Aus der Serie »Phantastische Kürzestgeschichten«
Es regnete seit Tagen. Die Tropfen fielen ununterbrochen aus einem eisgrauen Himmel. Weil kein Wind ging und die Temperaturen niedrig blieben, kam es mir vor, als stünde ich vor einer Wand aus Wasser, die mich in allen Richtungen umgab, wie feine Stangen, die meine Freiheit einschränkten.
Wenn ich etwas an meiner Situation ändern wollte, musste ich es schaffen, die Zone des Regens zu durchqueren. Doch wohin sollte ich gehen? Sah ich in die eine Richtung, erblickte ich Regen, der auf eine Straße fiel und diese in einen matt schimmernden See verwandelte. Sah ich in die andere Richtung, erblickte ich Regen, der Wald und Wiesen einnässte und aus ihnen einen Sumpf machte, in dem Menschen verloren gehen konnten.
Es war alles grau, nass und kühl. Ich zog meinen Poncho enger um mich und rückte den breitkrempigen Hut zurecht. Das Prasseln auf meinem Kopf wurde lauter und intensiver, zumindest fühlte es sich so an. In Strömen lief das Wasser aus der Krempe hinunter auf den Poncho, troff von dort auf den Boden.
Was wollte ich eigentlich auf dieser Welt? Urlaub hatten sie mir versprochen. Urlaub hatte ich bekommen. Das interstellare Reisebüro hatte von »Erlebnissen jenseits aller Erwartung« geredet, die Werbung hatte mir einen fremden Planeten mit »exotischer Vegetation« versprochen.
Gelogen hatten sie nicht. Die Bäume waren verkrüppelte Kugeln aus einem Material, das entfernt an Holz erinnerte und aus dem allerlei Früchte wuchsen. Gras sah aus wie der Kot, den Katzen hinterließen, und es roch zu allem Überfluss auch so. Tiere hatten sich auf diesem Planeten noch nicht entwickelt. Sie hätten eine wasserfeste Oberfläche gebraucht, überlegte ich, während ich griesgrämig um mich blickte. Immerhin war die Luft atembar, wenngleich ich durch das Wasser hindurch einen fauligen Geruch wahrnahm.
Es regnete ununterbrochen, seit wir aus dem Raumschiff gestiegen waren. Sie hatten mich nicht angelogen. »Genießen Sie das erfrischende Nass«, hatte das digitale Reisebüro versprochen, die freundliche Avatar-Frau hatte besonders intensiv gelächelt. »Lassen Sie sich von einer kühlen Brise zu neuen Gedanken bringen.«
Ich brachte keine Gedanken mehr auf, die über Frust und Wut hinaus gingen. Ich war wütend auf das Wetter und auf mich selbst. Und wütend auf die drahtige Reiseleiterin, die vor unserer Gruppe stand und einen gelben Regenschirm in der Hand hielt.
Sie strahlte vor Begeisterung, zumindest vermittelte sie den Eindruck. Kunststück: Sie war ein Hologramm, und der Regen ging durch ihren Schirm ebenso hindurch wie durch ihre Jacke und ihren gesamten Körper.
»Kommen Sie!«, rief die Reiseleiterin und wies auf die Straße. »Nur noch einige hundert Meter, und wir erreichen den Strand. Dort wird Ihr Traumurlaub dann endgültig beginnen.«
Hinter dem Wasser sollte also der Strand kommen. Vielleicht sollte ich eine Zeitschrift starten, wenn ich wieder auf der Erde war: Wasserstrand, ein neues E-Zine für alle Urlaubsfremde. Versonnen lächelte ich, während ich durch den Regen stapfte.
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