzige »echte« Action-Szene gibt, ist er richtig spannend, sogar in den Szenen, die im Gericht spielen und viele Zeugenbefragungen und Plädoyers haben.

Von Gianrico Carofiglio sind hierzulande weitere Bücher erschienen. Ich habe bereits weitere auf meiner »Dringend zu kaufen und zu lesen«-Liste ...

25 September 2013

Colonia ruft

Es ist gut dreißig Jahre her, seit ich meinen ersten ColoniaCon besucht habe. Um es genau zu wissen, müsste ich in meinen Archiven wühlen; das ist im Moment nicht wichtig. Die Veranstaltung war damals schon im Jugendpark in Köln-Deutz, und ich fand das damals großartig. Der ColoniaCon war über Jahre hinweg ein wichtiger Grund für mich, nach Köln zu fahren, mit den Kölnern allerlei Bier zu trinken, sogar das seltsame Kölsch, und mich auch halbwegs ernsthaft über Science Fiction und Krachmusik zu unterhalten.

Für Pfingsten 2014 haben die Kölner jetzt erneut einen ColoniaCon angekündigt; es soll der einundzwanzigste sein, möglicherweise sowieso der letzte, den sie veranstalten. Eigentlich würde ich gerne hin – wahrscheinlich wird das aus terminlichen Gründen, wie man so schön sagt, nicht klappen.

Meine Begeisterung, an Science-Fiction-Cons teilzunehmen, hat im Lauf der vergangenen Jahre und Jahrzehnte sowieso ein wenig abgenommen. Das liegt selbstverständlich daran, dass ein Con heutzutage eben zur Arbeit gehört – und diese Arbeit findet dann logischerweise am Wochenende statt und ist ebenso logischerweise unbezahlt. Da nimmt der Spaßfaktor automatisch ab ...

Schauen wir mal, was ich an Pfingsten im Juni 2014 mache. In meiner Idealvorstellung bin ich zu diesem Zeitpunkt allerdings nicht in Köln, sondern eher irgendwo in Südfrankreich. Und dies entspricht jetzt keinerlei Wertung.

24 September 2013

Ach, die Neid-Debatte

Verstoße ich eigentlich gegen das Wahlgeheimnis, wenn ich verrate, wo ich ein Kreuz gesetzt habe? Egal: Meine Zweitstimme gab ich zum ersten Mal der Linken. Nicht, weil ich die neuerdings gut fände – wahrscheinlich hat man mein Zähneknirschen während des Wahlvorgangs in der halben Weststadt gehört. Aber darum geht es erst einmal nicht.

Eigentlich hatte ich vorgehabt, ungültig zu wählen. Dann aber redeten viele Leute auf mich ein, dass man doch das kleinste Übel wählen solle. Und da ich die Violetten nicht sonderlich attraktiv fand und auch wenig Lust auf die Partei Bibeltreuer Christen hatte – um zwei obskure Beispiele zu nennen –, gab's bei der Linkspartei auf einmal eine echte Übereinstimmung.

Wenn mich etwas in diesem Land nämlich ankotzt, ist es die Spaltung: nicht in Ost und West, nicht in Nord und Süd, nicht in In- und Ausländer, nicht in Reich und Arm. Sondern eher in »Leute, die sich ausgegrenzt fühlen« und »Leute, die sich zum Zentrum der Gesellschaft zählen«. Die erste Personengruppe geht nicht zur Wahl, die zweite Personengruppe hat mehrheitlich die CDU gewählt. (Da stimme ich in der Analyse komplett dem Kollegen vom »heut schon gedacht«-Blog zu.)

Rede ich mit sogenannten normalen Menschen, fällt mir immer wieder auf, wie schnell nach unten getreten wird. Jeder kennt einen »Sozialschmarotzer«, alle wissen über diejenigen Bescheid, »die nix schaffen« und trotzdem »einen Haufen Geld« bekommen; dagegen müsse man doch etwas tun. Klar, keiner von uns kennt einen von den Reichen und Superreichen, deshalb gibt's da keine Aversion.

Weise ich auf die Klassenunterschiede hin, die es in diesem Land nun mal gibt, werde ich mit großen Augen angeschaut. Ob ich denn ein Kommunist sei? (Bin ich nicht. Die DDR fand ich scheiße, und die real existierenden Kommunisten in der BRD empfand ich stets als Brechmittel.)

Die Forderung nach einer Umverteilung sei doch nichts anderes als einen Neid-Debatte, heißt es dann. Das Argument: Ich gönnte den Reichen einfach nicht den Wohlstand, den sie hätten. Und eine Steuererhöhung würde ja auch »uns« massiv schaden.

Selbstverständlich mag ich keine Steuererhöhungen; wenn ich mir meinen bisherigen Lohnzettel anschaue, muss ich sowieso regelmäßig weinen. Darum geht's nicht. Es geht darum, dass in diesem Land eine Schmarotzerklasse existiert, die oben den Rahm abschöpft und deren Lakaien im Bundestag sitzen – und jetzt wieder sitzen werden.

Die einzige Partei, die gegen diese Schmarotzer und ihre gewählten Lakaien ernsthafte Opposition zumindest verspricht, war in dieser Wahl die Linke. Deshalb habe ich sie gewählt. Eigentlich ganz einfach.

23 September 2013

Herbert Thiery ist verstorben

Heute erfuhr ich aus dem SF-Netzwerk, dass Herbert Thiery am 21. September 2013 verstorben ist. Auch wenn wir sicher nie Freunde waren, hat mich das doch betroffen gemacht. Herbert Thiery war ein Science-Fiction-Fan, den ich vor allem in den 80er-Jahren sehr oft getroffen habe: auf Veranstaltungen im Saarland, wo er lebte, auf anderen Cons irgendwo in der Republik. Er beteiligte sich zudem aktiv an der Vorbereitung des FreuCons im Jahr 1992, für mich die wichtigste Fan-Veranstaltung, bei der ich Mitveranstalter war.

Herbert Thiery war ein lauter, oftmals fröhlicher Fan, mit dem man Spaß haben konnte. Als »Vereinsmeier« hatte er Vorzüge und Nachteile; grundsätzlich gehörte er aber immer zu jenen Leuten, die mir zuverlässig erschienen. Ich kam mit ihm stets gut klar, wenngleich wir nie »zu dicke« waren; aber er gehörte zu meinem fannischen Umfeld, wie man so etwas nannte.

Er wurde nur 58 Jahre alt; er hinterlässt eine Frau und zwei Kinder, die ich nie kennengelernt habe. Wenn ich in diesen Stunden immer mal wieder an Herbert denke, denke ich an sein lautes Lachen und an seinen saarländischen Dialekt, an sein Showprogramm auf irgendwelchen Cons, bei dem es saarländische Preise – eine Lyonerwurst plus Maggi – und andere Preziosen zu gewinnen gab. Er war ein Original; schade, dass er schon tot ist.

