11 November 2020

Ein völlig neues Stockwerk

Das Treppenhaus kannte ich seit vielen Jahren, ich war die Stufen buchstäblich Tausende Male hoch- und wieder hinuntergegangen. Wir wohnten im zweiten Stock, darüber kamen weitere Etagen. An diesem Spätnachmittag aber hatte ich vor, vom obersten Stock aus durch die Fenster bis in den Nachbargarten zu schauen – von dort kamen seltsame Geräusche, die ich von unserem Wohnzimmerfenster aus nicht einordnen konnte.

Also ging ich die Treppe hoch, ich war recht flott und merkte rasch, wie mein Atem schwerer ging. Alterserscheinungen oder allgemeine Müdigkeit? Ich wusste es nicht.

Meine Schritte – ich trug meine alten Stiefel – hallten zwischen den hohen Wänden des Treppenhauses wieder. Ich kam mir vor, als sei ich allein im Haus. Dabei waren hinter den einzelnen Wohnungstüren sicher einige Menschen zugange.

Vom obersten Fenster aus hatte ich einen schönen Blick über die Gärten der Nachbarschaft. Ich sah neue Spielgeräte bei der Familie mit kleinen Kindern, und ich sah, dass jemand mit einem schweren Gerät das Laub in einem anderen Garten einsammelte. Nichts Besonders.

Als ich mich gerade umdrehen und wieder hinuntergehen wollte, bemerkte ich, dass es eine Luke nach oben gab. Die Luke stand offen, ich verspürte einen Luftzug. Nur kurz war ich verwundert, dann trat ich näher.

Eine Leiter führte durch die Luke nach oben. Ich schüttelte den Kopf, weil ich davon nach all den Jahren in diesem Haus noch nie etwas gehört oder gesehen hatte, dann kletterte ich los.

Als ich meinen Kopf aus der Luke streckte, erkannte ich einen Flur, der mir völlig fremd war. Die Wände waren mit Holz vertäfelt, es roch nach Wald und Bohnerwachs. Auch der Fußboden war aus Holz, strahlendes Sonnenlicht fiel durch ein großes Fenster.

Ich kletterte aus der Luke und sah mich um. Rechts und links gingen Türen ab: ein großes Wohnzimmer mit einer altmodischen Couch-Garnitur, ein ebensogroßes Schlafzimmer mit einem breiten Bett, ein vor Sauberkeit glänzendes Bad.

Auf einmal stand eine Frau vor mir, vielleicht halb so alt wie ich, gekleidet in ein schickes Kostüm in schwarz und blau. Sie sah mich zornig an. »Was wollen Sie hier?«, fragte sie in schneidendem Ton. »Woher kommen Sie?«

»Von unten«, sagte ich und wollte auf die Luke zeigen. Aber da war keine Luke mehr zu sehen, keine Leiter, nichts.

Da wachte ich auf.

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