Ein Gespräch im Verlag, mit einer Kollegin, die ich schon seit vielen Jahren kenne, eines von diesen Gesprächen, in denen wir uns beidseitig über blöde Politiker, unfähige Polizisten, rüpelige Autofahrer und die anderen Problemfälle des kleinbürgerlichen Lebens aufregten – wir waren uns meist einig. Bis sie dann sagte, ziemlich zornig: »Eigentlich müsste eine Revolution her, eine Revolution, bei der sich das Volk auflehnt und die da oben wegfegt.«
Ich verkniff mir die Bemerkung, dass ähnlich kluge Sprüche von mir vor dreißig Jahren oder so auch gefallen waren und dass sie damals zurecht von anderen Leuten kritisiert wurden. Relativ geistesgegenwärtig konterte ich: »Eine Revolution? Von wem und mit wem? Und gegen wen?«
»Na ja, wir halt«, sagte sie, immer noch aufgebracht, »wir einfachen Leute, die jeden Tag arbeiten, gegen die da oben, die uns auspressen.« Sie holte Luft. »So irgendwie zumindest«, fügte sie hinzu. Das war wahrscheinlich der Augenblick, in dem ihre Wut verrauchte.
»Gegen das Establishment wollte unlängst schon mal eine Gruppierung sein«, sagte ich, und ich merkte selbst, wie altersmilde und spießig ich mich anhörte. »Was daraus wurde, wissen wir. Und mit solchen Leuten will ich nichts gemeinsam haben.«
»Ich ja auch nicht.« Abwehrend hob sie die Hände. »Du kennst mich ja. Mit solchem Gedankengut habe ich nichts zu tun.«
Frustriert sah ich sie an. »Und wenn die Revolution gesiegt hat, wer kommt dann an die Macht?« Ich schüttelte den Kopf. Ich hatte aufgegeben, ich wusste es.
Die Zeiten, in denen ich die »Graswurzelrevolution« gelesen hatte, waren einfach schon Jahrzehnte her. Und ich erkannte schuldbewusst, dass ich einer Kollegin den Elan ausgetrieben hatte.
Wir gingen beide wieder an unsere Arbeit. Zurück an unsere Stellen im Räderwerk des Kapitalismus. Ich war mir sicher: Wenn die Revolution kommen würde, hätten wir keinen Platz in der ersten Reihe.
1 Kommentar:
Bore da, Klaus.
"Revolutionen fressen ihre Kinder, weil die Flammen ständig um hineingeworfene Nahrung züngeln. Ohne verzehrendes Feuer erkennt aber jeder die Leere in der Dunkelheit."
(Myrelle Minotier)
Widerstand, bereits gegen keimendes Unrecht, bleibt die bessere Option.
bonté
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