18 November 2020

Eine persönliche Reise durch ein spannendes Leben

Ich muss gestehen, dass ich von Curt Siodmak nicht viel wusste. Ich kannte den Namen, klar, aber ich hatte nie einen Roman, eine Erzählung oder ein Drehbuch von ihm gelesen. Auch keiner der Filme, für die er geschrieben hatte, war von mir konsumiert worden. Das ist eine Bildungslücke, ich weiß.

Umso gespannter war ich auf sein Buch »Unter Wolfsmenschen«, mit dessen Lektüre ich dieser Tage begann. Es erschien bereits 1995 im Weidle-Verlag in Bonn und ist der erste Teil der Siodmakschen Autobiografie. Es deckt die Jahre von seiner Geburt bis zu seiner Emigration in die Vereinigten Staaten ab – und es ist spannender als mancher Krimi. (Teilweise wurde es auch zu einer filmischen Dokumentation verarbeitet, die ich aber nie gesehen habe.)

Siodmak wuchs in der Kaiserzeit auf. Zu seinen frühen Erinnerungen zählen Spaziergänge über den Markt in Dresden. Später interessiert er sich für Filme, wird zu einem wichtigen Menschen in der deutschen Filmlandschaft, wird dann aber – weil er Jude ist – ins Exil gezwungen. Letztlich landet er mit seinem Bruder Robert in den USA, wo sie beide zu berühmten Filmemachern werden.

In seinem Buch »Unter Wolfsmenschen« springt er munter hin und her, erzählt aber so spannend und mitteilungsbedürftig, dass ich mit der Lektüre kaum aufhören konnte. So wechselt er von einer Kindheitserinnerung zur Massenverbrennung von Leichen in Dresden nach den schrecklichen Bombenangriffen gegen Kriegsende.

Wenn er von seinen Verwandten erzählt, kommt durchaus eine lustige Begebenheit, auf die dann eine Auflistung folgt, wer in welchem Lager umgebracht wird. Ähnliches bei seinen Klassenkameraden, über die er Anekdoten aus der Kindheit erzählt und dann berichtet, an welchem Abschnitt der Kriegsfronten oder in welchem Gefangenenlager sie umgekommen sind.

Siodmak erzählt von seinen Begegnungen mit Schauspielern und Regisseuren, von seiner großen Liebe zu seiner Frau, von seinen Reisen durch Europa, von seinen verzweifelten Versuchen, im Exil Fuß zu fassen, von seinem traurigen Blick auf Deutschland, das sich während des Nazi-Regimes immer fürchterlicher veränderte. Das Buch ist wie eine Achterbahnfahrt durch einige Jahrzehnte mitteleuropäischer Geschichte, erzählt aus einem subjektiven Blickwinkel und deshalb umso spannender.

Tolles Buch! Ich versuche nun, mir den zweiten Teil dieser Autobiografie zu besorgen.

1 Kommentar:

Enpunkt hat gesagt…

Die Wikipedia gibt einen guten Überblick zu Curt Siodmak und seinem Leben:
https://de.wikipedia.org/wiki/Curt_Siodmak