22 September 2013

Comic-literarisches Täuschungsspiel

Fortune ist ein junger, eher erfolgloser Schriftsteller – trotz seines Namens – und schreibt gerne vernichtende Kritiken über einen Erfolgsautor. Als eines Tages der »Rabe« vor ihm steht, die wichtigste Figur des anderen Autors, bricht die Phantasie in die Realität ein und bringt sein komplettes Leben durcheinander.

So lässt sich der Anfang des clever gemachten und schön gezeichneten Comic-Bandes »Mit fremder Feder« zusammenfassen. Dieser ist im kleinen, aber sehr feinen Finix-Verlag als Hardcover erschienen und gefällt mir sehr gut: eine phantastische Geschichte, die vor allem jenen Lesern gefallen dürfte, die ihren Spaß an literarischen Täuschungen und Verwicklungen haben.

Bei Romanen gab es schon oft genug Konstellationen, in denen Figuren aus diesen in die wirkliche Welt einbrachen oder reale Menschen in Romanen auf Reisen gingen. Im Comic ist mir das bislang nicht untergekommen – allein das hebt diesen Comic schon aus der Masse heraus.

Der Autor und Zeichner Fabrice Lebeault, von dem es hierzulande bereits einige Veröffentlichungen gibt, erzählt geschickt und abwechslungsreich: Die meiste Zeit bleibt er in der Perspektive seines jungen Helden und schickt diesen von einer Gefahr in die nächste. Fortunes Suche nach dem geheimnisvollen Erfolgsautor, den er für einen gerissenen Plagiator hält, wird verwoben mit der Jagd nach einem ebenso geheimnisvollen Mörder – das Ende ist knallig und überraschend zugleich.

Der Comic spielt im ausgehehenden 19. Jahrhundert, der Schauplatz ist die Gegend um Paris. Stadt und Land, Häuser und Menschen werden von dem Zeichner gut in Szene gesetzt; das ist sehr schön gemacht und stets abwechslungsreich. Die phantastische Szenerie wird meist düster gezeichnet, die meisten Szenen spielen in der Nacht.

Wer einiges über die Hintergründe erfahren möchte, erhält in einer Art Nachwort das Manuskript der Original-Geschichte – selbstverständlich übersetzt – sowie einige weitere Skizzen. Für mich als Gelegenheitsautor interessant zu lesen ist dabei, wie der Autor seine ursprüngliche Geschichte letztlich verändert hat.

»Mit fremder Feder« ist sicher kein Comic, den man unbedingt gelesen haben muss. Aber er bietet Phantastik im wahrsten Sinne des Wortes. Und er wird ein Schmuckstück in meinem Comic-Bücherschrank werden.

21 September 2013

Das Paradies beim Friseur

Mein Vater arbeitete als Elektriker und war oft auf Baustellen unterwegs; gegenüber der Firma, für die er unterwegs war, gab es einen Friseurladen. Praktischerweise ließen sich die Arbeiter dort ihre Haare schneiden, ebenso praktischerweise ging meine Mutter dorthin. Und weil es schon so schön praktisch war, musste ich mir dort ebenfalls die Haare schneiden lassen.

Manchmal parkte man mich dort geradezu. Mein Vater war noch auf der Baustelle, meine Mutter ging einkaufen, und bevor sie das erledigte – wir fuhren an solchen Tagen mit dem Bus oder mit dem Auto von Bekannten vom Dorf in die Stadt –, wurde ich beim Friseur abgesetzt. Dort saß ich dann stundenlang und las.

Ich war noch in der Grundschule, und beim Friseur lag das Paradies für mich: Er hatte zahlreiche »Sigurd«- und »Tibor«-Comics, vor allem »Tibor«-Ausgaben aus den sechziger Jahren, sowohl in Piccolo- als auch in Großband-Form. Ich las mit Begeisterung, stundenlang wühlte ich mich durch die Hefte, teilweise in der richtigen Reihenfolge, teilweise völlig willkürlich.

Es war ja egal, denn in jedem Heft geschahen ungeheuerliche Dinge. Rache und Liebe, Kampf und Verfolgung, ritterliche Ehre und Dschungelkriege – das alles wurde in unglaublichen Bildern für mich präsentiert. Heute sieht man solche Comics ja durchaus kritisch, damals waren sie für mich ein pures Paradies, eine Verlockung, in das große Abenteuer einzusteigen.

Der Friseur bot irgendwann mal an, »dem Buben« alle Comics zu schenken. Das wollten dann meine Eltern nicht. Und so flog die riesige Sammlung wahrscheinlich eines Tages auf den Müll. Meine Lese-Träume aus dieser Zeit aber sollten mich mein Leben lang begleiten ...

20 September 2013

Wider die Oktoberfestisierung

Erzählt man im Ausland, man stamme aus Süddeutschland, stellen naive und freundliche Menschen gerne die Frage, ob man denn Bier möge und aufs Oktoberfest ginge. Es ist oftmals nicht einfach, diesen Leuten klarzumachen, wie schrecklich man das Oktoberfest in München findet – zumindest geht es mir so.

Ich war noch nie auf dem Oktoberfest, ich finde schon die Bilder und Berichte grauenerregend: viel zu viele Menschen, viel zu schlechtes Bier, viel zu viel grausige Musik, und das alles in einer Ballung, die bei mir einen Brechreiz nach dem anderen auslösen würde. Es gibt mehr Vergewaltigungen und mehr Brutalität als auf jeder anderen Veranstaltung in Deutschland.

Das muss nicht sein, da muss ich nicht hin. Also ließ ich es in all den Jahren und werde es auch künftig lassen.

Nur: Mittlerweile wird man schon in Karlsruhe mit dem Oktoberfest terrorisiert – nicht nur in harmlosen Ländern wie Botswana oder Trinidad danach gefragt. Einkaufsläden veranstalten »Oktoberfest-Wochen« oder weisen auf Schildern darauf hin, dass es »Oktoberfest-Angebote« gäbe. Dazu die entsprechende Deko ... wie es aussieht, steht die Oktoberfestisierung der Republik bevor.

Umso erfreulicher, dass es die wunderbare Internet-Seite »München kotzt« gibt. Da kann man herrliche Oktoberfest-Bilder anschauen und sich darüber freuen, da nicht hinzumüssen. Herrlich ... aber nichts für schwache Nerven.

