08 September 2010

Über die Kinder des Krieges

Obwohl ich Jahrgang 1963 bin, also lange nach dem Zweiten Weltkrieg geboren wurde, war das Thema Krieg in meinem sozialen Umfeld immer gegenwärtig. Ich wuchs mit dem Schweigen meiner Eltern auf, den seltenen Aussagen zu wenigen Themen, dem Geschwätz anderer Menschen aus ihrer Generation – und im Nachhinein werden mir viele Konflikte meiner Jugend langsam klarer.

Zuletzt las ich ein spannendes Sachbuch, das sich mit genau diesem Thema auseinandersetzte: Die Journalistin Sabine Bode beschäftigt sich in »Die vergessene Generation« mit den sogenannten Kriegskindern, also jenen Menschen, die das Ende des Zweiten Weltkriegs als Kinder erlebten.

Dabei geht es ihr nicht darum, irgendwie revanchistisch zu sein oder gar das Leid der Nazi-Opfer mit dem Leid der Deutschen aufzurechnen – diesem Gedanken widerspricht sie klar. Aber sie weist darauf hin, dass es nach dem Krieg zig Millionen traumatisierter Menschen in den Besatzungszonen gab.

Diese Menschen bauten danach drei neue Staaten auf; was für die Erwachsenen als Trauma schon schlimm war, wurde für die Kinder zu einer lebenslangen Belastung, die sich teilweise erst im Alter von 60 Jahren oder noch älter klar zeigt. Die Kriegskinder oder gar die Kriegsenkel bekamen so noch die Spätfolgen des Krieges zu spüren.

Das Buch ist sachlich und zugleich unterhaltsam geschrieben; es arbeitet mit Aussagen von Betroffenen und versucht, deren Biografie mit späteren psychischen Belastungen in Einklang zu bringen. Menschen, die zeit ihres Lebens von Albträumen geplagt sind, waren gegen Kriegsende vielleicht drei oder vier Jahre alt, haben den Bombenkrieg also nicht bewusst mitbekommen, wurden aber von ihm geprägt.

Ein packendes Thema, das mich während der Lektüre nicht losgelassen hat. (Meine Eltern betrifft's dann doch nicht so sehr: Mein Vater erlebte das Ende nach zwei Jahren Ostfront mit zwanzig Jahren im Lazarett; meine Mutter war schon 13 Jahre alt und überlebte die Brandschatzung von Freudenstadt.) So biografisch war's nicht unbedingt, aber eine nachdrückliche Lektüre. Respekt!

Wen's interessiert: Das Taschenbuch ist bei Piper erschienen, ist 287 Seiten stark und sollte in jeder Buchhandlung zu haben sein. Menschen mit ähnlichen biografischen Hintergründen sollten es mal antesten – es lohnt sich.

2 Kommentare:

Frank Böhmert hat gesagt…

Interessanter Lektüretipp, Klaus. Danke dafür.

Meine Eltern haben die letzten Kriegsjahre als Kleinkinder erlebt.

Klaus Reinhold hat gesagt…

Sabine Bode erwähnt in ihrem Buch "Kriegsenkel" ein Theaterstück von Klaus Fehling, das die Beziehung zwischen einer Kriegskind-Mutter und ihrer Tochter zum Thema hat. Das Stück ist mittlerweile auch als Buch erhältlich.

"Risiken und Nebenwirkungen"
Reihe Theatertexte Band 2. Zweite Auflage. Mit einem Vorwort von Sabine Bode.
ISBN 978-3-942792-05-9
116 Seiten. € 16,-