17 September 2009

Piraten-Possen

An dümmlichen Populismus läßt sich die sogenannte Piratenpartei nicht mal von der Linken und von der CSU übertreffen. Man faselt von »Bürgerrechten« und »Offenheit« und meint damit letztlich »Legalisierung von Diebstahl« und »Enteignung von Urhebern«; und man ist stolz darauf, einen Bundestagsabgeordneten in seinen Reihen zu haben, gegen den wegen des Besitzes von Kinderpornografie ermittelt wird (im Zweifel für den Angeklagten, schon klar, aber ein bißchen unklug ging er ja schon vor, der »selbständig ermittelnde« Bundestagsabgeordnete aus Karlsruhe).

Und man hat ein Vorstandsmitglied, das einem rechtslastigen Blatt ein offenherziges Interview gibt. »Mir war die Zeitung überhaupt nicht bekannt, also dachte ich mir nichts dabei«, jammert Andreas Popp, der Vize-Bundesvorsitzende der Partei, in seinem eigenen Blog. Und jammert in fleißigem Kotau vor protestierenden Leuten weiter: »Ich entschuldige mich bei allen, dass ich hier nicht besser aufgepasst habe, wem ich da ein Interview gebe.«

Wir halten fest: Popp hat mit der »Rechten Freiheit« gesprochen, die hat das Interview publiziert, er wurde dafür kritisiert. So weit, so schlimm – oder so harmlos. Je nach Betrachtensweise.

Ganz klar: Die »Junge Freiheit« steht weit rechts. Ich habe sie schon seit gut zwei Jahren nicht mehr gelesen, bin mir aber sicher, daß sie in ihren Inhalten immer noch ein Scharnier zwischen intellektuell auftretenden Rechtsradikalen und halbwegs seriösen Rechtskonservativen ist. Das kann man gut oder schlecht finden – ich halte das Blatt für soweit am rechten Rand stehend, daß ich es für widerlich halte.

Die offensichtliche Unprofessionalität des Piratenpartei-Funktionärs zeigt sich übrigens darin, wenn er versucht, sich als Opfer darzustellen. Dazu hat ausgerechnet die »Junge Freiheit« klar Stellung bezogen: Man habe ihm gesagt, um welches Blatt es sich handele, man sei im Kontakt mit ihm gestanden, und er hätte das Interview schließlich zur Autorisierung vorab erhalten. Finde ich lustig.

Wer solche Grundlagen nicht weiß und einer Zeitung ein Interview gibt, um dann hinterher öffentlich herumzuheulen, er habe das alles nicht gewußt, ist schon ein bißchen ... hm ... seltsam. Aber in der Piratenpartei reicht es vielleicht auch aus, einen Computer ein- und ausschalten zu können, um Karriere zu machen.

Übrigens (bevor jetzt jemand Google bemüht) noch dreierlei. Erstens: Über mich, genauer den ENPUNKT, hat die »Junge Freiheit« schon berichtet. Zweitens: Ich habe mich mit einem Mitarbeiter der »Jungen Freiheit« auf der Frankfurter Buchmesse getroffen und gut unterhalten. Drittens: Soweit ich mich erinnere, hat die »Junge Freiheit« vor vielen Jahren auch mal über PERRY RHODAN berichtet und mich dabei zitiert.

Meine Meinung zu der Zeitung davor und danach war und ist davon nicht berührt. Nicht diskutabel!

11 Kommentare:

Alexander hat gesagt…

Hallo Klaus,
ich finde, dass du der Piratenpartei nicht gerecht wirst, wenn du sie auf die Urheberrechstdebatte reduzierst. Themen wie die Vorratsdatenspeicherung halte ich nicht für irrelevant, da sollte eigentlich keiner ruhig bleiben, der vormals gegen die harmlose Volkszählung auf die Straßen gegangen ist etc.

