Als ich anfing, mich für Science Fiction zu begeistern, landete ich fast automatisch bei einer gewissen Romanheftserie, für die ich heute als Redakteur tätig bin. Was mich damals unglaublich faszinierte, war ein Thema, das ich als positive Utopie wahrnahm: eine Welt, in der es keine »Rassen« mehr gibt, sondern in der alle gleichberechtigt sind.
In dieser Zukunft sollte es egal sein, ob jemand Deutscher oder Franzose, Schwarzer oder Weißer, Christ oder Moslem, Amerikaner oder Russe ist. Eine starke Vision: Alle sind schließlich Terraner.
Diese Vision finde ich immer noch gut. Dass die Menschheit des Jahres 2014 weit davon entfernt ist, beweist ein Blick in die einschlägigen Medien: In Südsudan schlachten sich die Angehörigen unterschiedlicher Völker ab, in Syrien entwickelt sich ein politischer Konflikt zuerst zu einem Bürgerkrieg und dann zu einer Auseinandersetzung von Volksgruppen, im Kaukasus überschneiden sich religiöse und »rassistische« Konflikte.
Erschreckend finde ich bei alledem, in welcher Weise sich manche der alten Science-Fiction-Helden entwickeln. Deutschsprachige Autoren, die in den 70er-Jahren ihre linken Sprüche klopften und noch in den 80er-Jahren die Welt bekehren wollten, flüchten sich in die Angst vor Fremden, vor allem in eine Angst vor dem Islam oder vor osteuropäischen Zuwanderern. Dabei rutschen sie in rassistische Klischees, ohne es selbst zu merken.
Wo ist die Vision geblieben? Wo ist die Vorstellung einer geeinten Menschheit?
Man mag mich jetzt träumerisch nennen, also reduziere ich es: Wo ist die Vorstellung davon, dass der Prozentsatz an Vollidioten in jeder Gesellschaft praktisch gleich groß ist? Wo bleibt die Vision, irgendwann zumindest eine Gesellschaft zu haben, in der es Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau, zwischen Religionen, Völkern und »Rassen« gibt?
Es sind vor allem alternde Männer, die diese Fremdenangst artikulieren. Da unterscheidet sich die Science Fiction nicht von der allgemeinen Welt, in der sich vor allem alternde Männer in sogenannte Protestbewegungen am rechten Rand flüchten. Aber ich finde es trotzdem erschütternd.
Und ich weiß nicht, wie ich mich gegenüber manchen Menschen verhalten soll; wären es x-beliebige Rassisten, wäre meine Antwort eindeutig. Aber ich kenne sie – oder kannte sie. Und ich schätze sie – oder schätzte sie irgendwann einmal.
So. Und jetzt dürfen mich einschlägige Herren als realitätsfremden Träumer oder als Gutmenschen beschimpfen.
7 Kommentare:
Du sprichst mir aus dem Herzen. Genau das ging mir vor einiger Zeit auch so durch den Kopf ...
Ach je, jetzt vermisse ich prompt den "Gefällt mir"-Button.
Wahre Worte.
Ich denke, das ist das Problem einer immer näher heranrückenden chaotischen Welt und dass diese Unruhen auch uns auf die eine oder andere Weise berühren - seien es Flüchtlingsströme, seien es zu uns zurückkehrende kampferprobte Islamisten, oder oder oder. Jeder fragt sich, welche Folgen dies für uns selbst hat. Probleme lassen sich nunmal rationaler behandeln, je weniger man involviert ist. Die frühere Distanz (Vietnam, Apartheid, etc.) gibt es nichtmehr.
Du bist auch schon 50, alternder Redakteur! Willkommen im Club!
Guter Kommentar.
Ist schon erstaunlich, zwar ist die Bedrohlichkeit des Fremden ein wichtiges Thema in der SF, aber eigentlich geht es doch (bei den Meisten an der SF Interessierten) um die Neugierde auf das Fremde. Vielleicht haben sich diese Autoren zu sehr darin verloren, dass sie jetzt vor ihren eigenen Zukunftsvisionen Angst bekommen.
Oder es ist einfach Karrierefrust. Fremdenangst entsteht ja oft aus Frust über die eigene Situation.
Wer weiß?
Die Frage stellt sich doch warum es Ängste gibt in dieser Welt. Die Ethologie beschreibt die Xenophobie, die Angst vor den/m Fremden und die daraus resultierende gesellschaftliche Aggressivität als ein kreatürliches, angeborenes Verhalten. Dieses kreatürliche Erbe, läßt sich bestenfalls durch die Ratio, durch den Erwerb von Bildung und Herzensbildung besiegen.
Als Knabe haßte ich alle Türken - dies hatte einen einfachen Grund - ich wurde von einem etwas älteren türkischen Jungen der mich nicht leiden konnte eine zeitlang gedisst. Erst später wurde mir klar, dass nicht alle Türken scheiße sind. Ich hatte einfach Angst vor den täglichen Begegnungen nach der Schule . . .
Gegenbeispiel - früher waren die Amerikaner der Inbegriff es Guten für mich. Der tragische Tod der Kennedy-Brüder, die mächtige Saturn V-Rakete, die Mondlandung und das leckere "Ami-Eis" vom alljährlichen Freundschaftsfest, meine Liebe zu Donald Duck und Superhelden, nebst Coca-Cola und Burger festigten meinen kindlichen Bubenglauben an das Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Dann kam die Angst, vor Napalm in Vietnam, vor Atom- und Wasserstoffbomben und die sinnlosen Einsätze im Irak und das wenig segensreiche Wirken in Afghanistan. Gleichzeitig kam die Angst vor dem wachsenden Einfluß der Religionen am Ende des letzten Jahrtausends. Glaubenskriege im 21sten Jahrhundert - wer hätte dies in den 70er Jahren für möglich gehalten? Bis Ende der 80er gab es das "Gleichgewicht des Schreckens" und eine klare Aufteilung der Welt in West und Ost, in Gut und Böse. Damit war es dann ab 1990 vorbei und es kam die Angst vor "The shape of things to come". Okay ich flunkere, die meisten Ängste waren nicht die meinen, aber ich spürte und spüre die Angst um mich herum. Und natürlich macht ein aggressiver Islam Angst und darf Angst machen, nicht allein wegen dem 11. September, mehr wegen dem Wirken der Mullahs im Iran, der Taliban in Afghanistan oder der Wahabiten, dem Irrsin mit dem sich Schiiten und Sunniten bekämpfen, ähnlich wie zur Zeit der unzähligen Schismen in den Christlichen Kirchen. Die Angst vor dem Fanatismus ist berechtigt, aber diese Angst darf niemals dazu führen sich pauschal gegen das Fremde an sich zu empören. Reichtum und Armut in dieser Welt müssen geteilt werden, es geht nicht an, dass nicht mal 100 Personen über 50% des Weltvermögens verfügen, sowas darf einen Angst machen . . . und natürlich sollte man die Menschen verstehen, die sehr wenig haben und dies Wenige mit den Ärmsten der Armen teilen sollen, verordnet von Politikern, die nicht immer Vorbildfunktion repräsentieren und sich selbst vom teilen fernhalten.
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