Dass ich die »Maigret«-Romane des französischen Schriftstellers Georges Simenon sehr schätze, habe ich schon hundertmal erzählt und verkündet. Richtig schlecht fand ich bislang keinen, und auch die »gewöhnlichen« stecken voller erzählerischer Kraft. Ein Beispiel dafür ist »Maigret im Haus des Richters«, der ein wenig aus der Reihe fällt.
In diesem Roman ist Maigret von Paris aus an die französische Westküste versetzt worden, als Strafe gewissermaßen. Nun muss er in einem Dorf zwischen Nantes und La Rochelle die Zeit absitzen. Als ausgerechnet im Haus eines vornehmen Richters eine Leiche gesehen worden ist, beginnt er nach gewohnter Manier mit einer Mordermittlung.
Recht schnell gibt es bei diesem Fall eine Reihe von Verwicklungen, die mit gesellschaftlichem Status und sexueller Verwirrung zu tun haben. Der Richter, der eher in gehobenen Kreisen verkehrt, und die einfachen Fischer und Bauern der Region haben eigentlich wenig miteinander zu tun – und doch gibt es Freundschaft und Liebe, aber auch Neid und Missgunst.
Wie Maigret das Geflecht der Beziehungen erforscht, wie er hinter das Geheimnis eines viel älteren Mordes kommt, wie er nacheinander alle in seiner üblich-mürrischen Art verhört: Das alles schildert der Autor faszinierend und packend zugleich. Der Roman ist kein Action-Reißer, außer einer einzigen Schlägerei gibt es keine Action-Szene, aber ich kann mich der Faszination der Sprache, der sauberen Beschreibungen und der Stimmung nicht entziehen.
Auf nicht einmal 180 Seiten entwirft Simenon das Panorama einer kleinen Landgemeinde mit allen Stärken und Schwächen ihrer Bewohner; die heutzutage altmodisch anmutenden Verhörmethoden tragen zum besonderen Reiz der Geschichte bei. »Maigret im Haus des Richters« ist keiner der Simenon-Romane, die man kennen muss, aber es ist ein guter bis sehr guter Roman.
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