10 November 2008

Führender Internet-Kritiker

Man lernt ja nie aus. So benötige ich heutzutage schon den Golem-Newsletter, um herauszufinden, wer Andrew Keen ist – allerdings habe ich den Namen unlängst schon mal gelesen, allerdings gleich wieder vergessen. Der in den USA lebende Brite beschäftigt sich hauptberuflich mit dem Internet im besonderen und Medien im allgemeinen, und er wurde zuletzt durch seine kritischen Äußerungen bekannt.

Frei nach der Terrorgruppe, die noch in gepflegtem Sarkasmus »die Gesellschaft ist schuld, daß ich so bin« trällerte, argumentiert Keen mit bitterstem Ernst, daß das Web 2.0 an allem Schuld sei und letztlich zu einer Massenverdummung führe. Das Internet produziere nämlich – aufgepaßt! – eine »Kakophonie unkontrollierter, personalisierter, oft anonymer Meinungsäußerungen«.

Da hat er ja nicht unrecht: Der Prozentsatz an Deppen, die sich im Internet tummeln, dürfte sich nicht grundsätzlich von dem unterscheiden, den es außerhalb im »wirklichen Leben« gibt. Aber ist das ein Grund, derart in die Öffentlichkeit zu jammern?

Keen beklagt die »Umsonstkultur«, der »Internetkult um Amateurschreiber« sei eine Gefahr. Mannomann, der Mann hat Probleme – oder er vermarktet sich halt gut in Zeiten, wo Leute wirklich sehen, daß sich manche Dinge ändern.

Das Internet hat in den letzten zehn Jahren enorm viel verändert; da hat er recht. Und die Veränderungen sind noch lange nicht am Ende. Gerade das sogenannte Web 2.0, also das Internet, an dem auch normale Leute wie unsereiner was produzieren können, hat dazu beigetragen.

Da hat er recht. Bis in die 70er Jahre hinein war Öffentlichkeit nur mit viel Mühe herzustellen; man brauchte mindestens eine Druckerei oder einen Radiosender. Dann kamen nacheinander der Fotokopierer, der Offsetdrucker und irgendwann eben das Internet – seither ist die Verbreitung von Nachrichten und Informationen super-einfach geworden. (Klar nutzen das auch Nazis oder Perverse; junge Leute in Staaten wie dem Iran erhalten durchs Netz aber einen Blick in die Welt.)

Machen wir uns nichts vor: Das Internet ist ein Stückweit Demokratie. Und wenn man dem Volk ein wenig Freiheit gibt, kommt nicht nur Geistvolles dabei heraus. Das sollte auch Mr. Keen irgendwann mal gelernt haben.

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Klaus, der meint das vielleicht andersrum. Ich entdeckte heute im Vorbeigehen das Buch "Das Ende der Schublade: Die Macht der neuen digitalen Unordnung" von David Weinberger und auch er hat einen gegenüber den Denkgewohnheiten verschobenen Ansatz.

Aus dem Klappentext: "Ob wir spazieren gehen, einkaufen oder uns unterhalten - ständig teilen wir die Lebewesen und Dinge (...) ein in verschiedene Kategorien: Bäume und Blumen, Milchprodukte und Gemüse, sympathische Menschen und unsympathische. So schaffen wir Ordnung und finden uns in der Welt zurecht wie in einer Bibliothek - alles hat seinen Platz. Diese Ordnung kommt ins Wanken (...). Unser Denken in festen Kategorien führt uns auf Dauer nicht weiter, wir müssen lernen, mit Chaos, Unordnung und Unschärfe umzugehen. Nur so lässt sich verstehen, warum Projekte wie Wikipedia funktionieren (...). Das ist nicht weniger als eine Revolution: Denn auf einmal verlieren Experten ihre Macht, soziale Netzwerke werden immer einflussreicher (...). Jeder besorgt sich genau die Informationen, die er braucht, und bringt sie in die Ordnung, die ihm am besten nützt."

Es scheint ihm darum zu gehen, dass sich das Schubladendenken ausdifferenziert. Ich habe ein wenig sogar den Eindruck, dass er die Entwicklung globaler Subkulturen, letztlich von unterschiedlichen Menschenrassen als Vision vor Augen hat und das noch gut findet.

Der Satz "soziale Netzwerke werden immer einflussreicher" hat mich aber stutzig gemacht. Ich glaube, er beobachtet einiges richtig, synthetisiert seine Erkenntnisse aber eher in Richtung Science Fiction als in Richtung Futurologie. Ganz sicher bin ich mir aber auch nicht, wenn ich mir Online-Spieler und Computerspieler überhaupt ansehe ;-)