»Ich garantiere Ihnen, Sie werden sich schlapplachen.« Das stand in der Mail, die mir ein unbekannter Mann schickte. Ich wusste nicht, wer er war, stellte sich mir aber als jemand vor, der mit mir gemeinsame Bekannte hatte. Er wisse, dass ich mich mit Science Fiction beschäftige, aber er wolle mir trotzdem sein Manuskript zur Kenntnis geben. Vielleicht hätte ich eine Idee, wie man einen solchen »Erfolgsstoff« gut vermarkten könne.
Es war nicht das erste Manuskript, das mir jemand schickte. Und normalerweise hätte ich es per Formschreiben ablehnen können. Der Spruch mit »passt nicht in unser Programm« stimmte ja schließlich auf jeden Fall: Es hatte nichts mit Science Fiction zu tun, nicht einmal andeutungsweise; es spielte im »Hier und Jetzt« und sollte vor allem humoristisch sein. Bei Science-Fiction-Manuskripten warf ich immer einen Blick auf die einzelnen Seiten, um mir einen eigenen Eindruck zu verschaffen.
Aber weil die Person, die es mir schickte, glaubhaft unsere gemeinsamen Bekannten anführte, reagierte ich darauf. Ich schrieb eine positive Mail zurück und versprach, mit das Manuskript anzusehen. Das hatte ich auch vor. Ich druckte mir die ersten zwanzig Manuskriptseiten in einer platzsparenden Art aus, um mir einen Einblick zu verschaffen.
Das dauerte allerdings einige Zeit, und der Autor fragte bei mir nach. In mir erwachte die Scham: Ich hatte den Ausdruck in einem Stapel Papier versacken lassen, und dort lag er seit Wochen und Monaten.
Ich fischte den Ausdruck hervor, las ihn und fand den Text sehr schlapp. Ich hatte bei der Lektüre nicht einmal lächeln können, für mich war das nichts gewesen.
Auf Basis meines Notizen, die ich während der Lektüre angefertigt hatte, schrieb ich eine Mail an den Autor. Dabei bemühte ich mich, meinen Eindruck so subjektiv wie möglich zu schildern. Humor sei Geschmackssache, argumentierte ich, und das Manuskript sei bestimmt sehr witzig; bei mir habe der Humor keinen Anklang gefunden.
Das alles versuchte ich so klar und so höflich wie möglich zu formulieren. Meine Mail war – so dachte ich – sehr zurückhaltend. Ich wollte dem Autor schließlich keinen Schlag ins Gesicht verpassen, wünschte ihm weiterhin viel Erfolg mit seiner Schriftstellerei und schickte die Mail ab.
Der Autor reagierte überhaupt nicht auf meine Mail. Ich bekam kein »Dankeschön«, auch keine bitterböse Beschwerde, sondern einfach nichts. Es war, als hätte ich in den Wald gebrüllt.
Da verstand ich wieder einmal, warum die Lektoren der großen Verlage sich meist nicht einmal die Zeit nahmen, in unaufgefordert eingeschickte Manuskripte hineinzublicken, und schon gar nicht, den Autorinnen und Autoren eine persönliche Antwort zu schicken ...
1 Kommentar:
Nachvollziehbar. Vielleicht hat der Autor die Mail aber gar nicht erhalten, weil sie im Spam gelandet ist oder sowas.
Aber dann hätte er wahrscheinlich nachgefragt, ob noch eine Analyse seines Manuskripts kommt.
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