Ich parkte mein Auto so, dass der Kofferraum zum Garten zeigte. Es war bereits dunkel, so dass niemand von den Nachbarn mitbekam, was ich auslud und durch den Garten trug. Hinter dem Haus stellte ich alles vor der Kellertür ab.
Meine Eltern standen mittlerweile an der Eingangstür. Mein Vater verdrehte die Augen. »Hast du mir wieder Zeugs mitgebracht, das ich verbrennen kann?«
Ich nickte. »Neues Futter für den Ofen. Dann hat der Dreck wenigstens einen Sinn.«
In diesem Frühjahr 1992 waren die Dörfer zwischen Tübingen, wo ich arbeitete, und Freudenstadt, wo ich lebte, voller Wahlplakate. Vor allem die rechtsradikalen Republikaner schienen in den Dörfern ihre Anhänger zu sehen. Und so hielt ich, wenn ich von der Arbeit nach Hause fuhr, gelegentlich in einem Dorf an und räumte Plakate der Republikaner ab.
Mein Auto stellte ich stets in eine Seitenstraße oder in einen Weg, der auf die Wiesen oder in den Wald führte; so blieb ich in der Dunkelheit recht anonym. Mit einer Kneifzange kam ich schnell voran. Und weil das Dorf, in dem meine Eltern wohnten, auch auf dem Weg lag – es kam darauf an, welche Strecke ich einschlug –, bot er sich an, die Plakate bei ihnen abzuladen, um sie zu verbrennen.
Kopfschüttelnd ging mein Vater ins Haus zurück und in den Keller, machte mir dort die Tür auf. Ich trug die Plakate in den Heizungskeller, wo ich sie schnell zertrat und zerhackte. Danach warf ich die Bruchstücke auf den großen Haufen an Plakatresten, der sich in einer Ecke auftürmte.
»Sonderlich ökologisch ist es aber nicht, wenn ich das verbrenne«, meinte mein Vater und sah auf den Haufen hinab. »Das ist billiges Zeugs und voller Klebstoffe.«
»Na ja, wenn ich es auf eine Müllkippe bringen würde, wäre es auch nicht unbedingt umweltfreundlich.«
»Auch richtig.« Er grinste. »Ein Bier?«
Ich nickte, und er reichte mir eine Flasche. Ich öffnete sie mit einem Schraubenschlüssel, der auf der Werkbank lag, direkt neben der angefangenen Flasche meines Vaters. Wir tranken beide einen kräftigen Schluck. Nach einem Arbeitstag war ein »Alpi« nach wie vor eine sehr gute Wahl.
»Und wie soll das mit dem Schrott hier weitergehen?« Er nickte zu den Wahlplakaten hinüber.
»Bald ist ja die Wahl«, tröstete ich ihn, »dann höre ich auf. Aber wenn’s dich nervt, reduziere ich das Sammeln der Plakate.«
Er nickte. Ich war froh, dass er keine Diskussion anfing. Warum ich Rechtsradikalen, die sich als Republikaner ein bürgerliches Image gingen, so ablehnte, konnte ich kaum sagen. Ich verabscheute Nazis, das fand ich aber selbstverständlich. Dass mein Vater bei meinen Aktionen insofern mitspielte, dass er bei der Vernichtung der Wahlplakate half, fand ich gut. Vielleicht war es eine Art von »Wiedergutmachung« dafür, dass er als Soldat im Krieg gewesen war. Und ich versuchte auf meine Weise, die Schatten der Vergangenheit auszugleichen?
»Es ist mieses Brennmaterial«, sagte er ruhig. »Klebstoff, Holzspäne, billiges Plakatpapier – das stinkt und raucht, aber es heizt nicht, und es macht die Anlage dreckig.«
Wir einigten uns darauf, dass ich nur noch einzelne Plakate bringen sollte. Ich trank das Bier aus und fuhr weiter.
Als ich die Kleinstadt erreichte, in der ich zu der Zeit wohnte, sah ich wieder die Wahlplakate. Ab und zu hatte jemand ein Plakat der Republikaner beschmiert. Ich unterdrückte den Impuls, an jeder zweiten Laterne anzuhalten und die Propaganda abzumontieren.
»Vielleicht hört der Spuk auch von selbst wieder auf«, murmelte ich, während ich durch die nächtliche Stadt fuhr. »Vielleicht sind die blöden REPs bald weg.« Ich ahnte bereits, dass es nicht so einfach sein würde.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen