27 April 2018

Bier und Toilette

Es war einer dieser seltenen Tage im Sommer, in denen sogar in Freudenstadt die Hitze stieg. Wir saßen – wie so oft – im Stadtpark auf der Wiese, tranken Bier oder dösten in der Sonne. Den harten Kern bildete eine Gruppe von jüngeren Punks, zu denen ich mich immer als »alter Sack« gesellte, und darum gruppierten sich andere junge Leute.

Da meine Wohnung keine fünfzig Meter von der Stelle entfernt war, diente sie schnell als »Außenquartier«. Während man den Jungmännern zumuten konnte, kurz in der Toilette am Marktplatz zu pinkeln, gab ich manchmal den Mädchen den Schlüssel zur Wohnung; meine Toilette war sauberer als das öffentliche Klo in jenen Jahren.

Andere deponierten Bier in meinem Kühlschrank. Gelegentlich gab ich meinen Schlüssel auch einem jungen Mann, damit er frisches kühles Bier holen konnte. Ich war mir sicher, dass sich keiner an meinen Schallplatten oder Comics vergriff. Die meisten standen sowieso nur staunend vor den Regalen und waren froh, wenn sie aus der Höhle aus Papier und Vinyl wieder heraus waren.

»Kann ich deinen Schlüssel haben?«, fragte mich ein Mädchen. Sie saß am Rand unserer Gruppe, schüchtern und schmächtig und mit rötlichen Haaren. »Ich ... ähm ... muss mal.«

Ich nickte und schob ihr den Schlüssel rüber. Sie nahm ihn und stand auf.

Ein Jugendlicher folgte ihrem Beispiel. »Ich ...« Er stotterte.

»Schon klar.« Ich winkte ab, von der Hitze und dem Bier schon leicht verduselt. »Hol dir ein Bier, der Kühlschrank steht in der Küche.«

Die beiden gingen, und mir wurde in einem Teil meines Bewusstseins klar, dass sie ein Paar sein mussten. Niemand in der Runde sagte etwas, alle dachten wohl das gleiche.

Die beiden blieben länger weg, als sie gebraucht hätten, um zu pinkeln oder Bier zu holen. Während sie in meiner Wohnung waren, musste seltsamerweise kein weiteres Mädchen aufs Klo, und es war auch nicht dringend nötig, weiteres Bier aus dem Kühlschrank zu holen.

Als sie zurückkamen, strahlten beide. Sie setzten sich wieder zu unserer Gruppe, als sei nichts geschehen. Ich grinste, andere in meiner Nähe grinsten ebenfalls. Niemand kommentierte den Vorfall.

Und ich wusste, dass ich an diesem Abend im Spätsommer 1991 wohl besser die Bettwäsche wechseln sollte.

1 Kommentar:

RoM hat gesagt…

Hoi, Klaus.
Punk & a gentleman's behaviour schließen sich ja nicht aus. Gilt sowohl dafür den Mädels ein sauberes Klo, wie jung Verbandelten diskret eine Möglichkeit zu bieten. Kudos...

Der zirkulierenden Endorphine wegen, wird das "kühle Bier" dann vielleicht vergessen worden sein. :-)

bonté