Werbetexten glaube ich ungern, auch nicht bei Büchern. Wenn als ein Verlag behauptet, ein Autor gelte als »Kultautor der amerikanischen Gegenwartsliteratur«, macht mich das erst einmal skeptisch.
Aber der schmale Erzählband »Jesus' Sohn« von Denis Johnson hat's tatsächlich in sich: Die kurzen Geschichten sind in ihrer knalligen Derbheit sehr überzeugend und haben mich gepackt – auch wenn ich manchmal das Gefühl hatte, hier wolle einer den guten Charles Bukowski einige Jahrzehnte nach seinem literarischen Erfolg beerben.
Seien wir fair: »Jesus' Sohn« kam 1992 raus, machte den Autor tatsächlich berühmt, und es gibt das Werk als Hardcover wie auch als Taschenbuch in deutscher Sprache. Ich habe auf dem Flohmarkt die schöne Hardcover-Ausgabe aus dem Rowohlt-Verlag gekauft, die 2006 erschienen ist.
Wenn man es genau nimmt, hängen die Erzählungen alle zusammen. Der Ich-Erzähler arbeitet im Krankenhaus oder landet in der Nervenklinik, trinkt zuviel, nimmt fiese Drogen und hat mit Leuten zu tun, die auch mal jemanden umbringen. Das ist klar erzählt, ohne überflüssige Beschreibungen, mit knappen Dialogen und deshalb sehr eindrücklich.
Als Leser muss man sich damit anfreunden, dass der Autor sich um manche Konvention der Kurzgeschichte nicht sonderlich kümmert. Die Geschichten fangen irgendwie an, umkreisen ihr Thema, wechseln es aber durchaus auch mal, um dann völlig offen oder banal zu enden.
»Dein Mann wird dich mit einem Verlängerungskabel prügeln, und der Bus wird abfahren und dich stehenlassen, aufgelöst in Tränen; aber du warst meine Mutter.« Wer solche Sätze schreibt, lebt nicht im Wolkenkuckucksheim intellektueller Warmduscher – wo ich die meisten der deutschen Gegenwartsliteraten vermute –, sondern weiß, wovon er erzählt.
Die Texte sind wuchtig, sie bleiben hängen, ihre Bilder sind oft stark: wie schwarzweiße Fotografien, die von vergangenen Zeiten oder großen Kriegen erzählen. Wer für Kurzgeschichten mit starkem Realitätsbezug ein Hirn und ein Herz hat, sollte sich das Buch gönnen.
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