Wählen mit Youtube

Dass ich zur Wahl gehe, ist sicher. Was ich wähle oder ob ich ungültig wähle, weiß ich noch nicht. Die widerwärtige Bande, die an der Regierung ist, möchte ich ungern gegen eine andere Bande eintauschen, die ich sicher genauso widerwärtig finde.

Das habe ich schon oft gesagt und geschrieben, und heute will ich das nicht schon wieder von mir geben. Nur ... der Wahlwerbespot der IG Metall, den man auf Youtube angucken kann, der ist so super, dass ich den gerne hier verlinke.

Den haben viele sicher schon gesehen. Aber erstens kann man sich den mehrfach angucken, und zweitens ist der auch nach dem Wahlabend noch aktuell. Also: klicken und wählen und meinetwegen das große Kreuz quer über den Wahlzettel machen ...

Grau und leer

Als ich meine ersten Reisen in große Städte unternahm, nach Stuttgart, Frankfurt oder Köln, da war ich jung und kam vom Dorf. Man schrieb die frühen 80er-Jahren, und ich blickte mit großen Augen auf die Welt.

Entsprechend fasziniert war ich von den Städten – und gleichzeitig war ich entsetzt von vielen Menschen: Müde und kaputt, alt und kaputt, so schlichen viele durch die Straßen. Vor allem in den Innenstädten sah ich Menschen, die aussahen, als hätten sie sich längst aufgegeben; andere hingegen rasten in eleganten Klamotten irgendeiner Karriere hinterher. Die leeren Augen nahm ich bei beiden Gruppen wahr: bei den Strebsamen wie bei den Zurückgefallenen.

Das ist mehr als dreißig Jahre her. Besuche ich heute eine Großstadt, habe ich zwar nicht mehr den »unverbrauchten Blick« der Jugend, aber es hat sich nicht viel geändert. Es gibt die Alkoholiker und Junkies, die einsam herumstehenden Menschen, und es gibt diejenigen, die nur noch Blicke für ihr Smartphone haben und mit ihren Ohrstöpseln so wirken, als schlössen sie sich nicht mit Drogen, sondern mit Musik von der Außenwelt ab.

In den frühen 80er-Jahren waren die »grauen Städte« ein Synonym; man fand sie in zahlreichen Liedern, nicht nur von Punk-Bands. Heute sind die Städte bunter, nicht nur wegen der Graffiti. Die grauen Gesichter und leeren Augen – die sehe ich aber immer noch.

19 September 2013

Streetpunk aus San Francisco

Dass ich eine nicht nur heimliche Freude am klassischen Oi! habe, plauderte ich nicht nur einmal aus. In früheren Jahren wurde ich deshalb sogar mal als »unpolitischer Oi!-Punker« beschimpft – aber in diesem Fall sind sowohl der Ausdruck als auch ich rehabitiliert. Und wenn ich Bands wie die Harrington Saints höre, fühle ich mich sowieso keine Sekunde lang falsch.

Die vier glatzköpfigen und kurzhaarigen Herren lassen es gut knallen; sie spielen rockigen Oi! oder – wie man heute sagt – Streetpunk, der mir nie langweilig wird. Die Band kommt aus San Francisco und hat eine recht korrekte Einstellung: Man ist zwar stolzer Arbeiter, womit die Oi!-Klischees schon mal erfüllt werden, man singt auch über Saufen und Konzerte, aber man findet die Republikaner scheiße oder wird mit »count your millions while thousands die« sogar recht politisch.

Die Musik finde ich sowieso klasse: schmissig und nach vorne gehend, immer knapp am kompletten Schunkelpunk vorbei und nicht von der Stumpfheit, durch den sich beispielsweise manche deutsche Oi!-Band auszeichnet. Ich höre die Platte »Dead Broke In The USA« ausm Jahr 2009 immer wieder gern; die sieht zudem gut aus, und da muss ich dem Label einfach mal ein Lob aussprechen.

18 September 2013

Marcel ist gegangen

Ich war nie ein Fan von Marcel Reich-Ranicki, dafür war er immer zu sehr »Hochliteratur«, aber ich hatte stets Respekt vor ihm, seiner Lebensleistung, seiner Begeisterung für gute deutschsprachige Literatur und seiner Arbeit für die Versöhnung nach dem Weltkrieg.

Die Nachricht von seinem Tod macht mich heute ein wenig betroffen. Mit ihm verlässt ein Original diese Welt.

Ein Hallo an den Mann

Wenn ich so richtig frustriert bin nach Gesprächen in der Kantine und nach Diskussionen über die anstehende Bundestagswahl, gibt es ein gutes Mittel: Ich schaue mir die Mails an, die so eintreffen und normalerweise gleich im Spam-Ordner landen – entweder automatisch vom Programm oder nach einem Blick auf die Betreffzeile. 

Wenn mich dann jemand mit »Hallo Mann« anschreibt, fühle ich mich ernstgenommen und respektiert. Dann klicke ich eine solche Mail auf und lese sie mit Interesse. Vor allem, wenn es so weitergeht: »Ich weiß nicht, wie ich es sagen, aber ich habe vor langer Zeit senden wir Ihnen ein paar Fotos tryed, aber ich habe gedacht, dass Sie nicht interessiert sind, mich zu sehen.«

Das klingt ein wenig dadaistisch, ein wenig extravagant, ein wenig zu clever für nur eine Abzocke. Ich glaube, die Dame meint es gut mit mir: »Aber jetzt werde ich Ihnen die Fotos der Anlage. Laden Sie die Bilder und extrahieren sie, ich bin sicher, dass Sie sie mögen. Das Passwort ist: 123456« So endet die eigentliche Mail dann ohne Satzzeichen.

Der Abschluss ist ebenfalls schön: »Haben Sie einen großen Tag.« Den werde ich hoffentlich haben. Wer solche Mails erhält, kann kein unwichtiger Mensch sein.

17 September 2013

Aus grauen Fan-Zeiten

Urheberrecht wird glücklicherweise von den meisten Leuten, die irgendwas publizieren, ordentlich gehandhabt. Das gilt auch für Beiträge im sogenannten fannischen Bereich, und ich halte es in meinem Fall recht locker: Fragt mich jemand um einen Beitrag für sein Fanzine, und ich habe die entsprechende Zeit, schreibe ich gerne einen Text – natürlich ohne Honorar. Ich möchte aber gefragt werden, bevor jemand etwas von mir druckt.

Das gilt nicht in jedem Fall, und auf ein nettes Beispiel wurde ich dieser Tage aufmerksam. Im Jahr 1980, als ich gerade mal 16 Jahre alt war, erschien ein Fanzine mit dem hübschen Titel »Xun«. In der ersten Ausgabe dieses Fanzines kam auch eine Kurzgeschichte von mir, die den Titel »Das stille Dorf« trug. Ich hätte das ja längst vergessen ...

