Im Sommer 2010 waren wir für eine Woche in Cannes, der schönen, aber übertrieben schicken Stadt am Mittelmeer. Auffallend viele weißgekleidete Menschen waren zu sehen, gerne führten ältere Damen auch mal kleine Hunde an der Croisette entlang, und die gesamte Stimmung der Stadt an der Küste war in gewisser Weise lethargisch und snobistisch zugleich.
Kein Wunder, dass mich der Roman »Maigret in der Liberty Bar« einfing. Es war Band 17 der Maigret-Reihe, den ich las, und wieder einmal packte Georges Simenon mit der Geschichte, die zwar mit einem Mord beginnt, aber recht wenig mit einem konventionellen Kriminalroman zu tun hat.
Kommissar Maigret, der aus Paris ans Mittelmeer geschickt wird, soll den Mord an einem wohlhabenden Engländer in Antibes aufklären; allerdings soll er dabei keinerlei Aufsehen erregen. Der Kommissar, der in der Urlaubsstimmung der Côte d'Azur keine rechte Lust entwickelt, sich um familiäre Verwicklungen zu kümmern, stöbert lustlos herum, kommt irgendwann nach Cannes und stößt dort auf ein Kellerlokal, das »Liberty Bar« genannt wird.
Die lethargische Stimmung in der »Liberty Bar«, die in einem seltsamen Gegensatz zu den weißen Häusern und den weiß gekleideten Menschen von Cannes und Antibes steht – das alles schildert Simenon derart eindrucksvoll, dass man meint, die Geschichte spiele in der heutigen Zeit und nicht in den 30er-Jahren. Lustlos ermittelt der Kommissar, widerlich sind manche Umstände, die ans Licht kommen, und mit einer gewissen Lethargie kommt am Ende heraus, wer eigentlich welche Tat begangen hat. Aber irgendwie ist das dann auch nicht mehr wichtig.
Nicht zum ersten Mal lässt mich Simenon bei einem Roman sprachlos zurück. Die rund 160 Seiten lesen sich wie im Flug, trotz der lahm-lethargischen Stimmung, die der Autor vermittelt. Das macht er so meisterhaft und zugleich so spannend, dass ich nur fassungslos zuschauen kann. Genial!
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