13 Februar 2019

Ben Calvin Hary im Interview

Aus der Serie »Drei Fragen an …«

Ben Calvin Hary ist eigentlich Webseiten-Entwickler von Beruf, was ihn offenbar nicht auslastet. Er tummelt sich als YouTuber vor der Kamera und schreibt Romane. Im Herbst 2018 erschien sein Roman »Koshkin und die Kommunisten aus dem Kosmos« im Atlantis-Verlag, den ich mit viel Vergnügen gelesen habe.

Aus diesem Grund führte ich mit dem Autor dieses Interview. Es wurde per Mail geführt.

Klaus N. Frick: Wie würdest du deinen Roman beschreiben? Als Satire, als Klamauk, als Science Fiction im weitesten Sinne?

Ben Calvin Hary: Das mag den ein oder anderen Leser überraschen, aber nichts von alledem. Mein erstes Ziel war von Anfang an, einen spannenden Abenteuerroman zu schreiben. Klar wollte ich einen heiteren Text in die Welt setzen, aber der Humor sollte in erster Linie von den Figuren rühren und eben nicht vom Klamauk.

Ich habe eine Theorie, was erfolgreiche humoristische Literatur angeht: Sie muss mir beim zweiten, dritten oder vierten Lesen genausogut gefallen wie beim ersten Mal. Pointen verbrauchen sich aber, und auch Skurriles ist einem irgendwann so vertraut, dass es zum Normalen wird. Wenn mir jedoch die Charaktere am Herzen liegen und die Geschichte an sich interessant ist, lese ich beispielsweise ein Buch wie Douglas Adams’ »Der Elektrische Mönch« auch zum zwölften Mal mit Freude. Der Text muss also vor allen Dingen als Geschichte funktionieren. Die Komik darf bei mir nie Selbstzweck sein.

Aber im Herzen ist »Koshkin« auch eine Liebeserklärung an die Science Fiction von einst. Wenn also jemand ein Etikett drankleben möchte, bin ich mit sowas wie »heitere SF-Persiflage vor historischem Hintergrund« durchaus einverstanden.

Klaus N. Frick: Wie bist du eigentlich darauf gekommen, ausgerechnet die fünfziger Jahre als Hintergrund zu nehmen? Meist siedeln SF-Autoren ihre Geschichten entweder in ihrer aktuellen Zeit oder eben in der Zukunft an.

Ben Calvin Hary: Das hatte mehrere Gründe. Ich bin zum einen ein großer Verehrer klassischer Hollywood-Filme und würde mich als einigermaßen passionierten Amateur-Filmhistoriker bezeichnen. Zu der Zeit, in der ich die Idee zu »Koshkin« entwickelte, schaute ich viele SF-Meisterwerke aus den Fünfzigern und Sechzigern – Werke wie »Der Tag, an dem die Erde stillstand«, »Das Ding aus einer anderen Welt« oder »Metaluna 4 antwortet nicht«.

Die Liebe zur Retro-SF entdeckte ich außerdem früh. Als Kind las ich beispielsweise diese Serie mit den bunten Raketenheftchen, von denen du womöglich auch schon mal gehört hast. Die Idee, dieser Ära der Phantastik eine Hommage zu widmen, kam mir nie bewusst. Das lag für mich auf der Hand.

Zum anderen verfolgte mich die Figur eines polternden Wissenschaftlers, die zu gewissen Teilen von meinem zwischenzeitlich verstorbenen Schwiegervater inspiriert war. Der war ein Ingenieur polnischer Herkunft, der damals zwar schon seit über zwanzig Jahren in Deutschland lebte und hier absolut integriert war, aber stets wirkte, als würde er sich noch immer deplatziert fühlen.

Ich erlebte ihn als hochintelligenten und meist herzlichen, aber auch als launischen und innerlich resignierten Mann, der sich vom Leben und »dem System« betrogen fühlte. Diese Tragik wollte ich wiedergeben. Das war die Grundlage für die entwurzelte Existenz des Russen Boris Koshkin, den ich zu diesem Zweck ins ferne Amerika verfrachtete.

An diesem Punkt begannen beide Ideen – Hommage an die SF der 50er und die Koshkin-Figur – zusammenzuwachsen. Die Assoziation »Kalter Krieg« und »Space Race« drängte sich mir förmlich auf. Der Rest ergab sich beim Schreiben.

Klaus N. Frick: Wenn man’s genau nimmt, ist dein Roman ganz schön brutal (Lebewesen werden bei lebendigem Leib von Würmern aufgefressen) – das fällt nur nicht auf, weil die Getöteten im Prinzip ja aufrecht gehende Pflanzen sind. War dir dieser Sadismus überhaupt bewusst?

Ben Calvin Hary: Ich würde sogar noch weiter gehen und speziell den dritten Akt über Strecken als reinrassige Splatterkomödie bezeichnen. Als junger Erwachsener war ich Teil einer Clique von, wie ich uns heute bezeichnen würde, zu spät geborenen Cineasten. Eine besonders eigene Faszination übten auf uns die frühesten Werke von Peter Jackson und Sam Raimi aus, und gelegentlich bricht sich diese postpubertäre Begeisterung fürs Abartige auch heute noch bei mir Bahn.

Also ich habe diese Gore-Elemente schon sehr bewusst im Roman eingesetzt. Die »Fructoiden« gehen ja auch nicht gerade zimperlich mit den Humanoiden um. Akkallah’Pi-Mennitah, mein Bösewicht, ist ein ganz schön blutrünstiges Früchtchen. Aber auch das ist beim Schreiben passiert und war ursprünglich gar nicht geplant.

Du erwähnst die Killerwürmer. Dahinter steckte zum Beispiel eine ziemlich pragmatische Überlegung. Ich brauchte eine Waffe, mit der meine Helden ihre Entführer das Fürchten lehren konnten. Und wovor hätte ein intelligentes Obst wohl die größte Angst? Fraßfeinde, also Würmer, fand ich recht naheliegend. Was sowas dann im Detail für die Protagonisten bedeutet und wie es sich für sie anfühlt, erforsche ich gemeinsam mit meinen Figuren bei der Niederschrift. Und das zelebriere ich dann gern.

Klaus N. Frick: Danke für das Interview.

Ben Calvin Hary: Es war mir ein Fest.

1 Kommentar:

My. hat gesagt…

Nuja. Inzwischen ärgere ich mich ein wenig, diesen Autor und seinen "Koshkin" weggehen zu lassen. Dass er "ankommt", freut mich umso mehr.

My.