Geht man heutzutage auf ein Punk- oder Hardcore-Konzert, kann durchaus sein, daß man keine Punkrocker mehr zu Gesicht bekommt. »Die sehen alle aus, als arbeiten sie auf der Bank«, meinte Lars und wies auf eine Gruppe von Hardcore-Jungmännern mit anständigem Kurzhaarschnitt, sauberen Propagandhi- und Strike Anywhere-Shirts und kurzen Hosen.
»Oder sie sehen aus wie Frisöre«, konterte Ulf und zeigte auf einen jungen Mann, dessen 70-Euro-Haarschnitt mit sauber gegelten Strähnchen aussah, als wolle er als Inkarnation von Rod Stewart durch die Welt pendeln.
»Und diejenigen, die ein bißchen punkig aussehen, arbeiten wohl alle als Verkäufer bei H&M«, lästerte ich. Alte Männer, die über junge Leute herziehen: Es war Samstag abend, 9. August, und im »Substage« hatten sich Propagandhi angesagt.
Mehrere hundert Leute waren da, der Männer-Anteil lag bei 80 Prozent, und die Leute kamen nicht nur aus Deutschland, sondern auch aus österreich und der Schweiz, aus Italien und Frankreich. Die kanadische Band zieht echt viel Publikum.
Und das ignorierte die Vorbands: Die zwei jungen Frauen von Biestig waren tapfer und spielten ihren rotzigen Punkrock vor einigen Dutzend Leuten. Die Band Red Tape Parade begeisterte mich mit ihrem druckvollen Hardcore, brachte aber kaum jemand zum Kopfwackeln. Bei den unsäglichen Kafkas und ihrem bierernsten Deutschpunk mußte ich rasch wieder den Konzertraum verlassen.
Propagandhi ließen dann das Publikum im vollbesetzten Konzertraum gut eine halbe Stunde warten (Rockstar-Allüren?), bevor sie loslegten. Vom ersten Ton an herrschte kollektive Begeisterung. Das sehr textsichere Publikum sang lauthals mit, der Pogo-Mob tobte wie blöd, und innerhalb kürzester Zeit herrschte Sauna-Atmosphäre.
Ich hielt mich am Rand des Mobs, blieb sehr zurückhaltend und schwitzte dennoch, als hüpfte ich selbst durch die Menge. Als das Konzert irgendwann rum war und die kanadische Band mit tosendem Beifall verabschiedet wurde, war ich triefend naß.
Trotz zeitweise nervigem Publikum ein großartiger Konzertabend!
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