Wenn meine Mutter davon sprach, dass jemand arbeitslos sei, nannte sie das immer »stempeln gehen«. Sie wusste, was damit gemeint war: In den fünfziger Jahren war sie selbst einige Zeit arbeitslos, eine Tatsache, die sie uns Kindern gegenüber praktisch nie erwähnte.
Am 26. Juli 1954 wurde für sie eine »Meldekarte für Arbeitslose angelegt; sie erhielt die Aktennummer 70756. Zuständig war die Nebenstelle Freudenstadt des Arbeitsamtes Nagold, meine Mutter wurde als Versandarbeiterin geführt.
Am 20. Dezember 1954 wurde die Unterstützung eingestellt, weil sie kurzzeitig Arbeit gefunden hatte, am 7. Januar 1955 wurde sie verlängert. Erst am 2. Februar 1955 wurde die Karte zuletzt benutzt, danach hatte sie dauerhaft wieder eine Arbeit.
Jede Woche musste sie zum Arbeitsamt gehen und bekam die Unterstützung in bar ausbezahlt. Das wurde von einem Beamten mit Stempel und Unterschrift quittiert, es gab wöchentlich 23,10 Mark.
Für meine Mutter musste das eine entehrende Prozedur gewesen sein. Zeit ihres Lebens regte sie sich über »Faulenzer« auf. Auf der anderen Seite war sie auch als Rentnerin stolz darauf, immer noch etwas zu »gärtnern« oder zu »räumen«.
Die Meldekarte ist zudem ein Beweis dafür, wie man Arbeitslose oder Arbeitssuchende schon in den fünfziger Jahren zu gängeln verstand. Ein echtes Zeitdokument!
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