04 Februar 2021

Die SF-Times 139 von 1976

In den 70er-Jahren war die Science-Fiction-Welt noch in Ordnung: Die Großverlage publizierten »Schund«, ein bestimmter Heftromanverlag aus Rastatt war für den »Faschismus« verantwortlich, und die Redaktion der »Science Fiction Times« stellte sich heldenhaft dem Ansturm von literarischem Dreck entgegen. Liest man heute die Ausgabe 139 dieser Zeitschrift, die im Sommer 1976 erschienen ist, kommt einem manches arg seltsam vor.

Schon wenige Jahre danach müssten eigentlich manchem Schreiber die Aussagen von damals peinlich gewesen sein. 1976 schrieben sie über gesellschaftliche Widersprüche, über den »Tauschwert« und den »Warenwert« und was es sonst noch so an marxistischen Ausdrücken gab – und wenige Jahre später arbeiteten sie zumeist für die vorher so verhassten Großverlage.

Aber seien wir ehrlich: Die Leute hatten damals mehr Ahnung von Science Fiction als die »wir sind so unpolitisch«-Fraktion, die sich sonst in der Fan-Szene artikulierte. Und das kann man auch heute noch gut nachlesen – vor allem deshalb, weil sich die Ausgabe 139 mit der Produktion von Literatur beschäftigte.

Der Artikel von Wolfgang Jeschke, der »SF aus der Sicht der Macher« darstellte, ist heute noch relevant: Um ein anspruchsvolles Programm zusammenstellen zu können, müsse er auch Sachen wie die »Gor«-Romane veröffentlichen, argumentierte er damals. (Dass in diesen Romanen die Vergewaltigung von Frauen als erstrebenswert dargestellt wurde, schien übrigens den Schreibern der SFT nicht so viel auszumachen wie der »Faschismus« einer gewissen Heftromanserie. Anderes Thema …)

Informationen über die Autoren und ihre Produktionsbedingungen listeten Honorare auf, teilweise auch Auflagen – wobei man offensichtlich die Veröffentlichungen der Verlage, was die Auflagenhöhe anging, kritiklos übernahm –, darüber hinaus ging es um Übersetzungen. Lesenswert ist auch heute noch das Interview mit Thomas R. P. Mielke, der sich zu seinen Heftromanen äußerte, die er teilweise einfach diktierte.

Das Heft enthält darüber hinaus verschiedene Rezensionen und einen Überblick zur aktuellen Science Fiction in den Vereinigten Staaten. Spätestens daran merkt man, dass die Redaktion – jenseits aller ideologischen Scheuklappen – einfach sehr viel Ahnung von dem hatte, was sie tat.

Spannend zu lesen, auch und gerade über den Abgrund von rund 45 Jahren hinweg!

Keine Kommentare: