01 Juni 2021

Ein eisiger Comic vor historischer Kulisse

In Frankreich zählen historische Geschichten seit vielen Jahren zu den beliebtesten Genres der Comic-Szene. Serien wie »Die sieben Leben des Falken« wurden auch im deutschsprachigen Raum durchaus erfolgreich, erlebten aber nie die Beliebtheit, die sie in Frankreich genossen. Mit »Winter 1709« liegt im Splitter-Verlag ein Zweiteiler vor, den ich sehr spannend fand.

Wie der Titel schon klarmacht, spielt die Geschichte im Jahr 1709. Wieder einmal führt Frankreich einen Krieg gegen seine Nachbarn; weil aber ein schrecklicher Winter das Land lahmlegt, stocken alle Feldzüge. Ein einzelner Mann muss versuchen, Nahrungsmittel für die Truppen zu besorgen, zieht auf eigene Faust durchs Land und schlägt sich mit Banditen, Bauern und Soldaten herum.

Wenn man es genau nimmt, hat »Winter 1709« den Charakter eines Westerns. Wäre nicht die historische Kulisse des vereisten Frankreichs, könnte man sich Loys Rohan auch als einsamen Westernhelden vorstellen. Der Mann reitet allein, er wird mit allerlei Schrecken konfrontiert, er trifft eine attraktive Frau und legt sich mit Schurken und Helden gleichermaßen an.

Mit ihrem Szenario greift Nathalie Sergeef eine Epoche auf, die in Frankreich eine gewisse Popularität genießt. Die Zeit von Ludwig XIV. mit ihrem Prunk und ihren Intrigen bietet für viele populäre Geschichten einen starken Hintergrund. Davon sieht man in den zwei Bänden dieses Comics wenig: Die Autorin zeigt eine düstere Zeit, in der Kinder wegen eines Verdachts am Galgen aufgehängt werden, in der verzweifelte Menschen sich um die letzten Nahrungsmittel streiten und in der nichts von »edlen Rittern« zu sehen ist.

Ihre Geschichte ist spannend, ihre Dialoge sind stark. Unweigerlich ist man gefesselt und lässt sich in die derbe, zeitweise sehr harte Geschichte hineinziehen. Sie steigert sich im zweiten Band zu einem action-geladenem Ende, es gibt viele Tote und ein »Happy End«, das eher begrenzt ist. Streckenweise ist das alles recht brutal, was allerdings zu einer Zeit unaufhörlicher Kriege passt.

Die Optik finde ich beeindruckend. Vor allem die Darstellungen des Winters, von Eis und Schnee sind hervorragend. Philippe Xavier versteht sich darauf, Action zu zeigen, bringt die erbitterten Kämpfe klar aufs Papier. Manchmal unterscheiden sich die Gesichter nicht stark genug voneinande;, es sind letztlich immer wieder bärtige Männer, die sich gegenseitig totschlagen.

Die Farbgebung darf ich bei alledem nicht außer Acht lassen. Wie Jean-Jacques Chagnaud die verschiedenen Weiß- und Grau-Töne des Winters orchestriert, das ist schon sagenhaft. Dadurch entsteht eine spannende Kombination aus Bild und Text, die einen nicht so schnell loslässt.

Klar, man muss ein Fan historischer Comics sein, und man sollte ein Faible für die französische Geschichte haben. Dann ist »Winter 1709« echt großartig. Aber auch sonst handelt es sich um einen überzeugenden Comic, der in schöner Gestaltung veröffentlicht wurde.

1 Kommentar:

Enpunkt hat gesagt…

Weitere Informationen zu »Winter 1709« und eine Leseprobe gibt es auf der Internet-Seite des Splitter-Verlages.
Hier:
https://www.splitter-verlag.de/winter-1709-buch-1.html