Kurz nach sechs Uhr stand der stellvertretende Marktleiter vor der Tür meines Elternhauses und klingelte. Es war unter der Woche, und meine Eltern waren bereits aufgestanden. Mein Vater machte sich zur Arbeit in der Fabrik bereit, meine Mutter schmierte Pausenbrote und kochte Kaffee.
»Ich brauche Ihren Sohn«, sagte der stellvertretende Marktleiter. »Dringend.« Er wohnte in einem anderen Dorf, musste immer durch unser Dorf fahren, um zur Arbeit zu kommen.
Nach kurzem Gespräch weckte mich meine Mutter. Zehn Minuten später saß ich im Auto des stellvertretenden Marktleiters. Während ich ein belegtes Brötchen vesperte, das meine Mutter mir gepackt hatte, erklärte er mir, welches Problem wir hätten.
»Heute nacht sind die Panzer durch die Stadt gefahren, und die Vibrationen haben offenbar den Strom gestört.« Er sagte, er könne sich das auch nicht erklären, aber so sei es nun einmal.
Zu diesem Zeitpunkt arbeitete ich seit über einem Jahr in dem Supermarkt, neben der Schule jobbte ich im Lager und an der Tankstelle, füllte Regale auf und schob Einkaufswagen über den großen Parkplatz. Ich sah an manchen Tagen aus »wie der letzte Mensch«, wie man mir bestätigte, aber ich machte meine Arbeit sehr ordentlich.
Seit einigen Tagen lief ein Großmanöver in unserer Region. Ständig rollten Panzer durch die Straßen, gingen Soldaten in Stellung, donnerten Flugzeuge im Tiefflug über die Dörfer und Kleinstädte hinweg.
»Aber was nun?«, fragte ich mich, weil ich nicht verstand, warum ich so früh aus dem Bett musste.
»Wenn der Strom ausfällt, haut's auch bei unseren Kühlanlagen den Strom weg. Die Tiefkühltruhen waren über längere Zeit hinweg ohne Strom, wir können den Inhalt nicht mehr verkaufen.«
Was das bedeutete, erkannte ich, als wir kurz vor halb sieben Uhr am Supermarkt eintrafen. Es war ein Samstagmorgen, ich hätte an diesem Tag keine Schule gehabt. Mein Job war nun, halb aufgetaute Nahrung wegzuwerfen.
Ich hatte eine Gitterbox, ich trug Handschuhe. Mit dem Hubwagen steuerte ich die Gitterbox zu den Kühltruhen und nahm den gefrorenen oder schon angetauten Inhalt heraus, warf ihn in die Box, bis sie randvoll war. Dann rollte ich aus dem Markt heraus, durchs Lager hindurch und an den Müllcontainer. Dort warf ich alles hinein.
Gefrorenes Fleisch, gefrorene Pizza, gefrorene Torten, viel Eis, Tiefkühlgemüse und viele andere Dinge mehr wanderten in den Müll. Ich schuftete ununterbrochen und so schnell ich konnte, weil die Tiefkühltruhen leer sein mussten, bis der Markt öffnete.
Trotz der Handschuhe wurden meine Hände eiskalt, während ich gleichzeitig unglaublich schwitzte. Zeitweise halfen mir Kolleginnen und Kollegen, aber die waren ab sieben und acht Uhr damit beschäftigt, ihre eigenen Arbeitsbereiche im Markt aufzubauen.
Um neun Uhr kamen die Kunden, und wenige Minuten davor waren die Tiefkühltruhen leer. Der stellvertretende Marktleiter hatte Schilder gedruckt, die auf den Umstand hinwiesen, und er hatte Nachschub bestellt. Der würde im Verlauf des Tages eintreffen.
Danach saß ich im Lager auf einer Palette, verschwitzt und verfroren zugleich, und wartete auf den Lastwagen, der außerplanmäßig den Müll abholen würde, bevor dieser in der Sommerhitze zu stinken beginnen würde. Um kurz vor zehn Uhr hatte ich meine erste Bierflasche geöffnet und trank mit großen Zügen.
Als der stellvertretende Marktleiter kam, kommentierte er das Bier nicht, sondern setzte sich zu mir auf die Palette. »Was hätten Sie heute eigentlich?«, fragte er mich. Ich war 17 Jahre alt, er höchstens 25, aber natürlich siezten wir uns.
»Tankstelle«, gab ich zurück. »Wie fast immer am Samstag.«
Er nickte. »Wir stellen einen Ersatz an die Tankstelle. Sie trinken Ihr Bier aus, dann legen Sie sich eine Stunde oder so in eine Ecke und ruhen sich aus.« Er sah mich grimmig an. »Das ist eine dienstliche Anordnung, klar?«
Ich nickte ebenfalls. Er beugte sich nach vorne und steckte einen Zwanzigmarkschein in meine Jackentasche. Als er davon ging, drehte er sich um und sagte: »Gute Arbeit.«
Meine Hände zitterten immer noch vor Kälte.
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