Immerhin gibt es eine Internet-Seite des Fanzines, das seit einigen Jahren wieder erscheint, auf der ich das nachlesen kann. Ebenso kann man die Übersicht zum Inhalt auch auf anderen Internet-Seiten finden; das Netz vergisst ja nichts. Für mich sind das nette Erinnerungen, an die Geschichte selbst entsinne ich mich nicht mehr. Womöglich habe ich sie zu Hause als Abschrift, aber wahrscheinlich ist sie verschollen.

Nur ... Mittlerweile wird dieses Fanzine »Xun 1« zum kostenpflichtigen Download angeboten, über die Plattform von Beam-e-Books beispielsweise. Man kann mich gerne für einen Spießer halten, aber: Da wurde ich doch ein wenig sauer. Kein Mensch hat mich vorher gefragt, was diese »kommerzielle« Verwertung meines uralten geistigen Eigentums angeht, noch bin ich in irgendeiner Weise informiert worden. So die richtig feine englische Art ist das nicht ...

16 September 2013

Vietcong Pornsurfers aus Schweden

Ich mag ja eigentlich nicht, wenn Bands eine wuchtige Hardrock-Kante spielen und das dann als Punk bezeichnen. Also müsste ich die schwedische Band Vietcong Pornsurfers doof finden. Die zwölf Stücke auf ihrer CD »We Spread Diseases« sind wuchtig produziert, die Gitarren hängen tief, die englischen Texte haben ganz schön viele Rock-Klischees aufzubieten, und der Punk-Anteil ist sehr ... ähm ... gering.

Nachdem ich die Platte ein drittes Mal angehört habe, gefällt sie mir doch ganz gut. Ich werde sicher kein Fan der Band werden, dafür ist mir das doch zu hardrockig – die Musik ist dennoch schmissig und gelungen, sie ist zudem so rau produziert, dass es für die Punkrock-Ohren durchgehen kann. Und mit den Soli hält sich die Band dankenswerterweise auch einigermaßen zurück.

Aus Schweden kommen deutlich bessere Bands – für meine Ohren zumindest. Die Band mit dem seltsamen Namen kann auf jeden Fall Hardrock'n'Roll ...

15 September 2013

Stil-Mix in der Hackerei

Die »Alte Hackerei« in Karlsruhe ist für mich immer eine Reise wert, zumindest dann, wenn es darum geht, laute Musik zu hören und kühles Bier in nicht mehr medizinisch korrekten Mengen zu trinken. So auch am Freitag abend, 13. September 2013, wo gleich drei Bands auf das Publikum warteten.

Das Wetter war nicht mehr so kühl wie an den vorherigen Tagen, was dazu führte, dass ich viel Zeit im Freien verbrachte; da war die Luft einfach besser. Da ich dort viel laberte und trank, verpasste ich fast die erste Band.

Dabei handelte es sich um Fondükotze aus der Schweiz, genauer gesagt aus Zürich. Zwei der Bandmitglieder hatten bereits in anderen Bands aus der Stadt mitgespielt, die ich kannte, und hinter dem Schlagzeug hockte Plüschi höchstpersönlich, der Chef der »Alten Hackerei«.

Die dreiköpfige Band knallte Hardcore-Punk der alten Schule ins Publikum: kein Metal, kein Emo, keine hektischen Breaks, dafür rasanter Sound, bei dem manchmal sogar klassische Deutschpunk-Einflüsse zu hören waren. Die Texte waren – sofern ich das richtig verstand – zeitweise in schwyzerdütsch, dann aber auch in englisch.

Die Band konnte zudem mit ihren Instrumenten umgehen; vor allem den Basser fand ich gut, weil er seinen Bass eigentlich wie eine Gitarre spielte und dazu noch sang. Die Klasse-Band erzeugte allerdings wenig Bewegung im Publikum.

The Irradiates hatte ich noch nie zuvor gehört, an einem anderen Abend hätte mir der Sound der vier Franzosen vielleicht sogar gefallen. Zwischen Hardcore und Punkrock passte der Surf-Sound nicht besonders gut, vor allem auch, weil er zeitweise mit fiesem Gitarrengewichse um die Ecke kam. Das fand ich aber nicht schlimm; so konnte ich im Freien weiter sitzen und trinken.

Pünktlich zu den Gee Strings war ich wieder im Saal: eine Frau und drei Männer, Punkrock der ganz klassischen Bauart, aber durchaus modern gespielt. Man nehme eine tüchtige Portion 1977, mische sie – wie auf der Bühne zu sehen – mit den New York Dolls ab, packe eine überdrehte Bühnenshow der Sängerin dazu, schmecke das ganze mit viel Energie und Spielfreude ab, und dann hat man die Gee Strings.

Ich hatte die Band bislang immer verpasst, wenn sie in Karlsruhe gespielt hatte, und hatte sie auch sonst nie live gesehen. Auf Tonträgern kannte ich sie allerdings, weshalb ich nicht überrascht wurde: Das war richtig klasse, das war schmissige Musik mit viel Melodie und Spaß!

Doch das reichte nicht aus, um den Innenraum der »Hackerei« in eine Pogo-Hölle zu verwandeln. Ich selbst fühlte mich träge, und dem Großteil des Publikums schien es ähnlich zu geben. Es wurde gejohlt und applaudiert, aber irgendwie tanzte praktisch niemand. Aber man kann einfach nicht alles haben – weder als Band noch als Zuschauer ...

14 September 2013

Jugend im April und Mai 1945


Wenn ich Bücher oder Berichte über den Zweiten Weltkrieg lese, hat das einen biografischen Hintergrund: Ich versuche immer noch zu verstehen, was meine Eltern bewegt, mitgerissen und erschüttert hat, den Vater als jungen Soldaten an der Ostfront, die Mutter als Mädchen im Bombenkrieg. Das Buch »Totentanz Berlin« ist trotz des plakativen Titels ein besonders eindrucksvolles Werk über die letzten Kriegstage.

Es basiert auf den Tagebüchern eines Jugendlichen, der im März 1945 zum Wehrdienst eingezogen wird, gerade mal zwei Tage nach seinem siebzehnten Geburtstag. Helmut Altner wird an die Ostfront versetzt, die zu dem Zeitpunkt in Straßenbahn-Entfernung von seinem Wohnort entfernt liegt, wo er zuerst den Zusammenbruch der deutschen Front an der Oder miterleben muss.

