Fortune ist ein junger, eher erfolgloser Schriftsteller – trotz seines Namens – und schreibt gerne vernichtende Kritiken über einen Erfolgsautor. Als eines Tages der »Rabe« vor ihm steht, die wichtigste Figur des anderen Autors, bricht die Phantasie in die Realität ein und bringt sein komplettes Leben durcheinander.
So lässt sich der Anfang des clever gemachten und schön gezeichneten Comic-Bandes »Mit fremder Feder« zusammenfassen. Dieser ist im kleinen, aber sehr feinen Finix-Verlag als Hardcover erschienen und gefällt mir sehr gut: eine phantastische Geschichte, die vor allem jenen Lesern gefallen dürfte, die ihren Spaß an literarischen Täuschungen und Verwicklungen haben.
Bei Romanen gab es schon oft genug Konstellationen, in denen Figuren aus diesen in die wirkliche Welt einbrachen oder reale Menschen in Romanen auf Reisen gingen. Im Comic ist mir das bislang nicht untergekommen – allein das hebt diesen Comic schon aus der Masse heraus.
Der Autor und Zeichner Fabrice Lebeault, von dem es hierzulande bereits einige Veröffentlichungen gibt, erzählt geschickt und abwechslungsreich: Die meiste Zeit bleibt er in der Perspektive seines jungen Helden und schickt diesen von einer Gefahr in die nächste. Fortunes Suche nach dem geheimnisvollen Erfolgsautor, den er für einen gerissenen Plagiator hält, wird verwoben mit der Jagd nach einem ebenso geheimnisvollen Mörder – das Ende ist knallig und überraschend zugleich.
Der Comic spielt im ausgehehenden 19. Jahrhundert, der Schauplatz ist die Gegend um Paris. Stadt und Land, Häuser und Menschen werden von dem Zeichner gut in Szene gesetzt; das ist sehr schön gemacht und stets abwechslungsreich. Die phantastische Szenerie wird meist düster gezeichnet, die meisten Szenen spielen in der Nacht.
Wer einiges über die Hintergründe erfahren möchte, erhält in einer Art Nachwort das Manuskript der Original-Geschichte – selbstverständlich übersetzt – sowie einige weitere Skizzen. Für mich als Gelegenheitsautor interessant zu lesen ist dabei, wie der Autor seine ursprüngliche Geschichte letztlich verändert hat.
»Mit fremder Feder« ist sicher kein Comic, den man unbedingt gelesen haben muss. Aber er bietet Phantastik im wahrsten Sinne des Wortes. Und er wird ein Schmuckstück in meinem Comic-Bücherschrank werden.
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