15 April 2020

Deutsch-jüdische Verwirrungen

Es gibt Bücher, die sich irgendwelchen Einordnungen verweigern und die trotzdem hervorragend sind. »Titos Brille« ist ein schönes Beispiel dafür. Ob Adriana Altaras, die Schauspielerin und Autorin, damit nun einen Roman oder ein Sachbuch geschrieben hat, ist völlig gleichgültig. Sie wechselt ohnehin zwischen Tragödie und Komödie hin und her und schickt die Leser in ein Wechselbad der Gefühle.

Adriana Altaras ist Jüdin. Ein Teil ihrer Verwandtschaft wurde in der Nazi-Zeit ermordet, ein anderer Teil konnte fliehen. Ihr Vater kämpfte auf Seite der jugoslawischen Widerständler, ihre Mutter wurde in einem Lager inhaftiert. Beide überlebten den Krieg und siedelten in den 60er-Jahren nach Deutschland über.

Was sich hier vergleichsweise einfach anhört, ist in Wirklichkeit eine Familiengeschichte, die sich vielfach durch Zeit und Raum bewegt, die voller Brüche ist, voller Tragik und auch voller Humor. Als die Eltern der Autorin nacheinander sterben, erbt sie eine Wohnung von Hinterlassenschaften. Beim Durchstöbern uralter Urkunden und anderer Dinge werden Geschichten und Erlebnisse wieder lebendig.

Die Autorin erzählt von ihrer Jugend in Italien, von den Geschichten über ihren Vater im Widerstand, vom aktuellen Judenhass und ihren Versuchen, trotzdem in Deutschland ein glückliches Leben zu führen. Sie erzählt von Zagreb und Gießen, von New York und Berlin, von Tel Aviv und einem hierzulande unbekannten Lager in Jugoslawien.

Mit »Titos Brille« – das Buch wurde auch verfilmt – gelang der Autorin ein Bestseller, zumindest in gewissem Rahmen. Ich las das Buch mit Staunen und Begeisterung, musste bei manchen Szenen laut auflachen und saß kurze Zeit später da, einige Tränen in den Augen.

Man muss sich darauf einlassen, dass die Autorin die »Regeln« nicht einhält, die üblicherweise zu Romanen verkündet werden. Tut man das, wird man mit einer wunderbaren Geschichte erzählt, die viel über die deutsche Vergangenheit erzählt und am Ende doch sehr tröstlich und positiv endet.

(Ich habe die Ausgabe gelesen, die als Fischer Taschenbuch erschienen ist. Erstmals veröffentlicht wurde das Buch bereits 2011.)

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