Der Autor Raymond Carver ist mir seit langem ein Begriff, und ich habe einige Sammlungen mit Kurzgeschichten von ihm im Regal stehen. Aus mir nicht einsichtigen Gründen nahm ich sein bekanntestes Buch lange Zeit nicht zur Hand – und kam erst dieser Tage dazu, alle Texte in »Wovon wir reden, wenn wir von Liebe reden« zu lesen.
Mir lag die aktuelle Ausgabe vor, die als Hardcover im Berlin-Verlag erschienen ist, aber auch schon einige Jahre auf dem Buckel hat. Man bekommt sie noch im Secondhand-Bereich.
Raymond Carver – er lebte von 1938 bis 1988 – gilt als einer der wichtigsten Vertreter der amerikanischen Kurzgeschichte. Oftmals verbinden sich in seinen Kurzgeschichten persönliche Erfahrungen mit fiktiven Personen. Für Literaturforscher ist sicher interessant, solchen persönlichen Verbindungen nachzuforschen; ich wollte in erster Linie die Geschichten lesen.
Auffallend ist trotzdem, wie oft es um Alkohol geht: Die Hauptfiguren der Geschichten sind Trinker, oder sie geraten durch das Trinken von Gin und Whisky außer Kontrolle. Das wird nie positiv geschildert, der Autor verfällt aber ebensowenig in eine Arie von Verurteilungen. Er bleibt in seinem nüchternen Tod, erzählt lakonisch vom Scheitern seiner Figuren. (Man merkt als Leser, dass der Autor weiß, was Alkohol anrichten kann.)
»Sag den Frauen, dass wir wegfahren« beginnt beispielsweise ganz harmlos mit dem Leben von zwei jungen Männern. Die Geschichte schildert distanziert, wie sie gemeinsam alt werden und wie sie irgendwann zu viel Alkohol trinken, und sie endet damit, dass Hände nach Steinen greifen und zum tödlichen Schlag bereit sind.
Die Titelgeschichte des Buches, die übrigens in dem spektakulären Kinofilm »Birdman« als Hintergrund benutzt wird, wiederum besteht zu einem großen Teil aus einem Dialog, der in einen Monolog ausartet und in dem es um Gewalt und Liebe, um Beziehungen und Alkohol geht. Sie endet ebenso offen wie viele andere Geschichten in diesem Buch, und würde man den Alkoholkonsum rausstreichen, würde ein großer Teil des Textes fehlen.
Immer wieder gibt es Texte in »Wovon wir reden, wenn wir von Liebe reden«, die ich faszinierend finde, die mich packen, auch wenn vorgeblich nicht so viel passiert. Andere empfinde ich als geschwätzig. (Es gibt ja längst eine literarische Diskussion darüber, welchen Einfluss der Lektor auf das Werk des Autors hatte, wieviel er gekürzt und geändert hat. Mir ist das insofern egal, dass ich nur den fertigen Text vor mir habe und lesen kann.)
»Wovon wir reden, wenn wir von Liebe reden« ist ein Buch, dessen Lektüre ich nach wie vor empfehlen kann. Ich bin sicher, dass ich immer mal wieder danach greifen werde, um eine der Geschichten neu zu lesen …
2 Kommentare:
Wer nicht weiß, wer Raymond Carver ist, kann sich unter anderem in einem ganz brauchbaren Wikipedia-Artikel über den Autor informieren.
Hier:
https://de.wikipedia.org/wiki/Raymond_Carver
»… und würde man den Alkoholkonsum rausstreichen, würde ein großer Teil des Textes fehlen.«
Bei dem Satz musste ich gerade schmunzeln, denn das trifft in weiten Teilen auch auf Deine Peter Pank-Romane zu. Zwinker!
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