Mit seinen Kameraden marschiert er zurück nach Berlin, er wird im »Endkampf« gegen die russischen Truppen eingesetzt. Er ist auch beim Ausbruch aus dem Kessel dabei, als die letzten deutschen Kampfeinheiten versuchen, nach Westen durchzubrechen. Irgendwo zwischen Berlin und der amerikanischen Front gerät er in russische Gefangenschaft.

Das Buch basiert auf den Tagebuchnotizen des damaligen Jugendlichen; sie erschienen nach dem Krieg in einer kleinen Auflage und gerieten dann in Vergessenheit. Der Autor, der sich eine Existenz in Paris aufgebaut hat, erarbeitete 2009 mit einem Journalisten die Neuausgabe, die im Berlin Story Verlag erschienen ist.

Um es kurz zu machen: Auch wenn »Totentanz Berlin« streckenweise in der vergleichsweise nüchternen Sprache eines Tagebuches geschrieben ist, stellt es doch einen unglaublich spannenden Bericht über die letzten Wochen des Krieges dar. Altners Beschreibungen sind eine Abfolge sinnloser Märsche durch irgendwelche Dörfer, erbitterter Schießereien in U-Bahn-Schächten, verzweifelter Versuche, sich mit Alkohol zu betäuben, und immer wieder Bergen von Leichen.

Besonders eindrucksvoll wird das Buch dann, wenn es in lakonischen Worten die Sinnlosigkeit des Krieges darstellt. Die durch die brandenburgischen Dörfer irrenden Truppen müssen manchmal die Einheimischen fragen, ob die russischen Soldaten schon da waren, und werden von diesen weggeschickt. Oder als der junge Soldat eine Gruppe von 15-jährigen Hitlerjungen sieht und sich gegenüber diesen bereits wie ein alter Frontkämpfer fühlt – die Vorstellung ist für heutige Leser verwirrend.

Nach der Lektüre von »Totentanz Berlin« war ich nicht unbedingt schlauer, wenngleich sich mein Bild erweitert hat. Die historischen Fakten sind bekannt – und werden bei der Lektüre des Buches weitestgehend vorausgesetzt –, ich habe sie aber noch nie so gelesen. Und von meinem Vater habe ich sie in solcher Form nie gehört.

Ich bin sicher, dass ich dieses beklemmende Buch noch einmal lesen werde. Beeindruckend!

13 September 2013

Graffiti-Kalender

Meine Kalender fürs nächste Jahr hab' ich schon: Im Büro hängt künfig der neue PERRY RHODAN-Kalender, für daheim habe ich mir den Kalender »Graffiti in Berlin 2014« gesichert. Der kommt vom Archiv der Jugendkulturen, dem ich durch meine Bücher ja eh verbunden bin, und  zeigt richtig schöne Bilder aus der Berliner Szene.

Das Format ist DIN A 4 quer, die Bilder kommen aus verschiedenen Teilen von Berlin: Straßen, Häuser, Waggons – eine bunte Bandbreite eben. Wie es sich für so ein Projekt gehört, das die Künstler selbst einbezieht, gibt's zu den Bildern jeweils lesenswerte Texte, die alles schön erläutern.

Schick, einfach schick. Mit der ISBN 978-3-943774-42-9 kann man das Ding übrigens in jeder Buchhandlung bestellen, er kostet 14,90 Euro. Ich empfehle logischerweise eine Bestellung im Shop des Archivs der Jugendkulturen; da könnt ihr dann auch gleich noch meine Bücher mitbestellen, haha.

Messen im Blick

Schon wieder steht eine Frankfurter Buchmesse ins Haus; daran merke ich immer, wie schnell das Jahr vergeht. Die Messen gliedern meinen Jahresablauf seit langem: Das Jahr beginnt, dann ist das Frühjahr mit Leipzig dran, danach beginnt man damit, sich auf Frankfurt vorzubereiten – und während der Frankfurter Buchmesse peilt man bereits das Jahresende an. Irgendwie ist das seltsam, ja, eigentlich spießig; spontan ist zumindest anders.

Und so plane ich in diesen Tagen allerlei Termine: die meisten geschäftlich, einige wenige auch privat. Die meiste Zeit werde ich mit einem Anzug und einer Krawatte – das ist meine Uniform, wenn schon, denn schon – an unserem Stand herumsitzen und herumstehen; ich werde allerlei Gespräche führen und sehr wichtig tun.

Vielleicht gibt's zwischendurch mal die Zeit, sich um private Dinge und das eine oder andere private Schreibprojekt zu kümmern. Zumindest habe ich das vor: Es gibt in meinem Leben schließlich nicht nur eine gewisse Raketenheftchenserie und ihre Ableger ...

12 September 2013

Westernhelden und Raumfahrer

Die klassischen Western-Autoren Zane Grey und Max Brand, die ebenso klassische Science-Fiction-Serie »Captain Future« und natürlich mal wieder »Sun Koh«: Das verdienstvolle Heft »Blätter zur Volksliteratur« widmet sich auch in der aktuellen Ausgabe 3/2013 wieder allerlei Trivialhelden aus der Vergangenheit.

Ich mag das Heft, das schon im 52. Jahrgang erscheint und immer zwischen seriöser Wissenschaftlichkeit und fannischem Amateurtum schwankt; beides gehört unweigerlich dazu, wenn man sich mit diesen Randgruppenthemen beschäftigt. Herausgeber ist der »Verein der Freunde der Volksliteratur«, dessen Internet-Seite leider sehr puritanisch wirkt.

Das Heft ist lesenswert, wenn man sich für klassische Unterhaltungsliteratur und Heftromane interessiert. Wenngleich heute viele Texte dieser Art im Internet zu finden sind, etwa auf Seiten wie dem »Zauberspiegel«, hat so ein gedrucktes Heft nach wie vor seine Existenzberechtigung. Die 24 Seiten sind zudem ruckzuck gelesen.

11 September 2013

Kein Payback heute

An manchen Tagen sehe ich nicht sonderlich gesellschaftsfähig aus: eingerissene Converse-Schuhe, verwasche Jeans, ein ausgebleichtes T-Shirt mit dem Logo irgendeiner Band, unrasiert und sichtlich müde. So war ich auch an diesem Vormittag in einem Ladengeschäft unterwegs; ich kaufte einige »Gegenstände des täglichen Lebens«, nichts besonderes, vor allem nichts, das auch nur andeutungsweise nach Luxus oder »teuer« aussah.

Als ich bezahlte, benutzte ich nur Bargeld. Ich hatte viele Münzen in der Geldbörse und zahlte auf den Cent genau; das mache ich gern, weil ich einen mit Münzen vollgestopften Geldbeutel in der Hosentasche nicht mag.

