Einen Tag vor der Wahl wurde in Karlsruhe noch einmal zu einer Kundgebung aufgerufen, die sich »für die Demokratie« aussprach. Weil ich die ersten zwei Demonstrationen zu diesem Thema in diesem Jahr verpasst hatte, radelte ich am Samstag, 22. Februar 2025, bei frühlingshaftem Wetter in die Innenstadt und spazierte dort zum Marktplatz.
Ich bin schlecht darin, Menschenmassen zu schätzen. Etwa tausend, vielleicht auch 2000 Leute hatten sich auf dem Marktplatz versammelt, die meisten davon sahen »normal« aus: keine Autonomen, ein halbes Dutzend Punks, ansonsten die »Mitte der Gesellschaft«. Es herrschten selbstgemalte Plakate vor, was ich schon wieder ansprechend fand.
Die Rednerin erläuterte, dass es sich um ein Veranstaltung der Organisation »Migrants For Karlsruhe« handle. Den Veranstaltern gehe es darum, den Migranten in der Stadt eine Stimme zu geben; sie seien von dem aktuellen Rechtsruck stark betroffen. Die Idee, mal Migranten sprechen zu lassen und nicht nur über sie zu reden, gefiel mir.
Seltsam fand ich den Ansatz, Deutschlandfähnchen im Publilum zu verteilen. Man wolle die schwarzrotgoldene Fahne nicht den Rechten überlassen – was ja eigentlich ein guter Ansatz ist –, aber ich kann mit Nationalfahnen nicht viel anfangen. Immerhin wollte mir niemand eine Fahne andrehen.
Als hörte ich zu und klatschte am Anfang immer wieder Beifall. Einige der kurzen Ansprachen waren sehr interessant. Ein Mann, der zum Gemeinderat der Stadt gehört, erzählte von seiner Flucht, von seinem Leben in der ständigen Angst, abgeschoben zu werden. Mittlerweile sei er aber Deutscher, und er betrachte Karlsruhe als seine Heimat. Eine Frau aus Ruanda erzählte in englischer und deutscher Spache von ihrem Leben.
Ein Redner schilderte ebenfalls sein Leben. Seine Kinder und Enkel seien alle in Deutschland geboren. Er verwies dann auf das Leid der Palästinenser; sicher vergaß er zu diesem Zeitpunkt, auf die Kriege in anderen Weltregionen (Kongo, Sudan) hinzuweisen oder das Leid der israelischen Zivilbevölkerung zu erwähnen. Allerdings fragte ich mich schon, welchen Bezug es zum aktuellen Rechtsruck in Deutschland geben könnte. Aber das habe ich vielleicht nicht richtig verstanden.
Wie so oft bei Demos und Kundgebungen war die Musik teilweise zum Fremdschämen. Als ein HipHopper auf der Bühne von sich selbst und seinen Problemen mit sich selbst erzählte – oder »rappte« –, musste ich, weil ich dummerweise dreißig Sekunden lang auf den Text gehört hatte, gut hundert Meter zur Seite gehen. Auch den Liedermacher mit seiner Gitarre fand ich sehr grenzwertig; Geschmäcker sind allerdings auch verschieden.
Als ich dann wahrnahm, dass ein Grüppchen von Demonstranen eine palästinensische Flagge schwenkte, war ich kurz am Überlegen, wie ich mich verhalten sollte. Was hatte dieses nationale Symbol auf einer Kundgebung für Demokratie erloren, was wollten die Leute damit aussagen? Wollten sie mir klarmachen, dass die Hamas eine demokratische Organisation war – oder worum ging es bei dieser Flagge?
Schlagartig fiel mir ein, dass ich daheim noch Wäsche zu waschen und den Staubsauger zu schwingen hatte. Das war sinnvoller, als mich über Nationalistenkram aufzuregen. Ich beschloss zu gehen und radelte heim.
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