07 Mai 2019

Den Fall Collini gesehen

Ich hatte noch nie einen Roman von Ferdinand von Schirach gelesen und wusste nicht so richtig, was mich bei »Der Fall Collini« erwarten würde. Bevor wir ins Kino gingen, spöttelte ich noch: »Die jungen Leute werden wegen des Hauptdarstellers kommen, die alten Leute wegen des Schriftstellers.«

Offenbar hatte ich nicht mal unrecht. Zumindest war der Kinosaal sehr gut gefüllt, zwei Drittel des Publikums waren Jugendliche und sehr junge Erwachsene.

Und es war – ganz im Gegensatz zu anderen Filmen, die junge Leute ansprechen – durchgehend sehr still. Am Ende blieben die meisten erst einmal sitzen, es gab nicht den üblichen Sturm zum Ausgang. Der Film wirkte tatsächlich nach, nicht nur bei mir, und das fand ich gut.

Elyas M‘Barek spielt diesmal auch keinen dauerquasselnden Menschen, keine fröhliche Figur, sondern den jungen Anwalt Caspar Leinen. Der Film ist im Jahr 2001 angesiedelt und beginnt mit dem brutalen Mord an Hans Meyer, einem deutschen Industriellen. Der Täter wird praktisch sofort danach verhaftet, es handelt sich um einen 70-jährigen Italiener namens Fabrizio Collini. Wie sich rasch herausstellt, kannten sich der Anwalt und der Industrielle; Meyer war jahrelang wie ein Vater zu Leinen, der junge Mann ging im Haus der Familie jahrelang ein und aus.

Leinen versucht herauszufinden, warum Collini seine schreckliche Tat begangen hat. Dabei muss er sich auch gegen seine eigenen Gefühle stellen, die zur Enkelin des Ermordeten wieder aufflammen – die beiden hatten als Jugendliche bereits einmal eine Affäre. Und er muss feststellen, dass hinter Meyers Bild als angesehenem Wirtschaftsführer mehr steckt, als alle Menschen ahnten …

Der Film versucht natürlich zu viel auf einmal sein: Er ist traurig und witzig, manchmal richtig spannend. Er hat eine Reihe von richtig guten Charakteren – und ich finde Franco Nero als Collini nach wie vor hervorragend. Er ist mal ein Krimi, dann wird es zu einer Auseinandersetzung mit der deutschen wie auch der eigenen Vergangenheit, es gibt eine bittere Liebesgeschichte, und er wirkt für mich in angenehmer Weise gefilmt – keine überzogene Darstellerei, aber ebenso keine Zurückhaltung bei den Figuren.

Ich fand »Der Fall Collini« richtig gut, weil er ein wichtiges Thema in einer sensiblen Weise behandelt. Ein positives Beispiel für einen modernen deutschen Film also – lohnenswert!

Keine Kommentare: