Im Oktober waren Chaostage in Karlsruhe, und so gut wie niemand hat etwas davon mitbekommen. Ich war selbst nicht da, sondern trieb mich auf der Buchmesse in Frankfurt herum – aber lustigerweise fragten mich seitdem einige Leute, ob ich mehr über die Chaostage in Karlsruhe wüsste. Ausgerechnet mich, tsts. Wohlgemerkt: Es fragten Menschen, die an dem bewussten Wochenende in der Stadt waren.
Die Chaostage fanden quasi unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Es interessierte so gut wie niemanden, und nur wenige Punks warfen beim Slime-Konzert mit Flaschen auf die unschlüssig und wenig dekorativ herumstehende Polizei.
Das war's: Die Chaostage waren im Prinzip ein Konzert mit Gestresse. In den 80er- und 90er-Jahren gehörte das fast zum Standard-Programm eines Punk-Konzerts.
Aber warum waren die Chaostage in Karlsruhe so schlapp? Weil das Marketing nicht stimmte: Es nützt nichts, einen Flyer zu machen, diesen zigtausendfach zu drucken und tausendfach zu verteilen; es nützt auch nichts, in einigen Internet-Foren zu der Veranstaltung aufzurufen und bei einigen Konzerten ewas durchzusagen.
Im Vorfeld früherer Chaostage in Hannover wurde buchstäblich monatelang getrommelt. Punks fuhren durch die halbe Republik, um alle Bunthaarigen zu mobilisieren. Und es benötigte stets eine knallige Mischung aus Straßenköter-Punks, Polit-Hardcore-Punks und schlaubrillentragenden Punk-Fanzinemachern, damit wirklich Tausende von Punks nach Hannover fuhren.
Bei den großen Chaostagen in den 80er- und 90er-Jahren gab es niemanden in der Punk-Szene, der nicht davon wusste. Man musste sich bewusst gegen die Chaostage entscheiden, um nicht nach Hannover zu fahren. Für die Chaostage in Karlsruhe hingegen musste man schon sehr engagiert sein, um von ihnen mitzubekommen – das genügt heutzutage einfach nicht mehr.
Falls die – mir persönlich völlig unbekannten – Macherinnen und Macher der Chaostage in Karlsruhe die Veranstaltung im nächsten Jahr wieder machen wollen, müssen sie auf jeden Fall in ihr Marketing investieren. Klingt komisch, ist aber so ...
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