Die Verkäuferin zählte nach, bedankte sich und sagte dann freundlich: »Eine Payback-Karte haben Sie ja sicher nicht.«

Ich stimmte ihr mit einem Kopfnicken zu, sammelte meine Waren ein, bedankte mich höflich und ging. Erst als ich vor dem Laden stand, fiel mir ein, was die junge Frau zu mir gesagt hatte: Sie war davon ausgegangen, dass ich keine Payback-Karte benutzte. Normalerweise wurde die Frage positiv formuliert: ob man denn eine Payback-Karte habe, um irgendwelche Punkte zu sammeln.

Warum das denn? Hielt sie mich wegen meiner Klamotten für zu arm, für zu gleichgültig oder für zu politisch-verschwörungstheoretisch? Wie konnte sie aufgrund meines Auftritts darauf schließen, dass ich keine Payback-Karte besitze? (Des Rätsels Lösung: Ich weiß, dass ich die Karte ruckzuck verschlampern würde. Deshalb habe ich keine.)

Seltsam ist die Welt, dachte ich. Kurz überlegte ich mir, zurückzugehen und die Verkäuferin zu fragen. Aber selbstverständlich ließ ich es. Ich wollte weder sie noch mich in Verlegenheit bringen, und Zeit hatte ich ohnehin keine – der Schreibtisch und einige aktuelle Manuskripte warteten auf mich ...

10 September 2013

Ein Jahr für ein Jahrbuch

Wenn ich es richtig in den Fachmedien gelesen habe, ist dieser Tage »Das Science Fiction Jahr 2013« erschienen. Da trifft es sich gut, dass ich in ebendiesen Tagen die Ausgabe für das Jahr 2012 endlich durchgearbeitet habe. Das ist nicht gelogen – ich benötigte exakt ein Jahr, um dieses umfangreiche Science-Fiction-Jahrbuch durchzublättern und kapitelweise auch zu lesen!

Das spricht jetzt hoffentlich nicht gegen das Buch, sondern vor allem gegen mich: »Das Science Fiction Jahr« ist nämlich stets eine Bereicherung, es ist immer eine wichtige Lektüre für Leute, die sich für Science Fiction in all ihren Ausprägungen interessieren. Lesenswerte Interviews, aussagekräftige Artikel und Rezensionen – das alles prägt das Buch und macht es für mich zu einem Werk, das ich immer wieder zur Hand nehme und kapitelweise lese.

Es gibt logischerweise Beiträge, mit denen ich nicht viel anfangen kann. Berichte über Computerspiele überblättere ich, weil ich mich nicht für diese Spiele interessiere, und Berichte über Hörspiele überblättere ich, weil die Rezensenten hier – um es vorsichtig zu formulieren – auf einem ganz anderen Dampfer unterwegs sind als der Hörspielhörer in mir ... Und selbstverständlich sind die seitenlangen Marktbeobachtungen, Statistiken und Listen vor allem als Nachschlagewerk wichtig, werden also nicht unbedingt so »richtig gelesen«.

Nur: Wo finde ich so lesenswerte Interviews, etwa mit dem Autor Heinrich Steinfest oder dem Wissenschaftler Klaus Mainzer? Wo finde ich so kluge Artikel wie den über »Science Fiction als Frontier-Literatur« oder den wunderbaren Beitrag der Autorin Margaret Atwood über ihre »Abenteuer in Unfugland«?

Das alles macht die Qualitäten des »Heyne-SF-Jahrbuchs« aus, wie es von unsereins genannt wird – und deshalb werde ich die diesjährige Ausgabe natürlich auch kaufen. Selbst wenn das bedeutet, dass ich für die Lektüre wieder ein ganzes Jahr benötigen werde.

09 September 2013

Entenhausen ist nicht überall

Ich finde die klassischen Donald-Duck-Geschichten des amerikanischen Zeichners und Autors Carl Barks nach wie vor großartig; die Hardcover-Ausgabe des Ehapa-Verlags habe ich komplett daheim stehen und ergänze sie laufend durch die Neuerscheinungen. Immer wieder lese ich gern darin – und seit gut vierzig Jahren mag ich Geschichten, die in Entenhausen spielen.

Als Jugendlicher und als Kind diskutierte ich gern mit Freunden darüber, wo sich Entenhausen denn befinde. Wir malten selbst Pläne, und ich erinnere mich daran, dass wir Entenhausen – wegen der Pilgerväter und anderer Details – irgendwann mal in der Region zwischen den US-Bundesstaaten Virginia und South Carolina fixierten.

Das ist lange her. Seit einigen Jahren gib es das Sonderheft 55 der Zeitschrift »Der Donaldist«, die endlich klar definiert, wo Entenhausen liegt, und vor allem einen großen Stadtplan präsentiert. Ich kam erst unlängst in den Besitz des wunderbaren, leider bereits vergriffenen Heftes und habe es mit großer Faszination durchgeschmökert.

Jürgen Wollinas ist der Kartograph des Werkes, er arbeitete dabei mit »M.Ü.C.K.E.« zusammen. Die Abkürzung der Organisation steht für »Meisterhafte Überarbeitung chaotischer Kartengrundlagen Entenhausens«, und wohl selten war eine Bezeichnung so nachvollziehbar: In zahlreichen Comic-Geschichten hat Carl Barks nämlich unglaublich widersprüchliche Aussagen zu Straßen und Plätzen der Enten-Metropole geliefert.

Jetzt aber ist klar belegt, wo Entenhausen liegt: im Prinzip in Kalifornien, aber wahrscheinlich doch in einer parallelen Welt. Das finde ich klasse! Und wer das ganze jetzt für reichlich gaga hält, dem kann ich nur entgegnen, dass der Donaldismus doch längst als seriöse Wissenschaft anerkannt wurde ...

08 September 2013

Der Treff der grauen Punker

Am Freitag, 6. September, fuhr ich nach Filderstadt; das ist eine Verbandsgemeinde bei Stuttgart, und im Teilort Bernhausen gibt es das Jugendzentrum »Z«. Im »Z« fanden ab Mitte der 80er-Jahre bis Ende der 90er-Jahre viele Punk- und Hardcore-Konzerte statt, und jetzt war dort ein »Punkrock Barbeque«.

Einige Dutzend Punkrocker aus dem Großraum Stuttgart, einige Kinder und einige Hunde, ein eifrig benutzter Grill, einige Kisten mit Getränken, dazu Biertische und Bierbänke: Es war eine gemütliche, übersichtliche und herzliche Veranstaltung auf der Wiese hinter dem Jugendzentrum, an das jeder von uns wohl vor allem gute Erinnerungen hatte.