Wobei ich die recht gebe: Dieses Interview in der JF hätte nicht sein müssen und ist peinlich, ebenso wie die Reaktionen, nachdem es publik geworden ist. - Die Piraten zeigen aber keine rechtsextremen Tendenzen, die kann man auch aus dem Interview nicht herauslesen.

Gruß,
Alexander :-)

Mathias hat gesagt…

Ohje Klaus... Da geht aber einiges wild durcheinander. Du bist ein politisch gebildeter Mensch, daher muss ich dir sicher nichts über die politischen Ziele der Piratenpartei erklären.
Die Aufnahme von Herrn Tauss (übrigens Wochen vor Anklageerhebung) war sicher kein kluger Schachzug. Auch das Interview ist ein Fehler wie er nur einem plotischen Anfänger passieren kann.

Aber wie stehst Du denn als Linker zur Vorratsdatenspeicherung von Millionen Daten völlig unverdächtiger Menschen, nur um ein oder zwei potentielle Attentäter im nachhinein überprüfen zu können? Oder zu Sperungen von Internetseiten ohne rechtsstaatlichen Beschluss, ohne parlamentarische oder sonstige Kontrolle, sondern durch eine Polizeidienststelle? Wie groß ist der Schritt, bis eine Polizist eine "linksradikale" Seite auf die Sperrliste setzt?

Das sind aus meiner Sicht nämlich die zentralen Themen der Piratenpartei. Und nicht "Legalisierung von Diebstahl".

Ich finde diese Themen wichtig. Und andere finden das auch. Und es freut mich, dass es eine Partei gibt, die diese Themen aufgreift. Sonst tut es ja keine andere.

Enpunkt hat gesagt…

Die Vorratsdatenspeicherung und andere wichtige Themen will ich nicht abtun; rechtsextrem sind die Piraten ebenfalls nicht. Dazu reichte ein Interview mit der "Jungen Freiheit" nicht aus; ich meine, die haben ja sogar schon mich zitiert, ähm.

Nur: Der Hype um die Piraten, der ist mir angesichts des Gejammers nicht nachvollziehbar. Und die Urheberrechtsdebatte halte ich ebenfalls für sehr wichtig.

Anonym hat gesagt…

Dieser Satz: "Man faselt von »Bürgerrechten« und »Offenheit« und meint damit letztlich »Legalisierung von Diebstahl« und »Enteignung von Urhebern«;" ist genau der dümmliche Populismus, den Du der Piratenpartei unterstellst.

Mathias hat gesagt…

Auch ich halte die Urheberrechtsdebatte für wichtig und die Piratenpartei tritt auch nicht für "legalisierten Diebstahl" sondern für ein neues Urheberrecht ein. Zum Beispiel für das Recht auf Privatkopie, was vor einigen Jahren noch völlig legal war, ehe die Lobby der Musikmultis ein Verbot durchgesetzt hat.

Aber das ist aus meiner Sicht wirklich nicht der zentrale Punkt. Ich sehe uns durch die Politik der Partein im Bundestag derzeit auf einem so schlechten Stand, was Freiheit und Privatsphäre angeht, wie seit Jahrzehnten nicht. Es werden Bürgerrechte und unsere Verfassung eingegrenzt in einem Maße, wie es vor ein paar Jahren undenkbar gewesen wäre. Alles unter dem Deckmantel der Terrorgefahr und wo das nicht ausreicht, wird die Keule Kinderpornographie gewschwungen.

Wie große wäre der Aufschrei, wenn eine Struktur eingerichtet würde, mit der eine staatliche Stelle ohne Kontrolle entscheidet, welche Zeitschriften, Fanzines und Zeitungen wir lesen dürfen und welche nicht verkauft/verteilt werden dürfen. Außerdem werden die registriert, die sich doch Zugang zu solchen Druckerzeugnissen verschaffen. Genau das hat aber unsere Regierung auf das Internet bezogen beschlossen. Jeder der sich dagegen stellt verdient aus meiner Sicht Unterstützung.

