08 November 2011

Ein Denkmal für ein Fischerdorf

Schaue ich auf die Maigret-Romane zurück, die ich bislang gelesen habe, wird mir immer klarer, wie scharf Georges Simenon in seinen Werken die gesellschaftlichen Gegensätze analysiert hat, wie klar er stets herausgearbeitet hat, weshalb sich manche Mordtaten fast schon entwickeln mussten.

Der fünfzehnte Maigret-Fall, den ich im Urlaub las, ist dabei keine Ausnahme: »Maigret und der geheimnisvolle Kapitän« führt den Kommissar aus Paris in das Fischerdorf Ouistreham in der Normandie.

Der Fall ist seltsam genug. Nachdem in Paris ein alter Kapitän aufgegriffen worden ist, der offensichtlich sein Gedächtnis verloren hat, stellt sich heraus, dass er eine üble Kopfverletzung überlebt hat. Maigret und eine junge Frau, die als Haushälterin des Kapitäns tätig ist, bringen den Schwerkranken zurück in das Dorf am Meer – und dort wird der hilflose alte Mann vergiftet.

Maigret beginnt mit seinen Ermittlungen. Wo immer er fragt, stößt er auf eine Mauer des Schweigens. Die Fischer verraten nichts, der Bürgermeister hält still, die junge Frau gibt kein Geheimnis preis. Doch der Kommissar gibt nicht auf, und Stück um Stück enthüllt sich eine düstere Geschichte um Liebe und Verrat, die fünfzehn Jahre zurück in die Vergangenheit reicht.

Mit 218 Seiten ist der Roman für Simenon-Verhältnisse recht umfangreich; für die Verhältnisse des Schriftstellers gibt es sogar recht viel Action – allerdings nicht vergleichbar mit heutigen Krimis. Am stärksten ist der Roman immer dann, wenn Maigret seine Verhöre führt, wenn er in der Kajüte an Bord eines Schiffes oder in der gutbürgerlichen Wohnung des Bürgermeisters sitzt oder wenn er im allgegenwärtigen Nebel buchstäblich herumstochert.

Am Ende stellt sich übrigens heraus, dass Simenon diesen Roman ausgerechnet in Ouistreham geschrieben hat, an Bord seines eigenen Bootes, das er oft als Arbeitsplatz am Ende seiner Romane angibt. Damit wird klar, dass er dem Dorf gewissermaßen ein Denkmal gesetzt hat.

Am Ende sitzt Maigret in der Fischerkneipe, trinkt Bier mit den Fischern, raucht Pfeife und hört ihren Geschichten zu – zumindest ich hatte hier für einen Moment das Gefühl, der Schriftsteller und der Kommissar seien an dieser Stelle eine Einheit eingegangen.

Wieder mal ein starker Roman. Ich bin Fan, ich weiß es jetzt. Und ich freue mich auf die nächsten 60 Maigret-Romane ...

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