Es gab kein Programm, nur ein wenig Musik bollerte aus den Lautsprechern. Ansonsten herrschte gemütliches Rumsitzen, Essen, Trinken und Schwätzen vor – und das war so richtig angenehm. Es gab die zu erwartenden Gespräche à la »Was macht eigentlich der ...?«, es wurden durchaus Erinnerungen an früher à la »Woisch noo, domols der Pogo ...« ausgetauscht, aber es gab vor allem Gespräche über das Hier und Heute.

Kinder und berufliche Entwicklungen verändern die Menschen. Einige der Anwesenden sahen noch »punkig« aus, bei anderen war das Haupthaar gewichen oder angegraut – aber ich hatte bei allen, mit denen ich redete, das Gefühl, dass sie im Hirn und im Herz immer noch genügend Punkrock in sich hatten.

Es war eine rundum gelungene Veranstaltung. Als ich durch das aufkommende Gewitter nach Hause fuhr, legte ich eine alte SPERMBIRDS-CD ein und hatte ein richtig positives Gefühl in mir.

06 September 2013

Die Bips und die 77er


In den 80er-Jahren, als ich trotzigerweise immer noch gern ollen 77er-Punkrock hörte, wurde ich gern belächelt, wenn ich Band wie The Bips öffentlich gut fand. Solche Bands wurden im Scumfuck abgefeiert oder von Incognito Records verkauft; sonst tauchten die eher unter »ferner liefen« auf. Kein Wunder: Der Sound der Holländer war stets schlicht und eingängig, ohne jeglichen Firlefanz.

Das lässt sich auch auf der Langspielplatte »If Life Was Lika ... A Gig Of John Plain« schön nachvollziehen. Die kam 2004 auf einem deutschen Label heraus, enthält zwölf Stücke und lässt sich wunderbar anhören: Das rotzt und rockt und rollt immer anständig vor sich hin, das nervt nicht, das reißt allerdings auch nicht zu gigantischen Jubelstürmen hin.

Die Band spielt im Prinzip immer den selben Song, das hat sie mit bekannteren Kapellen wie Motörhead oder den Ramones gemeinsam. Die drei Holländer, die zu dem Zeitpunkt die Bips bildeten – die Band hatte zahlreiche Umbesetzungen und hatte sich in den 90er-Jahren zeitweise aufgelöst –, haben den 77er-Sound komplett aufgesaugt und spielen die Stücke mit großem Spaß herunter.

Das ist dann auch ein großer Spaß für jeden Menschen, der oder die diesen alten Sound ebenso mag. Neue Trends kann man von einer solchen Band nicht erwarten, das ist aber in diesem Fall auch nicht nötig.

05 September 2013

Pide minus

Eigentlich sollte man glauben, dass bei einer Pide so viel nicht falsch gemacht werden kann. Weil das so ist, habe ich mir bereits vor über zwei Jahrzehnten angewöhnt, gerne Pide zu essen: Da gibt es ein ordentliches Angebot, und die »türkische Pizza« schmeckt vor allem in der vegetarischen Form eigentlich immer lecker. Aber in diesem Sommer machte ich einmal wirklich die Rechnung ohne den sprichwörtlichen Wirt.

Ich war an einem belebten Platz in Karlsruhe, und ich hatte bei knalliger Hitze schon das eine oder andere Bier getrunken. Man könnte sagen, dass ich Schlagseite hatte und meine Geschmacksnerven schon nicht mehr auf der anspruchsvollen Bahn unterwegs waren. Was mir aber der freundlich-schnauzbärtige Dönerbuden-Mann in die Finger drückte, war hart an der Grenze.

Der Teig der Pide war okay, aber er hatte irgendeinen Käse draufgeklatscht und vergehen lassen, der wie eine zerbackenes Stück »Scheibli«-Käse aus den 70er-Jahren aussah. Der Käse war dick und breit, und er warf Blasen; er schmeckte nicht besonders gut und hatte die Konsistenz von Gummi. Wenn ich meine Pide-Stückchen zum Mund führte, musste ich aufpassen, dass mir nicht zweimal die Hälfte auf den Boden oder die Hose tropfte.

Ich war tapfer und aß alles. »Der Hunger treibt's rein«, sagt man im Schwäbischen, und die Dönerbude war die einzige Lokalität in Gehnähe, bei der es um diese Zeit noch etwas warmes zu essen gab. Und da ich sowieso vorhatte, meinen reichlich vorhandenen Durst mit reichlich Durst hinunterzuspülen, wuchs meine Tapferkeit mit jedem Bissen.

Aber ich nahm mir fest vor: Falls ich jemals wieder zu einer Expedition in dieses Viertel der Stadt aufbreche, werde ich vorher kräftig essen. Oder mir für Notfälle ein sauber geschmiertes Käsebrot einpacken ...

04 September 2013

Bergdoktoren werden digital

Nacheinander werden jetzt immer mehr Romanheftserien ins E-Book-Format überführt. Den Anfang machte unsereins mit der Arbeit an einer gewissen Raketenheftchenserie, dieser Tage gaben die Kollegen von Bastei Entertainment bekannt, dass sie jetzt »Der Ber
gdoktor« als E-Book veröffentlichen. Das finde ich einerseits mutig, andererseits aber auch komplett richtig.

Die Serie erscheint seit 1980; zwar soll sie weiterhin gedruckt erscheinen, aber eben ergänzt durch die digitale Ausgabe. Keiner weiß, wie die mutmaßlich etwas älteren Leserinnen mit modernen Lesegeräten umgehen – aber sie lesen viel, also sind sie eine Zielgruppe, die immer wichtiger und größer wird.

Früher hätte ich vorsichtig ausgesagt, man müsste mit klassischen »Frauenroman«-Serien, zu denen »Der Bergdoktor« selbstverständlich gehört, behutsam umgehen. Zuerst müsste man Serien, die sich an technik-affine Männer richten, als E-Books veröffentlichen: PERRY RHODAN sowieso, aber eben auch so etwas die »Jerry Cotton«-Romane.

Die Situation hat sich verändert; ich sehe immer häufiger Menschen beiderlei Geschlechtes mit einem Lesegerät – da ist es konsequent, für diese Menschen immer mehr »Futter« anzubieten. Ob das alles funktioniert und ob vor allem »Der Bergdoktor« sich durchsetzen wird, weiß im Moment niemand. Es nicht zu versuchen, wäre allerdings der größere Fehler.

Lübbe setzt auf die Digitalisierung, und wenn das vernünftig gemacht wird, schlagen die Kollegen dort den richtigen Weg ein. Was sich davon bis in zehn Jahren wirklich durchsetzen wird, weiß heute kein Mensch. Die Zukunft ist offen – nicht nur für Science Fiction, sondern auch für den Bergdoktor.