Unsere Handy, Internet und weitere daten speichern sie ja eh schon. Bald haben sie auch noch unsere Gesundheitsdaten. Ich zitiere nur: 1984 war nicht als Anleitung gedacht ;-)

Alexander hat gesagt…

Ich gebe Klaus da schon recht: An manchen Stellen könnte man schon glauben, die Piraten wollen einen großen Selbstbedienungsladen haben. (Das ist vielleicht auch ganz werbewirksam). Ganz so weitreichend ist der offizielle Vorschlag aber doch nicht.

Trotzdem sollte man auch überlegen, ob es sinnvoll ist einen beachtlichen Teil der Bevölkerung zu kriminalisieren und dann willkürlich einzelne aus der Menge an den Pranger zu stellen, abzumahnen und mit existenzbedrohenden Abmahnungen zu bombardieren. An dieser Stelle hat die gegenwärtige Politiklandschaft ihren Gestltungsauftrag nicht wirklich wahrgenommen, dabei möchte ich denen nicht Boshaftigkeit oder Bestechlichkeit, sondern eher Uninformiertheit (tolles Wort) unterstellen.

Die #Piraten+ bringen diese Diskussion in die Öffentlichkeit und das ist sehr zu begrüßen.

Gruß,
Alexander :-)

Frank Böhmert hat gesagt…

Das wird sich alles noch auswachsen bei den Piraten.

Aber immer schön, was zu lachen zu haben.

MartinM hat gesagt…

Ich gebe Dir Recht - teilweise. Denn die von Dir erwähnte "piratische" Mischung aus abenteuerlichem Dilettantismus und gruppenbezogenen Populismus gibt es ja wirklich.
Hinsichtlich des Umgangs mit dem Urheberrecht kämen wir wohl nicht auf einen Nenner. Ich weiß, dass, wenn ich für "Open Acess", das Recht auf die Privatkopie und für stärkere Rechte des Urhebers zulasten der Verwertungsindustrie bin, eben nicht "Legalisierung von Diebstahl" oder gar "Enteignung von Urhebern" befürworte, und ich weiß auch, dass viele Piraten darin einer Meinung mit mir sind.

Aber ich weiß leider auch, und zwar nicht aufgrund irgendwelcher Gerüchte, sondern weil die Betreffenden das selbst schreiben oder sagen - dass so manche "Piraten" ein sehr lockeres Verhältnis zum Urheberrecht haben.

Einem Kreativen steht eine angemessene Bezahlung einfach zu. Der "arme Poet" ist nur auf Spitzwegs Gemälde romantisch und als "Ideal des sich aufopfernden Künstlers pure(erzkapitalistische) Ideologie.
Das richtet sich sowohl gegen in der Medienindustrie immer noch übliche Verwertungsmodelle, in denen der eigentlich Urheber, der Künstler, mit "Peanuts" abgespeist wird, wie auch an Menschen, die einfach geschützte Werke downloaden ohne zu fragen, geschweige denn, zu bezahlen.

Aber mir ist auch klar, dass es in einer Welt nach meinem Gusto z. B. nichts gäbe, was einem Heinrich-Bauer-Verlag auch nur annähernd ähneln würde. Eine Romanserie wie "Perry Rhodan" könnte es in dieser Welt nicht geben. (Theoretisch könnte es sie auch in der Realwelt der heutigen Medienindustrie nicht mehr geben - sie ist ein betriebswirtschaftliches Wunder.)

Die "Piraten" sind noch weit davon entfernt, die Bürgerrechts-Partei zu sein, der ich ohne zögern beitreten würde.
Aber es ist trotzdem gut, dass es sie gibt. Ich werde sie wählen. Trotz alledem.

