27 Mai 2009

Treidler, Leinpfade und Morde


Daß ich damit angefangen habe, George Simenon wieder zu lesen, liegt an Andreas Eschbach. Der Science-Fiction- und Thriller-Autor hat mir mehrfach den klassisch-französischen Autor empfohlen und über ihn auch einen Aufsatz geschrieben. Und als ich sah, daß der Diogenes-Verlag eine aus 75 Büchern bestehende Gesamtausgabe mit den Maigret-Romanen des Schriftstellers herausgabe, kaufte ich mir den ersten.

Seither bin ich gewissermaßen süchtig. Zuletzt las ich »Maigret und der Treidler der ›Providence‹, und dieser Krimi machte mir wieder einmal klar, warum ich neuerdings Simenon-Bücher so sehr schätze.

Bevor ich diesen Roman las, wußte ich nicht, was ein Treidler ist; ein Berufszweig, von dem ich nie zuvor gehört hatte. Dabei handelt es sich um Männer, die Schiffe durch Kanäle ziehen; dabei benutzen sie Pferde als Zugtiere und gehen auf schmalen Pfaden entlang der Kanäle. Der vorliegende Roman bringt Maigret in die Subkultur der Treidler und Kanalschiffer, die in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts sicher genauso mysteriös war, wie sie in diesem Roman beschrieben wird.

Wortkarge Männer, die in unaufhörlichem Regen ihrer Arbeit nachgehen, schmuddelige Kneipen und Bars, stinkende Pferdeställe und verschlammte Pfade entlang der Kanäle: Das ist die Welt, in der Maigret ermitteln muß. Es wird ihm nicht leichter dadurch, daß das erste Mordopfer eine hübsche Frau ist, die nicht in dieses Mileu gehört, sondern eher in die schicken Cafés von Paris und anderer Großstädte.

Maigret-Krimis haben heute eine besondere Fazination; sie lesen sich wie historische Romane, waren aber zu ihrer Zeit absolut angesagt. Maigret ermittelt nicht mit einem Auto, sondern geht viel oder radelt mal 60 Kilometer den Kanälen entlang. Will er telefonieren, benötigt er einen Apparat und eine Vermittlungsstelle; es gibt noch französische Sträflingsinseln, und der Erste Weltkrieg ist nicht lange her.

Der Roman ist spannend und beeindruckend; er gibt Einblicke in eine Subkultur, die heutzutage nicht mehr existiert. Sein Gesamtbild ist düster, es regnet die meiste Zeit, und die Leute sind entweder betrunken oder in schlechter Stimmung. Die Ermittlungsarbeit des Kommissars verläuft zäh und ohne viel Spaß zu vermitteln; das ist meilenweit entfernt von der Art und Weise, die Polizeiarbeit heutzutage in Fernsehserien erzählt wird.

Ich fand den Roman spitze – und ich freue mich schon jetzt auf den nächsten »Maigret«. Es gibt ja 75 davon, also noch viel zu lesen!

4 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Ohja, Maigret ist toll.
Sehr empfehlenswert sind da auch die Hoerspielumsetzungen vom BR und SWF aus den 50er/60er Jahren.
Falls der Weg nach Rastatt mal wieder laenger dauert ;)

Gruessle,
P.nut

Frank Böhmert hat gesagt…

Könnte sein, dass die Eindringlichkeit auch etwas mit der Kürze der Romane zu tun hat.

Zweihundert Seiten, zack!

Da sind manche Autoren, besonders heutige, gerade mal mit der Exposition fertig.

Manfred hat gesagt…

Klaus, ich nehme Dir nicht ab, dass Du den Begriff des Treidelns nicht gekannt haben willst. Der kommt doch bestimmt bei den dreibeinigen Herrschern von John Christopher mal vor, denn - soweit ich mich an die Verfilmung erinnere - ist das die Fortbewegungsart der Wahl in dieser von den Tripods beherrschten, deindustrialisierten Welt. Und damit wirst Du Dich doch wohl mal irgendwann irgendwie auseinandergesetzt haben, oder?!

Leider, leider, leider habe ich die Bücher nicht, um mal schnell nachschlagen zu können :-(

Enpunkt hat gesagt…

Hm, das mit dem Treideln und den Tripods - ich habe diese Bücher vor geschätzten 28 Jahren gelesen und davon geschätzte 99 Prozent vergessen. Schande über mich ...