03 September 2013

Mein Medien-Menü und ich

Es schmeichelt natürlich meinem Ego, wenn ich als »Perry-Rhodan-Chgefredakteur, Punk- und Fanzine-Legende Klaus N. Frick« vorgestellt werde: In mehr oder weniger regelmäßiger Reihenfolge präsentiert der Journalist und Buchautor Christoph Koch auf seiner Internet-Seite die Reihe »Mein Medien-Menü«. In der aktuellen Folge 56 bin ich dran.

Unter anderem erzähle ich von meinem vinyl- und papierlastigen Privatleben und dem eher von Datenströmen beeinflussten Berufsalltag. Mit Medien beschäftige ich mich täglich, und darüber schreibe ich in diesem Text.

Ob und wie diese Selbstdarstellungen gelungen ist, weiß ich nicht; mir hat die Gelegenheit gefallen, mich in eine lange Reihe von mehr oder weniger bekannten Medienkollegen einzureihen. Eine schöne Idee von Christoph Koch, den ich vor über zwanzig Jahren kennenlernte und danach für über ein Jahrzehnt aus den Augen verlor ...

Die Schlampen, der Sex und das Netz

Eine junge Frau, die mit mehreren Männern Sex hat, gilt als Schlampe. Ein junger Mann, der mit mehreren Frauen Sex hat, gilt als toller Held. Eine junge Frau– meinetwegen ein Mädchen – wird auf einem Festival dabei mehrfach fotografiert, wie sie zwei Männern nacheinander »einen bläst«; die Reaktionen darauf schildert ein Artikel in der Wochenend-Ausgabe der »taz«.

Den muss ich selbst nicht sonderlich ausführlich kommentieren: Jeder kann ihn selbst lesen.  Ich fand den Text berührend und erschütternd zugleich, obwohl ich – mangels eigener Kinder – nicht die Sicht der Autorin komplett teilen kann. Aber die Mechanismen von Sexismus und Internet-Hetze sind aus ihrer persönlichen Sicht sehr interessant beschrieben ...

02 September 2013

Waterford aus Mittelbaden

Das finde ich schon mal gut: Eine junge Band macht gelungenen Alternative-Rock und besteht aus vier jungen Männern, die aus Kleinstädten des Landkreises Offenburg kommen, die ich allesamt seit Jahrzehnten kenne. Die Rede ist von Waterford, und die erste CD der vier kam dieser Tage heraus; sie trägt den schlichten Titel »Welcome To Waterford«.

Die Stücke sind in englischer Sprache, was gut passt, und der Sänger kriegt sie mit seiner angenehmen, ein wenig hohen Stimme gut hin. Der Mann kann singen, und das meine ich positiv; mal klingen die Stücke ein wenig melancholisch, dann eher nach Party. Der Mix ist auf jeden Fall gelungen.

Das funkelnd-abwechslungsreiche Gitarrenspiel paart sich mit gut dosiertem Bass, flottem Schlagzeug und dezent-gelegentlich eingesetztem Keyboard. Dabei entstehen flotte Melodien, die nicht sofort ins Ohr gehen, die einem aber sofort sympathisch sind.

Früher hätte man die Band irgendwo zwischen Gitarren-Pop und Gitarren-Rock einsortiert, heute nennt man das Alternative. Wer auf angenehme, gitarrenlastige Musik dieser Art steht, sollte die Band mal antesten – ich finde den Anfang auf jeden Fall bemerkenswert.

Kriegs-Punk-Radio

Ich halte mich weder für einen politischen Kommentator noch für jemanden, der sich erdreisten sollte, zu viel über Politik in der Öffentlichkeit zu erzählen. Trotzdem betrifft mich als fernsehguckender und zeitungslesender Durchschnittsbürger ebenfalls, was in Syrien abgeht und was dem Land möglicherweise durch einen Raketeneinsatz der USA und irgendwelcher Verbündeter droht.

Aus diesem Grund machte ich am Sonntag, 1. September, einen recht spontane Radiosendung im Querfunk zum Thema »Punk, Krieg und Politik«. Das einleitende Stück war zynisch; die Weirdos mit ihrem »We Got The Neutron Bomb« haben vor über dreißig Jahren ein fieses Statement hingerotzt. Aber selbstverständlich durften auch die Dead Kennedys mit ihrem »Holiday In Cambodia« nicht fehlen, ebensowenig D.O.A. mit ihrem »War On 45«.

Weitere Bands, die ich spielte, kamen aus Deutschland: WWK bieten sich mit »Terroristen« und »Deutsche Waffen« immer an, aber Recharge und Backslide haben sich zu Krieg und Terror ebenso eindeutig geäußert. Plump und klar waren auch stets schottischen Oi Polloi, weshalb ich die ebenfalls spielte.

Mein musikalisches Highlight war die Band Mazhott; es ist die einzige Punk-Band, die aus Syrien kommt und mir bekannt ist. Dazwischen gab ich als »ungebildeter unpolitischer Punkrocker« dann doch den einen oder anderen politischen Kommentar von mir. Als Kontrastprogramm zum langweiligen »Kanzler-Duell« fand ich die Sendung ganz gut ...

01 September 2013

Babys Visitenkarte

Keine Ahnung, ob es so etwas heute noch gibt, aber 1963 schien das normal gewesen zu sein: Als Neugeborenes bekam ich eine Art Visitenkarte, die offenbar entweder von meiner Mutter oder von der Gemeindeschwester geführt wurde – die Handschrift variiert ein wenig. Unter der Überschrift »damits ein Prachtkind wird« kam ein nett gezeichnetes Bild eines Babys in einer Wiege und die Zeile »Babys Visitenkarte«.

Gesponsert war die ganze Sache von Alete; deshalb fand sich auch Werbung für Alete-Nahrungsmittel auf dem Faltblatt. Die »liebe junge Mutter«, als die sie angesprochen wurde, sollte die Visitenkarte ausfüllen und sie später »in liebevoller Erinnerung« ihrem Kind zeigen.

Somit habe ich es heute schriftlich, dass ich an meinem Geburtstag 3500 Gramm wog und 54 Zentimeter groß war. Weitere Gewichtsfortschritte wurden ebenso verzeichnet wie Veränderungen in meiner Nahrungsaufnahme oder verabreichte Medikamente.

Am 12. Oktober 1964 wog ich dann 10.550 Gramm, danach brechen die Aufzeichnungen ab. Und leider verzichtete meine Mutter darauf, diese Fortschritte auch noch mithilfe von Fotos zu dokumentieren. Trotzdem ist diese Visitenkarte nach all den Jahren eine sehr interessante Erinnerung an eine Zeit, an die ich logischerweise keine bewusste Erinnerung habe ...