Als Kind besuchte ich mit meinen Eltern zweimal die Wasserfälle in Allerheiligen. Ich fand sie steil, aber ich war stolz darauf, sie gesehen und die zahlreichen Stufen talabwärts bewältigt zu haben. Das war irgendwann in den frühen 70er-Jahren, und seither hat sich viel geändert, auch mein Verhältnis zu Dingen wie der »Heimat«.
Zuletzt war ich 1992 in dieser Ecke des Schwarzwaldes – damals zeigte ich dem britischen Science-Fiction-Schriftsteller John Brunner einige schöne Seiten meiner Heimatregion. Im selben Jahr zog ich ins Flachland, seitdem wohne ich nicht mehr »aufm Berg«, sondern »im Badischen«. Ich kann mir nicht mehr vorstellen, in einem Dorf im Schwarzwald zu wohnen, aber ich fühle mich dieser Region immer noch sehr verbunden.
Und nach all diesen Jahren war ich dieser Tage endlich wieder einmal in Allerheiligen. Wer sich darunter nichts vorstellen kann: Man denke sich eine uralte Klosteranlage, die im zwölften Jahrhundert in einem schmalen Tal des Nordschwarzwaldes errichtet worden ist. Die Region sieht aus, als sei sie die Kulisse für einen Fantasy-Film: hohe Berge, große Bäume, schmale Straßen, überall Waldwege, teilweise recht anspruchsvoll von den Steigungen her.
Heute stehen von diesem alten Kloster nur noch Ruinen, daneben erhebt sich ein Gasthaus, in dem man schöne Desserts und Kuchen genießen kann und wohl auch ein vernünftiges Abendessen bekommt. Und unterhalb der Ruinen beginnen die Wasserfälle, zu denen ein schön ausgebauter Weg führt. Der ist anfangs breit, und es geht nur sanft abwärts; dann beginnt der Wasserfall, und man kann über Treppen hinweg nach unten klettern.
Für Touristen ist das alles sehr gut erschlossen. Man benötigt für den Wasserfall und die Anlage keine Wanderschuhe, ich trug nur Converse-Treter. Aber man sollte keine Höhenangst haben – obwohl es überall Geländer gibt, blickt man an manchen Stellen doch in die Tiefe. Und das kann beängstigend sein, es gibt dann Leute, die müssen umdrehen.
Überall schießt das Wasser in die Tiefe, überall wachsen Büsche und Gräser, überwuchern Moose die Felsen, liegen abgebrochene Baumstämme im Wasser. Ignoriert man die Treppen, könnte man meinen, man sei in der Wildnis.
Wäre nur nicht das Flackern von Blitzlichtern. Sehr viele Menschen sind unterwegs, vor allem an einem Wochenende, und sie schießen von sich und ihren Begleitungen sehr gern »Selfies«. Man stellt sich also einzeln oder gruppenweise vor ein besonders eindrucksvolles Naturschauspiel und fotografiert sich. Ob die Leute dann noch die Natur selbst wahrnehmen, wird mir dabei nicht klar.
Um es klar zu sagen: Die Wasserfälle von Allerheiligen und die alte Klosteranlage lohnen einen Besuch. Ich bin froh, mal wieder zu diesem Teil meiner Vergangenheit gereist zu sein. Man muss halt in der Lage sein, die vielen Leute mit ihren Mobiltelefonen zu ignorieren.
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