14 Juli 2021

Im milchigen Blau

Ich war selbst überrascht, wie gut ich mich unter Wasser orientieren konnte. Am Grund des Sees, durch den ich mich bewegte, war es düster; das Licht, das von oben kam, wurde mehrfach gebrochen und veränderte sich. Rings um mich glitzerte das Wasser in einem milchigen Schein, der mir allerdings erlaubte, die Felsen am Boden ebenso gut zu erkennen wie die Pflanzen und die vereinzelten Tiere.

Seltsamerweise atmete ich unter Wasser, obwohl ich weder eine Maske noch sonst eine Ausrüstung trug. Ich wunderte mich darüber ebensowenig wie über die Tatsache, dass ich mit Tauchen oder sogar nur Schnorcheln gar nicht viel anfangen konnte.

Ich genoss es, wie schwerelos durch das warme Wasser zu treiben. Langsam ging ich tiefer. Die Zweige von Wasserpflanzen erstreckten sich vom sandigen Boden aus in die Höhe, sie vibrierten leicht, wenn ich an ihnen vorüberschwamm, als ob sie mit mir sprechen wollten. Die feinen Enden der Pflanzen schienen zu tanzen, gleitend und langsam, elegant und schön.

Dann stellte ich fest, dass auf einer Sandbank, die sich über mindestens ein Dutzend Meter erstreckte, ganz besondere Pflanzen wuchsen. Sie hatten keine Zweige, sondern nur einen elastischen Stamm, der fast zwei Meter in die Höhe ragte, biegsam und recht kräftig, so dick wie eine Männerfaust und von einer dunkelblauen Farbe. Neugierig ließ ich mich auf sie zu treiben.

Probeweise hielt ich mich an einem dieser Stämme fest. Es fühlte sich warm an, nicht wie eine Pflanze, schon gar nicht wie ein Stamm. Verwundert zog ich an dem Ding … und es bewegte sich!

Auf einmal löste sich die Pflanze aus dem Untergrund. Wie es sich herausstellte, war es keine Pflanze, sondern ein Tier. Am unteren Ende kam keine Wurzel, sondern ein ovaler Körper mit schwarzen und dunkelblauen Streifen, dessen Oberfläche sich kräuselte. Ein Maul öffnete sich, Zähne wurden sichtbar, der Körper bewegte sich hin und her. Auch der Stamm, nein, der Schwanz des Tieres, den ich in der Hand hielt, blieb nicht mehr bei seinem leichten Tänzeln, sondern schlug buchstäblich um sich.

Mit Mühe konnte ich meine Position halten. Die Schläge wurden stärker, es schleuderte mich zur Seite. Ich überschlug mich mehrmals, konnte nicht mehr erkennen, was oben und unten war.

Dann erwachte ich.

Keine Kommentare: