Alexander Sipis ist der Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins, also der Dachorganisation der Verlags- und Buchhandels-Branche. In einem Interview im »Börsenblatt« (Ausgabe 21 vom 25. Mai 2021), der wöchentlich erscheinenden Zeitschrift des Verbandes, lässt er sich zur »Woche der Meinungsfreiheit« interviewen. Diese fand im Mai statt.
Wie es sich gehört, lobt Skipis seinen Verband und seine eigene Arbeit sehr. Das ist bei einem Beitrag dieser Art nicht anders zu erwarten. Auch wenn er die Überschrift »Es geht nicht ums Schulterklopfen« trägt …
Schön ist seine Darstellung. Man habe »zwei Seiten derselben Medaille beleuchten« wollen. Ausdrücklich benennt Skipis »die Missachtung der Meinungsfreiheit in autoritären Staaten wie der Türkei, Saudi-Arabien und China«, fügt aber gleich hinzu: »aber auch die verheerende Entwicklung in unserer eigenen Gesellschaft.«
Da wird der Geschäftsführer konkret: »Stichwort Cancel Culture. Hass und Hetze führen zur Einschüchterung.« Soweit diese Zitate aus dem Interview.
Ich habe da echt einige Fragen, die ich aber nicht öffentlich stellen würde. (Wenn es GEGEN die angebliche Cancel Culture geht, die angeblich die Meinungsfreiheit bedroht, gibt es eine irrsinnig breite Koalition. Aber das ist wieder ein anderes Thema.)
Mal ernsthaft: Die angebliche Cancel Culture – was immer Skipis darunter genau verstehen mag – ist also genauso gefährlich wie das, was in Ländern wie der Türkei, China oder Saudi-Arabien vorgeht? Habe ich das richtig verstanden? Wenn also hierzulande Leute für ihre Aussagen öffentlich kritisiert werden, ist das genauso schlimm wie das Vorgehen staatlicher Organe, die in den genannten Ländern bekanntlich Journalisten oder Autorinnen und Autoren einsperren?
Vielleicht habe ich das alles falsch verstanden. Aber vielleicht wird hier doch mit zweierlei Maß gemessen.
2 Kommentare:
"ist also genauso gefährlich wie das, was in Ländern wie der Türkei, China oder Saudi-Arabien vorgeht? Habe ich das richtig verstanden?"
Nein, das hast Du falsch verstanden.
Der Hr.Skipis spricht von einer 'verheerenden Entwicklung', das heißt, Türkei, China und Saudi-Arabien haben noch einen gewissen Vorsprung, wir sind aber auf einem schlechten Weg.
So wie sich Deutschland momentan darstellt, so muss es in Amerika während der McCarthy-Ära zugegangen sein.
Damals hat man Kommunisten erschnüffelt und heute überall Nazis.
Die Methoden um Menschen mundtot zu machen sind heutzutage auch viel subtiler. Das ist (noch) der einzige Unterschied.
Ich möchte auf diese Aussagen nur kurz eingehen: Sie entbehren meiner Ansicht nach jeglicher Grundlage. Es ist absurd, die Verhältnisse während der McCarthy-Ära mit heutigen Diskussionen zu vergleichen.
Die angebliche Cancel Culture richtet sich – wenn überhaupt – gegen Leute, die dann im Fernsehen über Wochen hinweg öffentlich darüber jammern dürfen, wie sehr sie gemobbt und angegriffen werden.
Gleichzeitig werden andere Leute von Nazis massiv angegriffen und erhalten kein öffentliches Sprachrohr.
Kommentar veröffentlichen