Manfred hat gesagt…

Klaus, ich mache mir langsam Sorgen um Dich. Dass Du beim Thema Urheberrecht daneben liegst, habe ich Dir schon begründet. (Es ist überhaupt komisch, dass man einem Science-Fiction-Mensch Zusammenhänge über die zukünftige Entwicklung des Urheberrechts noch erläutern muss....) Nun instrumentalisierst Du den kleinen Faux-pas eines Piraten, um die ganze Piratenpartei in Bausch und Borgen zu verdammen. Finde ich an sich schon daneben. Richtig schlimm wird es aber, wenn Du zu diesem Zweck das Argument bemühst, die Piratenpartei würde die "Legalisierung von Diebstahl" und die "Enteignung von Urhebern" fordern, also Deiner (falschen) Weltsicht widersprechen.

Dabei ist die größte Crux der Piratenpartei ja gerade, dass sie das eben keineswegs fordern, weil auch sie offenbar in der (beschlussfähigen) Mehrheit noch nicht kapieren, was die Wissensgesellschaft bedeutet. Die Piratenpartei will lediglich "die Privatkopie stärken" und fordert nicht den freien Download von Literatur, Musik und Filmen!

Warum ist das eine Crux? Vor allem deswegen, weil nicht nur Du, sondern auch noch viele, viele andere Leute dieses Bild von der Piratenpartei als "Legalisierer von Diebstahl" und "Enteigner von Urhebern" verinnerlicht haben. Jede andere Partei wäre froh über so viel klardenkende potenzielle Wähler mit analytischem Verstand und klaren Vorstellungen - und würde (aus Opportunismus oder aus Vernunft) diesen Wählern folgen. Was macht die Piratenpartei? Versteift die vor der Brust gekreuzten Arme und beharrt darauf, nur für die Stärkung der Privatkopie einzutreten! AAAARGH!

Verrückte Welt!

Stefan Gaffory hat gesagt…

Gutes Thema... die Piratenpartei kann in den Comments verteidigt werden, wie sie möchte, aber alleine die Frage des Urheberrechts ist für mich ein Grund, sie nicht zu wählen.
Als Kreativer sollte einem immer noch selbst überlassen bleiben, was man einer breiten Masse unentgeltlich zur Verfügung stellt und was nicht.
Mal abseits aller romantisierenden Punkrockideale: ich hätte nichts dagegen, wenn ich mir dank meiner kreativen Arbeit weniger Sorgen darum machen müßte, wie ich meine Miete bezahle und nicht bis zu meiner Rente in meinem Brotjob verrotten müßte.
Ich bin mir darüber klar, daß man, hat man das Glück, kreativ zu sein, sich in einer quasi privilegierten Stellung befindet und habe großen Respekt vor Leuten, die körperlich arbeiten, weil sie das eben müssen (lustig, das in den Blog eines Ex- APPDlers hineinzuschreiben *gg*), aber keiner möchte in größerem Umfang ohne Bezahlung irgendwas tun, weder ein Arbeiter, noch ein ehrer, noch ein Kreativer.
Deshalb hast du in dem Fall meine volle Zustimmung.
Und was den von mir sehr geschätzten Eckhard Henscheid vor Jahren geritten hat, der "JF" ein Interview zu geben und für dieses Blatt auch später ofensiv in die Bresche zu springen, frage ich mich heute noch.

Enpunkt hat gesagt…

An Manfred: Nur weil ich mich für Science Fiction interessiere, macht mich das nicht zum Zukunftsforscher. Und nur weil einige Leute meinen, die Weisheit mit Löffeln gefressen zu haben und zu wissen, wie man in der Zukunft mit dem Urheberrecht umgeht, muß ich denen ja noch lange nicht nachfolgen.

Keiner weiß irgendwas über die Zukunft. Das Beispiel mit den Pferden und den Pferdeäpfeln von London sollte allgemein bekannt sein.

Ich interessiere mich für Science Fiction und natürlich auch für eine potentielle Zukunft. Zu glauben, daß eine alberne Kultur-Flatrate oder sonst ein neuer Bürokratismus dafür sorgt, daß die einen sich für die anderen den Buckel krumm arbeiten, ist aber auch ... ähm ... entweder piratig oder naiv.